THE ART OF RACING IN THE RAIN
– Bundesstart 03.10.2019
Es gibt nichts niedlicheres, als einen Hund, der mit großen, traurigen Augen in die Kamera schaut und einem Menschen seine Meinung kund tut. Laut ausgesprochen, in kindlicher Naivität. Katzen würden es auch tun, sind aber schwerer zu trainieren. Schriftsteller und Multitalent Gareth Stein kam die Idee für seinen bekanntesten Roman ‚Art Of Racing In The Rain‘ als er eine Dokumentation über Hunde in der Mongolei sah. Dazu brachte er seine persönliche Erfahrung als Rennfahrer in die Geschichte mit ein. Eine Profession die er aufgab, als er bei Regen einen schweren Unfall hatte. Da kam also allerhand zusammen, was Stein für eine komplexere Handlung verwenden konnte. Doch die Geschichte ging im Sinne der Absicht nicht auf. Zumindest was das Drehbuch angeht, welches Mark Bomback aus dem Roman formte.
Denny Swift ist ambitionierter Rennfahrer, und nur aus einer Laune heraus hält er an einer Farm, wo Welpen angepriesen werden. So kommt Enzo in Dennys Leben, ein herzallerliebster Golden Retriever mit einem Namen, der sehr bewusst gewählt ist, und am Ende mit dem Schicksal des Rennfahrers zusammen laufen wird. Doch eigentlich beginnt der Film mit der Auflösung der Geschichte, der Zuschauer weiß also wie die Handlung kulminieren wird. Das kann man im positiven, wie im negativen Sinne sehen, zumindest nimmt es schon einmal den unumgänglichen Druck aus der Erwartungshaltung des Publikums.
Eigentlich setzt sich ART OF RACING aus drei Geschichten zusammen. Drei Handlungsstränge, die nur bedingt ineinander greifen. Es gibt dramaturgisch sehr genau festgelegte Berührungspunkte, doch sie stützen und beeinflussen sich nicht. Da ist der erzählende Hund, mit seiner Sicht auf die Dinge des Lebens. Dann kommt natürlich Dennys Leidenschaft und Karriere im Motorsport. Und schließlich gibt es das sehr emotionale Familiendrama um Kind und leidender Mutter. Richtig verwoben sind diese Geschichten aber nicht, wenngleich sie immer wieder miteinander zu tun haben, aber keiner dieser einzelnen Handlungsteile ergibt sich aus dem jeweils anderen, und benötigt ihn auch nicht.
Allerdings muss man trotz der strukturellen Schwächen sagen, dass Simon Curtis seine Dramen sehr behutsam, einfühlsam und ansprechend inszeniert hat. Die dramaturgischen Schwerpunkte sind sehr genau gesetzt und nur an ganz wenigen Stellen wirklich ausgereizt. Als Zuschauer lernt man sehr schnell zu schätzen, das Curtis es weitgehend vermeidet, das letztmögliche an Emotionen aus bestimmten Szenen zu pressen. Nur an einer Stelle wird der Bogen etwas überspannt, als Enzo einmal im Haus allein gelassen wird. Es ist eine extrem gefühlsbetonte Sequenz, die dann aber wieder einmal keine Auswirkungen auf den weiteren Verlauf der Familiengeschichte nach sich zieht.
So bewundernswert der Film im Gesamten aufgebaut ist und den Zuschauer anzusprechen versteht, liegt seine größte Schwäche ausgerecht bei Enzo selbst. Aus dem Off gesprochene Tiere sind niedlich, entzücken die Zuschauer und haben stets Lacher auf ihrer Seite. Und dazu noch ein Golden Retriever, das rundet das Bild erst richtig ab. Doch das Problem mit sprechenden Hunden ist nicht nur die Übersättigung des Konzeptes. In jüngster Zeit war da BELLA, und dann gleich zwei BAILEY Filme. Schon im dritten Teil von KUCK MAL WER DA SPRICHT griff man auf den kommentierenden Hund zurück. Das eigentliche Problem ist die übertriebene Vermenschlichung in Ausdrucksweise und Verhalten.
Natürlich ist es unbestreitbar witzig, wenn Enzo die Schwiegereltern ständig als ‚die Zwillinge‘ bezeichnet. Und hoch dramatisch wenn Enzo um Hilfe für sein Frauchen ruft. Aber das hat Lassie auch schon, als Klein-Timmy in den Brunnen gefallen war. Enzo lernt von Menschen ersonnene Philosophie durch das Fernsehen. Enzo begreift das Konzept von Autorennen, er kann sogar seinem Herrchen in einem geschlossenen Wagen über den Bildschirm verfolgen und zujubeln. Enzo, wie alle seine putzigen Vorgänger, artikuliert mit Worten die ein Hund niemals erfassen könnte. Und zu allem Überfluss konfrontiert Enzo den Zuschauer mit einem Lebenswunsch, der sehr fragwürdig scheint in Anbetracht der Beziehung zwischen Mensch und Hund. Das ist schlichtweg alles zuviel, wenn auch witzig und unterhaltsam. Aber letztendlich steht es im starken Widerspruch zu der Tragik und dem Schicksal in Dennys turbulenten Zeiten.
Im Ganzen gesehen ist ENZO UND DIE WUNDERSAME WELT DER MENSCHEN ein ansehnliches Drama mit humorvollen Einschlägen. Technisch auf hohem Niveau, perfekte Interaktionen zwischen Tier und Mensch, und trotz vorhersehbaren Handlungselementen ein erstaunlich kurzweiliger Film. Milo Ventimiglia braucht noch etwas Zeit, um einen Film wirklich überzeugend präsent auszufüllen. Aber hier hat er noch starke Unterstützung von Parker und Butler, und natürlich Orbit und Solar, und Sawyer nicht zu vergessen. Das nur ein Hund all die Anforderungen erfüllen kann, ist selbstverständlich unmöglich. Eine derartige Geschichte wird nur dadurch glaubwürdig, wenn der Zuschauer auch davon überzeugt wird, dass dieser Hund und dieser Mensch tatsächlich zusammen gehören. Wenn es denn schon unbedingt ein moderierender Hund sein muss, dann wenigstens auf der Basis eines glaubwürdigen Verhältnisses, worin ENZO wirklich überzeugt.
Darsteller: Kevin Costner (Stimme: Enzo), Milo Ventimiglia, Amanda Seyfried, Kathy Baker, Martin Donovan, Gary Cole u.a.
Regie: Simon Curtis
Drehbuch: Mark Bomback, nach dem Roman von Garth Stein
Kamera: Ross Emery
Bildschnitt: Adam Recht
Musik: Volker Bertelman, Dustin O’Halloran
Produktionsdesign: Brent Thomas
USA / 2019
109 Minuten