CAPTAIN MARVEL – Bundesstart 07.03.2019
Nein, hier werden keine Tiere besprochen.
Phase 3 des ‚Marvel Cinametic Universe‘ nähert sich rasend schnell dem Ende. Nicht ohne noch einmal ein alles stechendes Ass aus dem Ärmel zu ziehen. Vers, oder später auch Carol Danvers genannt. Der unbedarfte Zuschauer sollte in dieser Beziehung immer etwas aufpassen, wo ihn die Geschichte mit der Figur gerade hingeführt hat. Der Nerd tut sich vielleicht etwas einfacher. Aber keine Sorge, ein großer Bluff wird das nicht. Auf den Namen Captain Marvel werden allerdings alle vergebens warten, jedenfalls in diesem Film. Die Filmheldin hat schon selbst genug damit zu tun, bis alle Karten auf dem Tisch liegen. Nicht nur, wer denn überhaupt der Böse, noch wer sie selbst ist. Einher geht die Frage, was dann eigentlich ihre Bestimmung sein soll. Natürlich der letzte Trumpf, aber das hat man sich für ein anderes mal aufgehoben.
Kernthema in sämtlichen Medien und Foren ist selbstverständlich der feministische Mittelpunkt. Da wird heftig diskutiert, viel gelobt, und andere verwechseln gerne einmal DC mit Marvel. Es ist erstaunlich, wie sich die reale Welt hier nur um zwei Themen zu drehen scheint. Das zweite Thema wird hier ja nicht erwähnt. Ein Film der es schafft, bis auf zwei ganz kurze Sätze, einfach außer Acht zu lassen, das es angeblich etwas Besonderes sei, dass im ‚Marvel Cinametic Universe‘ plötzlich eine Frau an oberster Stelle spielt. Das hat etwas von Ironie.
Lässt man die letzten Jahre und vorangegangenen 20 Marvel Filme einmal Revue passieren, dann kann man gar nicht soviel über CAPTAIN MARVEL sagen. Nichts, was sich von den anderen Filmen unterscheiden würde. Sie sind handwerklich perfekt gemacht, bleiben innerhalb ihres Universums trotz aller Komplexität doch verständlich, und sie haben immer genau die richtigen Darsteller. Darsteller, die nicht einfach eine Rolle spielen, sondern ihre Rollen auch verinnerlicht haben und transportieren können. Jetzt kommt CAPTAIN MARVEL, der, die Zukunft wird es zeigen, der finanziell erfolgreichste Film im MCU werden könnte. Letztendlich ist es aber ein Erlebnis, welches sich in seiner Machart, seinem Ehrgeiz, und seiner zugetragenen Liebe, kaum von seinen zwanzig Vorgängern unterscheidet. Jetzt gibt es überall diese Listen zu finden, wo abgestimmt wird, welcher der beste und welcher der schlechteste Film in der Reihe ist. Realistisch gesehen ist eine kontinuierliche Steigerung gar nicht möglich. Und die kreativen Ansprüche sind von Team zu Team gravierend unterschiedlich. Wo also will man da objektiv ansetzen.
So bleibt selbstverständlich auch CAPTAIN MARVEL ein buntes, knalliges Spektakel. Ein bisschen zurück genommen, was den Bombast angeht, aber dennoch mit zufriedenstellenden Schauwerten. Der zu erwartende Tiefgang ist überzeugend, aber nicht überzogen. Der Humor funktioniert mitreißend, vermeidet aber konsequent billige Schenkelklopfer. Und dann sind da die Schauspieler, da verliert Brie Larson im Charakter eindeutig den Einsatz an Samuel L. Jackson. Seine Freude am Spiel ist regelrecht greifbar, trotz extremer visueller Nachbearbeitung. Was man mit Peter Cushing in ROGUE ONE gemacht hat war schon erschreckend. Aber was die Effekt-Künstler mit Sam Jackson geleistet haben, setzt kaum noch zu überbietende Maßstäbe. Larson hingegen lässt sich schwer in die Karten schauen, da ihr Charakter stets damit beschäftigt ist, für sie ungewohnte Situationen immer wieder neu einzuordnen und dabei noch mit der eigenen Identität klar zu kommen.
CAPTAIN MARVEL ist nicht der Heilsbringer, der neue Höhenflüge verspricht. Es ist ein Film, der bestimmt niemanden enttäuscht, der kurzweilig und durchweg unterhaltsam ist. Sollte man tatsächlich den Drang verspüren, ihn in irgendwelche ominösen Reihenfolgen zu bringen, dann kann man das durchaus tun. Die Regisseure Anna Boden und Ryan Fleck haben ein neues Deck an Karten genommen und ihr eigenes Spiel eröffnet. Punkt genau wissen sie, wie wann welche Farbe oder Blatt gespielt werden muss. Leerlauf gibt es nicht, das Tempo ist dennoch nicht überzogen. Dialogsequenzen werden auch nicht an Länge und Sentiment überstrapaziert, funktionieren aber. Auch wenn die Eckdaten und diverse Handlungsabläufe zwecks der Kontinuität zwischen allen Filmen bereits von ganz oben gesetzt sind, haben es auch Boden und Fleck geschafft, ihren eigenen Film auf den Tisch zu legen. Und mit AVENGERS ENDGAME werden dann die Karten wieder neu gemischt.
Darsteller: Brie Larson, Samuel L. Jackson, Annette Bening, Clark Gregg, Ben Mendelsohn, Jude Law, Lee Pace & Reggie, Gonzo, Archie und Rizzo
Regie: Anna Boden, Ryan Fleck
Drehbuch: Anna Boden, Ryan Fleck, Geneva Robertson-Dworet
Kamera: Ben Davis
Bildschnitt: Debbie Berman, Elliot Graham
Musik: Pinar Toprak
Produktionsdesign: Andy Nicholson
USA / 2019
124 Minuten