Es ist einer der unscheinbarsten Filme dieses Jahres. Und es ist einer der ehrlichsten Filme dieses Jahres. Denkt man an eine filmische Umsetzung in Bezug auf die vergangene weltweite Finanzkrise, dann scheint unweigerlich nur ein Name damit in Verbindung zu stehen. Es ist Oliver Stone, der mit ‚Money Never Sleeps‘ einen todsicheren ‚Wall Street‘-Nachfolger an der Hand hatte. Doch was als Antwort auf die Finanzkrise gelten wollte, war eher der Börsensturz des sonst gerne so kontroversen Filmemachers. Da kommt nun unerwartet Fernsehveteran John Wells mit seinem Kinodebüt angeschlichen und sichert sich die Aktienmehrheit.
Bobby Walker hat einen äußerst lukrativen Job bei GTX. Aber nur noch ganz kurze Zeit. Bobby Walker (Affleck) und seine Familie leben weit über dem gehobenen Mittelstand. Und nach Bobby Walkers unvermittelter Entlassung ist sein gesellschaftliches Umfeld mit genügend Vernunft gesegnet, um sich mit der neuen Situation zu arrangieren. Außer Bobby Walker selbst.
John Wells hat ein sehr starkes Charakter-Stück geschrieben. Selten war es so spannend, Figuren kennenzulernen und ihre Entwicklung mitzuerleben. Gleichzeitig ist ‚Company Men‘ auch eine intensive und intime Bestandsaufnahme eines Gesellschaftssystems, das sich selbst auffrisst. John Wells‘ ausgeklügeltes und eindringliches Drehbuch lässt Bobby Walker nicht allein die Übel der Börsenwelt erleiden. Er stellt der Geschichte vier weitere Charaktere zur Seite und intensiviert das Spektrum globaler Ereignisse, die sich in persönlichen Schicksalen spiegeln.
Da ist Phil Woodward (Cooper), der an seine Entlassung nicht glaubt, weil er sich zu lange im Geschäft wähnt. Bobby Walker hingegen kann nicht an seine Entlassung glauben, weil er sich selbst so dynamisch, so unersetzlich findet. Zudem hält Bobby sich für so wichtig, dass er nach seiner Entlassung direkt in die oberste Etage geht, um ein für ihn offensichtliches Missverständnis zu bereinigen. Dabei wird ihm schnell bewusst gemacht, dass er überhaupt nicht so unersetzlich ist, wie er sich gefühlt hatte. Dann ist da GTX-Mitbegründer Gene McClary (Jones), der nicht wahrhaben will, wie sich die Welt in Bezug auf persönliche Integrität verändert hat. Auf der anderen Seite will Bobby Walker nicht wahrhaben, dass selbst in Zeiten persönlich finanzieller Abhängigkeiten die Welt vollkommen unpersönlich funktioniert.
Jeder Situation und jeder Figur ist ein gegenläufiges Ereignis gegenübergestellt. Gene McClary zum Beispiel kämpft aufgrund seiner sozialen Verantwortung gegen die Entlassungen. Privat allerdings hat er keine Scheu, seine Frau zu betrügen. Bobby Walker hat mit Zahlenschieberei sehr viel Geld verdient und steht unvermittelt vor dem Aus. Sein Schwager Jack (Costner) hingegen kann sich als Bauunternehmer vor Aufträgen kaum retten. Hat Bobby vor nicht allzu langer Zeit noch verächtlich auf die harte, ehrliche und körperliche Arbeit von Jack hinabgesehen, muss er nun schmerzlich erfahren, dass er sich auf das von ihm geschmähte Niveau von Arbeit begeben muss, um seine Familie zu ernähren.
GTX war einmal eine kleine Werft, die im Laufe der Jahrzehnte zu einem weltumspannenden Konglomerat von diversen Firmen im Transportsektor expandierte. ‚Company Men‘ verdeutlicht anhand seiner Figuren, dass persönliches Engagement und Globalisierung, beruflicher Ehrgeiz und Aktien-Verantwortung keine Chance mehr haben, sozial verträglich ineinander zu greifen. Die zwei Entlassungswellen bei GTX sind Reaktionen auf die Verantwortung gegenüber dem Firmenkapital. „Wir haben früher für uns arbeiten lassen. Nun arbeiten wir für die Aktieninhaber,“ meint Vorstandvorsitzender James Salinger ungerührt. Mit Craig T. Nelson besetzt leider der schwächste Charakter in einem sonst ausgezeichneten Ensemble. Bildet Ben Afflecks Walker Dreh- und Angelpunkt der Erzählung, sind Tommy Lee Jones, Chris Cooper und sogar Kevin Costner, dieser mit sehr viel weniger Leinwandzeit, stets gleichgestellte und gleichgewichtige Figuren.
Am Ende wirkt die Auflösung der Geschichte wie ein versöhnliches Happy End. Jeder findet zurück in seine alte Bahn, dabei wirken die Charaktere gereifter. Auf den ersten Blick wird es enttäuschen, weil es scheint, als hätte John Wells für das Ende eine heile Welt inszeniert. Doch wer tiefer blickt, erkennt das Problem dieser auf Gewinnmaximierung ausgelegten Welt. Das ist in Amerika noch schlimmer als im Rest der Welt, weil durch die soziale Arroganz der sich unschlagbar fühlenden Oberschicht finanzielle Rücklagen überhaupt keine Rolle spielen. Wer möchte, kann im Ende von ‚Company Men‘ einen Hoffnungsschimmer erkennen. Aber eigentlich ist dies keine weiterführende Geschichte, sondern eine einnehmende und treffsichere Zustandsbeschreibung eines aufgebrochenen sozialen Gefüges. In Wirklichkeit hat sich nichts geändert, wenn alle Hürden genommen sind. Bobby Walker kann wieder verächtlich auf seinen sich bei der Arbeit schmutzig machenden Schwager Jack herabblicken.
Darsteller: Ben Affleck, Tommy Lee Jones, Chris Cooper, Rosemarie DeWitt, Adrianne Krstansky, Maria Bello, Kevin Costner, Craig T. Nelson u.a.
Regie & Drehbuch: John Wells – Kamera: Roger Deakins – Bildschnitt: Robert Frazen – Musik: Aaron Zigman
USA / 2010 – zirka 104 Minuten