YESTERDAY – Bundesstart 11.07.2019
Es möge noch viel Zeit vergehen, dann wird man auf Danny Boyles Schaffen zurück blicken, es werden Retrospektiven gezeigt, und heiße Diskussionen entbrennen. Selten wird man auf einen Konsens kommen. Drama, Fantasie, Horror, Romanze, Science Fiction, Sozialkritik. Boyle zeigt sich stets unbeeindruckt, und macht aus dem Stoff, was er am besten kann, nämlich das Beste. YESTERDAY scheint in dieser langen Reihe von ungewöhnlichen Varianten herkömmlicher Geschichten eine sichere Wette. Ein bislang erfolgloser Musiker, der mit seinen ersten Hits das Wesentliche aus den Augen verliert. Das ist nicht nur seine Freundin, sondern auch seine persönliche Bindung zur Musik.
Himesh Patel spielt Jack Malik mit dem einnehmenden Charme des unsicheren Betrügers. Was Patel herrlich augenzwinkernd, aber auch mit glaubwürdigem Ernst verkörpert, sind seine Wechselbäder der Gefühle. Er will diese Sache nicht tun, aber er muss. Nicht nur für die Nachwelt, sondern vor allem zur Erfüllung seines Traumes. Denn nach einem weltweiten Black-Out, erwacht Jack Malik in einer alternativen Realität, wo noch niemand von den Beatles gehört hat, oder die Namen Paul McCartney, John Lennon, George Harrison, oder Ringo Starr vollkommen unbekannt sind. Diese Chance nutzt Jack, spielt als Eigenkompositionen angegebene Beatles-Lieder, und löst alsbald ähnlich hysterische Reaktionen bei seinem Publikum aus. Das macht tierischen Spaß und ist von Danny Boyle erfrischend leicht inszeniert. Selbst wenn Jack im Trubel des Erfolges, seine große Liebe Ellie aus den Augen zu verlieren scheint, erhebt Boyle das nicht zum bitteren Drama. Dies geschieht eher hintergründig, und es bleibt beim Zuschauer, dies in Wertung zu setzen. Denn man weiß wie die Geschichte enden wird.
Brüllend komisch ist YESTERDAY zu keinem Zeitpunkt, und würde sich dabei auch im Ton vergreifen. Aber es besteht ein durchgängiges Level an feiner Ironie und unaufdringlichem Witz. Eines der wiederkehrenden Elemente sind dabei Jacks stete Versuche, bei Google Bandname und Bandmitglieder zu finden. Oder er unentwegt irgendwo eine Coke bestellt, aber Pepsi bekommt, weil man von der anderen Sorte noch nie etwas gehört hat. Es dauert alles nicht sehr lange, bis es auffällig wird, dass Danny Boyle immer wieder die selben Akkorde spielt, und man auch die Prämisse bald mitsingen kann. Selbst Kate McKinnon spielt die unterhaltsame Melodie ihrer vorangegangenen Filmcharaktere. Als skrupellose Managerin, ist sie ein klein wenig zu laut, und absehbar. Die Gefahr von ihrer Seite aus, verläuft sich im gefälligen Rhythmus von Gottes gerechter Strafe, die Jack am Ende nicht wehtun können, und auch gar nicht sollen.
Am Ende entpuppt sich YESTERDAY als Coming-of-Age-Geschichte für Musiker und Träumer. Durch eine bekannte Persönlichkeit wird Jack Malik auf seinen vorherbestimmten Weg geführt. Doch man wird nie wirklich das Gefühl los, dass hier etwas fehlt, dass in der Geschichte noch mehr stecken würde. Figuren, Inszenierung und Ausgangssituation sind fein auf einander abgestimmt. Da passt Tempo, Gefühl und eine besondere Leichtigkeit. Und das alles ist wirklich originell. Es ist schön anzuschauen, man ist bei den Charakteren und man neigt zum wippen und mitsingen. Die Lieder sind ja allesamt geläufig. Schön wie Himesh Patel immer wieder entsetzt aufblickt, wenn irgendwo entfernt die Namen John, Paul, George oder Ringo fallen. Auch an ‚Eleanor Rigby‘ scheitert Jack, wie viele andere Musiker auch. Hier hätte der Film viel mehr Tiefe vertragen, hätte dies als exzellente Metapher verstärken können.
Langweilig wird YESTERDAY nie wirklich. Aber so inspiriert wie er auch scheinen mag, fehlt so dieser eine kleine Dreh, der aus dem originellen etwas besonderes macht. Selbst wenn Jack Malik am Ende auf einen Namen stößt, der ebenfalls in seiner neuen Welt unbekannt ist. Soll er es für die Nachwelt erhalten, oder für das eigene Ego das Genie geben, welches andere schon für ihn vorgegeben haben?
Darsteller: Himesh Patel, Lily James, Kate McKinnon, Ed Sheeran, Joel Fry u.a.
Regie: Danny Boyle
Drehbuch: Richard Curtis
Kamera: Christopher Ross
Bildschnitt: Jon Harris
Musik: Daniel Pemberton
Produktionsdesign: Patrick Rolfe
Großbritannien / 2019
116 Minuten