GRETA – Bundesstart 16.05.2019
Neil Jordan war nie ein Filmemacher, der sich richtig einordnen ließ. Truffauts Nouvelle Vague, Spielbergs Mainstream, Lumets Realismus, Capras hintersinnige Komödien, und Jordans … Zuerst ist da immer die ZEIT DER WÖLFE. Und irgendwie wurde er das nie richtig los, obwohl er sich in allen Genres bewegt hat, und das auch gut konnte. THE CRYING GAME oder MICHAEL COLLINS, DAS ENDE EINER AFFÄRE oder HIGH SPIRITS. Und all diesen Filmen haftet dennoch etwas besonderes an, was sie neben die Spur des gegebenen Genres führte. Man denke an CRYING GAME, mit der eindrucksvollsten Wendung gleich nach der Offenbarung von Luke Skywalkers Vater.
Mit GRETA wendet sich Jordan dem Psychothriller zu, wie man ihn aus etlichen Beispielen von den Achtzigern her kennt. Die weit besten davon waren EINE VERHÄNGNISVOLLE AFFÄRE oder WEIBLICH, LEDIG, JUNG. Eine vermeintlich zufällige Bekanntschaft wird zu einem Alptraum aus Anhänglichkeit, Verfolgungswahn, Paranoia, und handfester Bedrohung. Die junge Frances wollte nur nett sein, als sie der wesentlich älteren Greta ihre vergessene Handtasche zurück bringt. Nette Gespräche, etwas Tee. Zuerst der Austausch von Floskeln, später tiefergreifenderer Einblick ins Private. Frances kann sich an den Gedanken gewöhnen, in Greta eine neue Freundin kennen gelernt zu haben. Bis sie etwas in der Wohnung der liebenswürdig scheinenden Dame findet.
Lange Zeit lässt sich Ray Wrights und Jordans Drehbuch nicht, um auf den Punkt zu kommen. Allerdings inszeniert Jordan auch derart aufdringlich, dass sofort klar wird, keine Überraschungen erwarten zu dürfen. Wie immer sich die Geschichte entwickelt, kann sich der Zuschauer schon vorab darauf einstellen. Selbst die Restaurant-Szene kündigt sich schon vorher an, wenngleich mit einem Ausgang, den man nicht unbedingt erwartet hätte. Mit dem Dreigestirn Huppert, Moretz und Monroe steht und fällt GRETA. Ihre Interaktionen sind tadellos, glaubwürdig und wirken nicht gespielt. Auch wie sich die charakterlichen Eigenschaften der Drei aufteilen, ist durchweg gelungen. Das Monster, die Unschuld, die Verschlagene.
Aber da bleibt immer noch Jordans Inszenierung, die fast den Eindruck erweckt, als sollte das Besondere in dieser Variante eines Thrillers, die Übersteigerung sein. Das Spiel ist nicht mit dem Twist innerhalb der Erwartungshaltung, sondern das explizite Umsetzen genau dieser Ahnungen. Der starke, sogar aufdringliche Einsatz von Javier Navarretes Musik, ist dafür ein gutes Beispiel. Auch sie lässt lange vorher erahnen, was sich letztendlich auch erfüllen wird.
Frances: Ihr Chardonnay.
Greta: Hmm, ein bisschen wie du. Vielversprechend, aber dann enttäuscht er.
Daraus entwickelt sich sogar ein gewisser Reiz, weil der Thriller als solcher trotz allem funktioniert und bei Gänsehaut-Laune hält. Nick Emersons Schnitt geht mit Seamus McGarveys Bildern eine wunderbare Verbindung ein, in der jeder für sich gerade soviel preis gibt, um der Spannung gerecht zu werden, aber dabei nicht so offensichtlich vorgreift. Dafür sorgt Neil Jordan schon selbst. ZEIT DER WÖLFE hatte sehr viel innovatives, MICHAEL COLLINS eine straff, realistische Erzählweise, HIGH SPIRITS seine losgelösten Albernheiten. Neil Jordan hat keine dieser zuordenbare Merkmale wie viele seiner Kollegen. Das hat natürlich sehr viel Gutes. Aber auf GRETA herunter gebrochen, fehlt dann doch etwas die stringentere Umsetzung. Gut gemeinte Hommage, Persiflage, oder ernst gemeinter Thriller. Was ist zum Beispiel mit den männlichen Figuren, die als reine Stichwortgeber eingesetzt sind, sich daraus aber kein tiefer führendes Element ergibt.
Darsteller: Isabelle Huppert, Cloë Grace Moretz, Maika Monroe, Stephen Rea, Colm Feore, Jane Perry u.a.
Regie: Neil Jordan
Drehbuch: Ray Wright, Neil Jordan
Kamera: Seamus McGarvey
Bildschnitt: Nick Emerson
Musik: Javier Navarrete
Produktionsdesign: Anna Rackard
Irland – USA / 2018
98 Minuten