THE ADDAMS FAMILY
– Bundesstart 24.10.2019
Es ist erstaunlich. Erst führt Greg Tiernan über Jahre hinweg Regie bei der Kinder-Serie THOMAS – DIE KLEINE LOKOMOTIVE. Und dann mit einem Paukenschlag, übernimmt er die Führung bei SAUSAGE PARTY, dem unanständigsten Zeichentrickfilm seit FRITZ THE CAT. Genau genommen ist FRITZ ein kastrierter Kater zu SAUSAGE PARTY. Trommelwirbel, schon der Nachfolger bringt Greg Tiernan zurück in die gemäßigte Kinderunterhaltung. Da ein angedachter dritter Addams-Film von Barry Sonnenfeld ohne des verblichenen Raul Julia eine Travestie gewesen wäre, mussten neue Wege gefunden werden. Der naheliegendste Weg scheiterte daran, dass der 1998 gedrehte TV-Film wie ein offener Beinbruch aufgenommen wurde. Erst weitere 21 Jahre später kommt Greg Tiernan, mit Unterstützung von Conrad Vernon, zum Einsatz. Ihr Ergebnis ist weniger drastisch, vielleicht ein Papierschnitt.
Sie haben sich gesucht und gefunden, Morticia Frump und Gomez Addams. Die fast achtzig Jahre alten Charakter hatten bis zur Fernsehserie 1964 noch keine Vornamen, nur so am Rande. Sie haben das perfekte Eigenheim, um ihre Kinder Wednesday und Pugsley aufwachsen zu lassen. Düster, heruntergekommen, übler Geruch, und Geister. Wundervoll. Wäre da nicht Margaux Needler, die mit ihrer Heimwerker Reality Show die gesamte Stadt zu einem uniformen Alptraum von Vorstadtidyll zimmern lässt. Da ist das Anwesen der Addams, thronend über der Stadt, natürlich eine spießbürgerliche Katastrophe.
Sarkasmus und schwarzer Humor gehen oftmals nicht Hand in Hand mit Kindergemütern, wo der Erwachsene gerne mal ein Kichern hören lässt. So ist zum Beispiel eine unter der Guillotine schlafende Wednesday ziemlich fragwürdig, während anderseits Kinderherzen bei einem wieder zum Leben erweckter Frosch im Biologie Unterricht schon wieder höher schlagen. Vor Freude, nicht wegen Infarkt. Das hat ja schon bei E.T. funktioniert. Schon ist man beim Drehbuch von Matt Lieberman und Pamela Pettler, die nicht mit filmischen Zitaten geizen. Da ist eben die E.T. Reminiszenz mit den Fröschen, die mit einem Blick auf FRANKENSTEIN beginnt. Der Geist aus Amityville begrüßt die neuen Bewohner, und ein ikonischer Satz aus WATCHMEN fällt. Und am auffälligsten, aber dennoch am schönsten, ist der Verweis auf einen bestimmten Clown.
Aber nicht nur massenhaft Zitate halten die Macher für das begierige Publikum bereit, sondern auch viele kleine Absurditäten die so ganz nebenbei oder fast unerkannt im Hintergrund geschehen. Das Ganze reicht nicht an die Filme von 1991 und 1993 heran („Er hat die Augen deines Vaters.“ „Gomez, nimm sie ihm aus dem Mund.“). Doch wenn man sich vor Augen hält, solange man sie noch hat, dass DIE ADDAMS FAMILY als Film ab 6 Jahre konzipiert wurde, könnten die schwarzhumorigen Einfälle fast schon wieder etwas zu düster und rigoros sein. Das muss keine Allgemeingültigkeit haben, Eltern müssen in diesem Fall ihre Kleinen selbst entsprechend einschätzen.
Die Handlung selbst gibt nicht viel her. Diese ist klassisch auf Kinder zugeschnitten, und stellt an Erwachsene kaum Ansprüche. Es geht um Toleranz, Akzeptanz, Freundschaft und Zusammenhalt. In seinen moralischen Aussagen ist der Film wenig subtil, eher eine Pfeilspitze ins Hinterteil. Das wäre alles überhaupt keine Rede wert, allerdings schafft es weder Drehbuch noch Regie, die zwei angesprochenen Altersgruppen harmonisch ineinander zu verweben. Zugegeben sind die fast 90 Minuten Laufzeit erfrischend kurzweilig, aber der Film ist kein in sich geschlossenes Ganzes. Es kommt einer Nummernrevue gleich, wo Gag für Gag und Szene für Szene abgearbeitet werden. Das darf keineswegs missverstanden werden, als wäre ADDAMS FAMILY lieblos gestaltet. Keineswegs. Aber mit dem Vergnügen bleibt immer das eisige Gefühl, wie wenn einem ein Geist in den Nacken haucht.
Technisch ist der Film tadellos. Schnitt und Ton sind zeitgemäß, allerdings ohne innovative Einschübe. Über die Zeichnung der Figuren lässt sich, wie üblich im heutigen Animationsfilm, herzlich streiten. Die anatomisch übersteigerten Körper und perspektivisch verzerrten und stets wechselnden Settings sind eben nicht jedermanns Sache. Dafür gibt es eine herrliche Auswahl an Melodien zu hören, die Diener Lurch mit dem eiskalten Händchen an der Orgel zum Besten gibt. Auch hier gibt es wohl dosierte Anspielungen. Und wer die Möglichkeit hat, die Original-Sprachfassung zu hören, wird mit einem Killer-Ensemble belohnt, das einem die Ohren bluten. Ansonsten, da Lachen ansteckend ist, nicht etwa wie eine unheilbare Virusinfektion, empfiehlt es sich, DIE ADDAMS FAMILY in einer Kindervorstellung zu sehen. Dann werden auch die kleinen Geister der Unzufriedenheit etwas gemäßigt.
Sprecher:
Oscar Isaac / Alexander Doering – Gomez
Charlize Theron / Katrin Fröhlich – Morticia
Allison Janney / Ulrike Möckel – Margaux Needler
Chloë Grace Moretz / Luisa Wietzorek – Wednesday
Finn Wolfhard / Oliver Szerkus – Pugsley
Nick Kroll / Michael Iwannek – Onkel Fester
Bette Midler / Joseline Gassen – Grandma
Tituss Burgess / Manuel Straube – Glenn
Martin Short / Lutz Riedel – Grandpa Frump
Catherine O’Hara / Marianne Groß – Grandma Frump
u.a.
Regie: Greg Tiernan, Conrad Vernon
Drehbuch: Matt Lieberman, Pamela Pettler
Bildschnitt: Kevin Pavlovic, David Ian Salter
Musik: Jeff Danna, Mychael Danna
Produktionsdesign: Patricia Atchison, Kyle McQueen
Großbritannien – Kanada – USA / 2019
86 Minuten