In unregelmäßigen Abständen werden hier Filme für das Wochenende vorgestellt, die vielleicht die ein oder andere Erinnerung wecken, oder als Inspiration für einen gemütlichen Abend dienen können. Wie der Titel der Reihe schon andeutet, werden hier selten kulturhistorische Filme besprochen, sondern Werke, die ihre Berechtigung dort fanden, wo das Autokino seiner Bestimmung nachging.
THE LONG RIDERS – Bundesstart 31.07.1980
Die Carradines: David, Keith, Robert
als Gebrüder Younger
Die Keachs: James, Stacy
als Gebrüder James
Die Quaids: Dennis, Randy
als Gebrüder Miller
Die Guests: Christopher, Nicholas
als Gebrüder Ford
Dereinst war da ein TV-Film über die Flugpioniere Wright. Das war Anfang der Siebziger, die Brüder James und Stacy Keach spielten die Gebrüder Wright. Angetan von diesem Umstand, schrieben sie ein Drehbuch über die Banditen Jesse und Frank James, welche beide selbst spielen wollten. Später erzählte James Keach seinem Kollegen Robert Carradine von der Idee eines Westerns, indem die Filmbrüder von tatsächlichen Brüdern gespielt werden sollten. Es war eher eine Spinnerei, denn das Drehbuch war dünn und nicht sehr gut ausgearbeitet. Doch die drei Carradines waren schon Feuer und Flamme, die Quaids ließen nicht lange auf sich warten, und die Guest-Brüder musste man auch nicht lange bitten. Aber es wollte sich kein Produzent finden. Das Projekt war zu heikel, die Gefahr lag bei eventuellen Eitelkeiten. Es hieß, dass die Familienbande stark sein mochte, aber in Hollywood verschoben sich grundsätzlich die Prioritäten.
Für Regisseur Walter Hill war es ein besonderes Erlebnis, weil er schon immer einen Western machen wollte. Ein Film, wie er ihn noch nie gemacht hatte, und auch nicht mehr machen würde. Hill selbst nannte LONG RIDERS einen sehr eigenartigen Film, weil er mit vielen Konventionen brach. Eine schlechte, bis kaum vorhandene Werbekampagne kürzte einen langen Ritt ab. Ohne Erklärung, oder Vorgeschichte beginnt LONG RIDERS mit einem Banküberfall der Younger-James-Bande, unterstützt von den beiden Millers. Ihre Intention, bei einem Raub niemals auf Unschuldige oder Zivilisten zu schießen, wird dieses mal jäh über den Haufen geworfen. Was zum Ausschluss von Ed Miller aus der Gruppe zur Folge hat. Hier nimmt der Film unbewusst auf, was man dem Projekt an sich vorwerfen wollte: Die Familienbande ist stark, aber im Geschäft verschieben sich die Prioritäten.
Gewöhnungsbedürftig dürfte nicht nur für den Genre-Freund sein, dass sich die Handlung zum größten Teil auf das Privat- und Familienleben der Gangster konzentriert. Aber auch hier erfährt man nichts über ihre Vergangenheit, was sie taten, wie sie zusammen kamen, und wo der Ritt überhaupt hingehen sollte. Genau das fördert die Intensität der Geschichte und ihren Figuren. Namentlich ist wohl Jesse James die bekannteste Figur der damaligen Zeit, aber davon wollten die beiden Keach Brüder in ihrem Drehbuch weniger wissen. Jeder Charakter ist insofern wichtig und gleichberechtigt, wenn er das Schicksal der gesamten Gruppe beeinflusst. Böse Menschen werden auf einmal zu Sympathieträgern. Das hat es im Western schon gegeben, allerdings nicht auf dieser fast schon intimen Ebene. Jesse James gerät mit Cole Younger aneinander, als Cole über die Frau seines Weggefährten spricht. Man lässt außen vor, was nicht hinein gehört. Man zeigt sich einsichtig, wenn Einsicht gefragt ist. Loyalität heißt auch, die Grenzen zu respektieren.
Doch THE LONG RIDERS bleibt trotz allem ein gestandener Western. Mit Ric Waite hat Hill den perfekten Kameramann gefunden, der den Zuschauer bei den wenigen, dafür sehr intensiven Action-Szenen, mit in das Geschehen nimmt. Zuweilen sind Landschafts- und Innenaufnahmen von melancholischer Ästhetik geprägt, welche eine Zeit vor mehr als hundert Jahren nicht verklärt, sondern ein ehrliches Bild zeigt. Wie sein Regie-Kollege Peckinpah, nutzt Hill die Zeitlupe um verschiedene Szenen hervor zu heben und zu intensivieren. Die Wirkung ist die Erweiterung eines Ereignisses, ohne dies mit unnötigen Füllmaterialien zu strecken. Konzentration in Maximierung. Besonders effektiv und atemberaubend ist dies bei einem der spektakulärsten Stunts der Geschichte, die Pferde-Sequenz beim Überfall in Northfield.
Die Keach Brüder verzichteten auf ihre Produzenten-Gage und David Carradine auf seine übliche Gewinn-Beteiligung um THE LONG RIDERS machen zu können. Es ist ein Western, der entstand, als der Western schon für Tod erklärt wurde. Kein großartiger Kassenknüller, aber von Kritikern und Publikum sehr wohlwollend aufgenommen. Das lag nicht nur an den faszinierenden Legenden, sondern auch an den sehr engagierten und hochmotivierten neun Brüdern. Familienbande kann eben doch stärker sein, als das egoistische Hollywood.
Regie: Walter Hill
Drehbuch: Stacy Keach, James Keach, Steven Smith, Bill Bryden, Walter Hill
Kamera: Ric Waite
Bildschnitt: Freeman Davies, David Holden
Musik: Ry Cooder
Produktionsdesign: Jack T. Collis
USA / 1980
100 Minuten
Bildrechte: MGM Home Entertainment