FREE SOLO – Bundesstart 21.03.2019
Es sind keine Fremden, die sich zu diesem Projekt zusammen fanden. Vornehmlich Free Climber Alex Honnold und Regisseur wie Kameramann Jimmy Chin. Letzteren könnte man in Kombination als einen der umtriebigsten Kletterer, Kameramänner, Ski-Fahrer und Expeditionsleiter bezeichnen. Alex und Jimmy kannten sich bereits von vorangegangenen Dokumentationen. Auch ‚El Capitan‘ war für beide kein Unbekannter. Ein 1000 Meter hoher Granitfels mit senkrechten Wänden an der dem Tal zugewanden Seite, unter Kletterern ‚the Nose‘ genannt, im Yosemite National Park, California. Doch Alex wollte das eigentlich Unmögliche: Als erster den ‚El Capitan‘ ohne jede Art von Sicherung zu besteigen.
Free Solo ist ein Terminus bei Kletterern, die ohne Sicherung oder Hilfsmittel eine Steilwand bezwingen. Nicht zu verwechseln mit Free Climbing. Die Strecke sollte so hoch sein, das ein Fehler durchaus der letzte sein könnte. Auch eventuelle Gewässer unter ihnen dürfen keine Sicherung sein. Alex Honnold hat schon etliche Free Solos hinter sich. Aber ‚El Capitan‘ bietet nicht nur die höchsten Wände, sondern auch die schwierigsten weltweit.
Um einem Mann wie Alex gerecht zu werden, ihn zu verstehen, sich mit ihm zu fürchten, muss man ihm sehr nahe kommen. Und Jimmy Chin ist ihm sehr nahe gekommen. Nur so funktioniert eine gute Dokumentation. Und FREE SOLO ist sogar eine hervorragende Dokumentation. Natürlich ist das Herzstück dieses Films die eigentliche Begehung, der Film steigt sogar mit den imposantesten Bildern ein. Doch Alex erzählt von seinen Ängsten, von seiner Motivation, von seinem Lebensstil, der zuerst keine Frauen vorsieht. So natürlich und selbstverständlich sich der Kletterer vor der Kamera gibt, deutet dies auf größtes Vertrauen zwischen ihm und dem Filmemacher hin. Fast intim ist die Beziehung zwischen Alex und der Kamera. Viele Szenen werden auch ohne Dialog erklärt, geschickte Bildfolgen zeigen die Schwierigkeiten in der Koordination zwischen Händen, Armen und Beinen. Und den klaren Kopf, den Alex haben muss.
Es gibt eine tatsächlich nur kurze Sequenz die soviel verdeutlicht. Alex hängt in der Wand, dreht unvermittelt den Kopf Richtung Kamera, seine Augen unnatürlich weit aufgerissen, und schmerzverzerrt ruft er, wie sehr seine Beine schmerzen, und dass er keine Gefühl mehr in den Händen hat. Und das in 500 Meter Höhe. Ein paar Minuten vorher erzählt er noch, dass er bei einem Sturz aus 50 Metern platzen würde wie eine Melone. Immer wieder spricht er von Angst die ihn befällt, und wie er versucht derer Herr zu werden. Aber nicht zu klettern ist keine Option.
1958 wurde ‚The Nose‘ des ‚El Capitan‘ von fünf Männer das erste mal begangen. Mit allen erdenklichen Hilfsmitteln brauchten sie sechs Wochen. Alex braucht am Ende dreieinhalb Stunden. Tatsächlich ist das eigentlich spannende die persönliche Annäherung an diesen ungewöhnlichen Menschen, nicht ob er es schafft, oder wie lange er braucht. Jimmy Chin und seine Kollaborateurin Elizabeth Chai Vasarhelyi wussten genau, wie man eine wirklich gute Geschichte erzählt, die durchweg spannend bleibt und immer wieder bewegt. Der stete Wechsel zwischen dem persönlichen und der Historie verhindert jede Art von Leerlauf. Auf jeden Fall absolut sehenswert, allerdings für Menschen mit Vorsicht zu genießen, die Probleme mit Höhe haben. Denn was das Kamerateam unter Führung von Jimmy Chin geleistet hat, ist atemberaubend.
Als sie selbst: Alex Honnold, Tommy Caldwell, Jimmy Chin, Sanni McCandless, Cheyne Lempe, Mikey Schaefer u.a.
Regie: Jimmy Chin & Elizabeth Chai Vasarhelyi
Kamera: Jimmy Chin
Bildschnitt: Bob Eisenhardt
Musik: Marco Beltrami
USA / 2018
110 Minuten
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Bildrechte: Capelight Pictures