THE LIGHTHOUSE – Bundesstart 28.11.2019
Mit diesen Darstellern und dem grimmig unheilvollen Setting, generiert Robert Eggers‘ THE LIGHTHOUSE umgehend den Eindruck eines Pflichtbesuches. Dafoe und Pattinson sind gerne gesehene Darsteller im Mainstream-Kino. Wo aber ihre wirkliche Leidenschaft zu finden ist, sieht man an ihrer Auswahl von extrem schwierigen Filmen die man nur in Programmkinos findet. Und ohne auch nur ansatzweise darüber nachdenken zu müssen, zählt THE LIGHTHOUSE definitiv zu diesen Filmen. Er ist schwere Kost, und das vom Feinsten. Das kann man jetzt so oder anders sehen. Ihn verständlich zu beschreiben muss fehlschlagen, weil man seine Komplexität nicht begreiflich machen kann. THE LIGHTHOUSE ist anspruchsvolle Unterhaltung, sondern eine aggressive Herausforderung.
Leuchtturmwärter Thomas Wake (Dafoe) bekommt für vier Wochen einen Gehilfen auf seine abgelegene Insel. Ephraim Winslow (Pattinson) ist eigentlich Holzfäller, und dass er Arbeit bei einem Leuchtturm sucht, kann nur bedeuten, dass er von etwas davon läuft. Das bleibt nur Vermutung, bildet aber die Grundlage für immer mehr frag- und merkwürdigere Vorkommnisse, die sich im Verlauf ereignen. Ob die ansteigenden Spannungen von der Insel verursacht werden, oder von der ablehnenden Beziehung zwischen den beiden ungleichen Männern ausgeht, bleibt ungewiss. Es könnte aber auch dem Licht geschuldet sein, welches der Turm unablässig in die tosende See hinaus wirft.
Zuerst nimmt sich Robert Eggers Zeit, den Betrachter mit der Atmosphäre und den ungeschönten Bilder vertraut zu machen, sich darauf einzulassen. Bilder die an Negative von Edward Hoppers Gemälde erinnern. Kalt und abweisend, gleichzeitig verstörend einnehmend. Eggers hat schon in seinem Erstling THE WITCH demonstriert, wie wichtig Detailtreue und perfekte Kompositionen mit Kamera, Schnitt und Dialog sind. Nicht nur für ihn sondern für das unterbewusste Kinoerlebnis selbst. Wie bei THE WITCH, ist auch hier wieder Jarin Blaschke für die Bildgestaltung verantwortlich. Gefilmt wurde in einem Seitenverhältnis von 1,2:1, ein Format welches in den Anfängen des Kinematographen genutzt wurde wo zeitlich auch die Handlung angesiedelt ist. Bevor sich die Filmindustrie 29 Jahre später auf das Academy Format von 1,33:1 festlegte. Es kommt auch der Atmosphäre des Films zugute, weil die gewohnte Sichtweise für den Zuschauer gebrochen wird und den Raum zusätzlich begrenzt und klaustrophobischer macht.
Die Tage im Leuchtturm werden immer angespannter, unheimlicher und rätselhafter. Keiner der beiden Figuren kann mehr zwischen schwindender Realität und Fantasie unterscheiden. Hassen sich die Männer wirklich, oder verdrängen sie nur eine homoerotische Beziehung. Ergreift nach und nach eine dritte Macht von ihnen Besitz, oder verkörpert nur einer von ihnen das Unheil, und wenn dann wer. Was den Lehren von Jung entsprechen würde. Aber für all das will Eggers keine eindeutige Antwort geben. Er wirft in Interviews auch gerne mal Prometheus in den Ring, und auch dafür gibt es eindeutig zuordenbare Szenen. Genau wie mit dem Bildnis von Proteus. Es wird also vielen Leuten sehr schwer fallen, THE LIGHTHOUSE während der Vorstellung in seiner Gänze zu erfassen.
Wie das ständig bewegte Licht im Turm, hält auch der Film sein Publikum im Griff. Wieder ein kollektives Erlebnis, für welches Kino tatsächlich erfunden wurde. Der letzte Akt entwickelt sich dann schnell zu einem unbarmherzigen Fiebertraum, die gelegentlich befreienden Lacher von Zuschauern, weichen einem Kichern das sich aus der Verzweiflung heraus ergibt. Robert Eggers wollte mit diesem Film keine Freunde gewinnen. Ganz im Sinne von Robert Pattinson, der laut eigener Aussage die Bedingung äußerte, das es kein Geisterfilm in einem verwunschenen Leuchtturm sein sollte.
Was soll man über Willem Dafoe und Robert Pattinson schon viel verlieren. Beide gehen hier in ihrer physischen und psychischen Darstellung um einiges weiter, als man es von ihren bisherigen Rollen in Erinnerung hat. Auch wenn sich die beiden freundschaftlich verbunden sind, haben sie während der Dreharbeiten kaum miteinander gesprochen. Sehr zur Freude des Regisseurs, dem die diametrale Arbeitsweise beider Schauspieler nur entgegen kam. Dafoe will Proben, Pattinson spricht sich stets dagegen aus. Drehpausen verbrachte Dafoe bei der Filmcrew, Pattison blieb für sich allein. Nach Drehschluss war es genau umgekehrt. Genau so kann man das bestmögliche aus so schwer zu beschreibenden und greifbaren Charaktere holen. Aber nach wie vor bleibt die Warnung erhalten. Dieser Film ist kein Spaziergang. Er tut mitunter weh und liefert nicht unbedingt Antworten. Vielleicht sollte man ihn als Gesamtkunstwerk betrachten, bei dem sich nur nach und nach verschiedene Aspekte erschließen. Vielleicht auch nicht. Ab hier wasche ich meine Hände in Unschuld.
Darsteller: Willem Dafoe, Robert Pattinson und Valeriia Kamaran
Drehbuch und Regie: Robert Eggers, mit Max Eggers
Kamera: Jarin Blaschke
Bildschnitt: Louise Ford
Musik: Mark Korven
Produktionsdesign: Craig Lathrop
USA / 2019
109 Minuten