BOOKSMART – Bundesstart 14.11.2019
Es ist immer das Gleiche. Die Außenseiter wollen endlich dazu gehören, steigen von einem Fettnäpfchen ins nächste, und mausern sich am Ende doch zu den Helden der Nacht. Geht es in der Komödie um das Sub-Genre des High-School Films, ist der Ablauf samt seiner festgefahrenen Klischees längst vorinstalliert. Molly und Amy gehören zu dieser Gattung von High-School-Abgängern, die ihr bisheriges Leben der Schule, dem Lernen und ihrer damit verbundenen rosigen Zukunft widmeten. Keine Beziehungen, keine Parties, keine Ablenkung, die absolute Hingabe. Bis sie am Abschlusstag feststellen, dass ihre ständig ausgelassenen, bekifften, feiernden, liebenden und undisziplinierten Mitschüler ebenso bei höheren Universitäten angenommen wurden, wenn nicht sogar bei regelrechten Elite-Unis. Die Bücherwürmer Amy und Molly brauchen auch nicht lange um für diese letzte Nacht die richtige Schlussfolgerung zu ziehen.
Schon länger geisterte das sehr clevere Drehbuch des Fernseh-Autoren-Team Emily Halpern und Sarah Haskins durch die Etagen der Produzenten Büros. Verfeinert und aufgehübscht von Susanne Fogel und Katie Silberman, fand es nach fast zehn Jahren in Olivia Wilde endlich eine adäquate Regisseurin. Nach zwei Musikvideos und einem Kurzfilm, war für die Schauspielerin die Zeit reif, endlich ihr Regie-Debut für das Kino anzugehen. Bereits der Kurzfilm FREE HUG und Red Hot Chili Peppers DARK NECESSITIES Video sind weiblich dominiert (beide im Netz zu finden). Das klingt zuerst nach einer Selbstverständlichkeit, und zudem wie eine Flucht in sichere Gefilde. Aber auch diese Genres sind vornehmlich männlich belegt, mit entsprechend geschlechtlichem Klientel.
Und genau an dem Punkt der Geschlechterfrage, spielt Wilde in ihrer Inszenierung die höchste Karte aus. Es ist für die Geschichte, den Handlungsverlauf und der Entwicklung der Charaktere bei BOOKSMART vollkommen unerheblich, aus welchem geschlechtlichen Lager sie kommen. Die Schere klafft im Kopf des Zuschauers auseinander, und ist dies erst überwunden, eröffnet sich der Film wie eine Offenbarung. Es spielt keine Rolle, wie die Figuren belegt sind, lediglich die Ausgangspunkte differieren, nicht das Ziel. Alle High-School-Filme, egal wie vulgär oder traurig sie inszeniert sein mögen, handeln von einem kleinen persönlichen Traum, und einer einhergehenden wegweisenden Erkenntnis.
Ganz geschickt nimmt das Drehbuch alle eingängigen Klischees der Jugend-Klamotte in sich auf und würfelt diese wild durcheinander. Wilde schließlich, reflektiert wie eine Bestandsaufnahme all diese überzogenen, längst überholten Versatzstücke dieses Sub-Genres. Aber extrem clever umgesetzt, verkehren sich die Standardsituationen immer wieder in eine unerwartete Richtung. So sind die lernbegierigen Außenseiter eben nicht die typischen Ziele für Spott und Ausgrenzung, sondern integraler Bestandteil der Klassengemeinschaft. Zudem ist jede Figur mit einem anderen abgedroschenen Klischee belegt, allerdings durch die Augen der zwei Hauptprotagonistinnen gesehen. Doch diese obligatorischen Charakterzeichnungen brechen im Verlauf der Handlung immer weiter auf. Und immer wieder tun sich Situationen auf, die förmlich nach einer bestimmten Auflösung kreischen, dann aber doch nur mit der Erwartungshaltung kokettieren, und dafür anderweitig sehr witzig kulminieren.
Ein weiterer Punkt im gekonnten Umgang mit der Materie, ist das zusammenführen der unablässig pointierten Situationen. Die einzelnen Handlungspunkte werden nicht einfach um des humoresken Höhepunktes wegen abgehakt, sondern sie greifen immer wieder ineinander und formen ein in sich stimmiges und nachvollziehbares Gesamtbild. Die Gefühlspalette reicht dabei von nachdenklich, über tiefgründig, hin zu feinsinnigem Humor, bis zu absurd und brüllend komisch. Alles wunderbar ausgewogen, und ohne Durchhänger. Da könnte der Charakter von Gigi eine große Frage nach Logik aufwerfen, aber genau dieses Dilemma ist ganz geschickt in die Handlung mit eingewoben. Wäre aber auch zu dumm, hat man doch wegen Billie Lourds umwerfenden Auftritten, noch extra einige Sequenzen für ihre Darstellung der Gigi dazu geschrieben.
Das ein Film trotz seiner ausgefeilten und überraschenden Umsetzung, mit seinen Darstellern steht und fällt, steht außer Frage. Kaitlyn Dever und Beanie Feldstein sind zweifellos die perfekten Besetzungen, doch gesamt gesehen kann man die gesamte Liste der Schauspieler durchgehen, ohne ein schwarzes Schaf auszumachen. Olivia Wilde hat dafür auch wenig Rücksicht darauf genommen, wie die Schauspieler mit ihrem Alter zu den zu verkörpernden Figuren stehen. Das mag Erbsenzähler störend finden, dem Film hat es nur gut getan. Olivia Wilde ist ein ausgezeichnetes Regie-Debut gelungen, das auf mehr hoffen lässt. Aber das hat sie geschafft mit einem exzellent sorgsam ausgearbeiteten Drehbuch und hingebungsvollen, energiegeladenen Schauspielern. Und nicht zu vergessen das technische Team, welches für jede Szene genau wusste, worauf es im Augenblick ankam.
Darsteller: Kaitlyn Dever, Beanie Feldstein, Jason Sudeikis, Billie Lourd, Skyler Gisondo, Mason Gooding, Diana Silvers, Jessica Williams u.a.
Regie: Olivia Wilde
Drehbuch: Emily Halpern, Sarah Haskins, Susanna Fogel, Katie Silberman
Kamera: Jason McCormick
Bildschnitt: Jamie Gross
Musik: Dan The Automator
Produktionsdesign: Katie Byron
USA / 2019
102 Minuten