THE SILENCE – Bundesstart 16.05.2019
Wenn Netflix Filme produziert, dann muss man sich oft wundern. Darsteller, die Geschichten, der Aufwand, die Qualität. Wenn Netflix Filme ins Programm nimmt, dann muss man sich oft wundern, warum man die ein oder andere Produktion nicht im Kino sehen kann. Wie BEASTS OF NO NATION, der erste Film dieser Firma, der gleichzeitig im Kino und im Fernsehen startete, und für sehr viele Preise nominiert war. Nun kommt THE SILENCE, der weltweit auf dem Abo-Kanal startet. Mit der Ausnahme von Deutschland, wo der Film in den Kinos seine Premiere feiern soll. Regisseur John R. Leonetti ist im Horror- und Fantasy-Genre auch als Kameramann heimisch. Also muss irgendwo in diesem Bereich eine Kino-Auswertung ihre Rechtfertigung finden.
Es ist schön, Stanley Tucci wieder in einer Rolle zu erleben, in dem er nicht schon wieder den Sonderling mimt. Neben ihm überzeugt Kiernan Shipka, die wie Tucci, in der sehr kurzlebigen Serie FEUD spielte. Beide hatten da aber keine Szenen miteinander, in THE SILENCE dafür jede Menge. Das Spiel ist tadellos, Vater und Tochter sind sehr bodenständige Charaktere, die entgegen einem Genre typischen Verhalten geschrieben sind. Und so flieht die Familie Andrews hinaus aufs Land, um den schrecklichen Wesen zu entkommen, welche eine Höhlenexpedition aus der Finsternis der Erde freigesetzt hat. Raubvogel große Kreaturen ohne Augen, dafür mit einem explizit ausgeprägten Gehör. Jedes Geräusch wird angegriffen und getötet. Doch auf dem Land haben die Andrews letztendlich mit noch ganz anderen Problemen zu kämpfen.
Auch wenn die Rufe schnell laut werden, wurde die Romanvorlage und die Produktion von THE SILENCE noch vor und während dem thematisch gleichen Film A QUITE PLACE realisiert. Zeitlich kann also keiner der Filme vom anderen abgeschaut haben. Was SILENCE in keiner Weise hilft und auch nicht besser macht. Auch wenn Regisseur Leonetti und Kameramann Michael Galbraith immer wieder schöne Einstellungen inszenieren, vor allem mit den bedrohlichen Schwärmen der Urzeit-Monster am Himmel, hat der Film das Problem mit nicht gerade gelungenen Computer-Effekten. Selbstverständlich ist man als Zuschauer schon sehr verwöhnt, aber zeitgemäß ist THE SILENCE tricktechnisch wahrlich nicht.
Ansonsten befindet sich die Kameraarbeit und Michele Conroys Schnitt, im Rahmen eines soliden und unterhaltsamen Genrefilms. Während tomandandys Musik nicht schlecht, aber gewöhnungsbedürftig ist, enttäuschen die Schauspieler zu keiner Zeit. Jedenfalls in ihrem Spiel. Womit der Film zu kämpfen hat, sind die unglaublich vielen Logiklöcher und fehlenden Erklärungen. Natürlich muss man bei Horrorfilmen und Endzeitszenarien immer Fehler und Ungereimtheiten akzeptieren können. Kaum ein Film dieser Art könnte bestehen, wenn man nicht an entscheidenden Stellen den Realismus etwas biegen würde. Oder warum rennt die Scream-Queen vom Killer gejagt immer noch die Treppe hinauf, anstatt einfach aus dem Haus?
Vieles macht eben keinen Sinn. Zu vieles. Das fängt damit an, dass ein taubes Mädchen das Chat-Programm auf ihrem Laptop auf laut gestellt hat. Warum der Vater einmal das Auto verlässt. Warum eine mögliche Falle gegen die übersensibel hörenden Viecher nicht verwendet wird. Und so kann man weiter und weiter machen. Ja, Logik ist keine Voraussetzung für ohnehin sinnbefreite Unterhaltung. Viele haben sogar viel Freude an Filmen dieser Art, die sich jeder Logik und technischer Möglichkeiten entziehen. Dies sei nicht in Frage gestellt. Aber was zu viel ist, ist eben zu viel. Und THE SILENCE geizt nicht damit Fragen aufzuwerfen, und diese unbeantwortet zu lassen.
Warum also ist Deutschland das einzige Land in dem THE SILENCE vorerst nicht im Stream-Angebot von Netflix ist? Potential vorhanden, Chancen vertan. Es wirft auch hier Fragen auf, die unbeantwortet bleiben.
Darsteller: Stanley Tucci, Kiernan Shipka, Miranda Otto, John Corbett, Kate Trotter u.a.
Regie: John R. Leonetti
Drehbuch: Carey Van Dyke, Shane Van Dyke
Kamera: Michael Galbraith
Bildschnitt: Michele Conroy
Musik: tomandandy
Produktionsdesign: Andrea Kristof
Deutschland – Kanada / 2019
90 Minuten