fast verpasst: THE FAVOURITE – Intrigen & Irrsinn

Favourite-1, Copyright 20th Century FoxTHE FAVOURITE – Bundestart 24.01.2019

Sie war krank, sie war depressiv, und sie war hysterisch. Queen Anne übernahm im Jahre 1704 den Thron von Irland, später auch Schottland und England. Obwohl sie alle drei Königreiche vereinte, wird sie in der Geschichte gerne als Randerscheinung vermerkt. Wenn nicht sogar auch einmal ignoriert. Aber das alles kümmert das Drehbuch von Deborah Davis und Tony McNamara nicht. Den Regisseur Yorgos Lanthimos noch viel weniger. Selbst woher Queen Annes starke Depressionen rührten, bleibt vollkommen unerwähnt. Für Geschichtsfreunde: Es war der frühzeitige Tod ihres Mannes Georg von Dänemark, und der Umstand das sie während dieser Ehe nur Fehl- oder Todgeburten erlitt. Von den 5 Lebendgeburten, erlebten vier gerade einmal das zweite Lebensjahr. Sohn Wilhelm wurde sogar 11 Jahre, verstarb dann aber an Pocken. Kein Thema für Lanthimos‘ Film.


Da ist Lady Sarah, die sich rührend um die Königin kümmert, aber nicht ohne gewisse. Genauer betrachtet, regiert eigentlich Lady Sarah schon das Vereinigte Königreich, kann ihre persönliche Entscheidungen aber immer wieder im Sinne der Königin ausgeben. Dann kommt Abigail als neue Dienerin in den Palast, die hofft nach und nach ihre aristokratischen Würden wieder zu erlangen. Und Queen Anne wird schnell auf Abigail aufmerksam, wobei Lady Sarah immer mehr in der Gunst der Königin und ihren Einfluss auf diese verliert.

Ob dieses Trio an Frauen tatsächlich eine Liebeseziehung füreinander hegten, oder alles nur Kalkül für die eigenen Interessen ist, lässt Lanthimos ebenfalls unbeirrt hinten herunter fallen. Wer seine letzten zwei Filme KILLING OF A SACRED DEER oder THE LOBSTER gesehen hat, wird schnell verstehen, dass der Filmemacher schlicht und ergreifend unkonventionell inszeniert. Es sind schwierige Filme, teilweise sehr unverständlich. Sie fordern heraus, ohne Anspruch auf eine vernünftige Auflösung. Und THE FAVOURITE reiht sich hier nahtlos und kompromisslos ein. DEER und LOBSTER sind selbst in einschlägigen Arthouse-Kinos nicht auf fruchtbaren Boden gefallen.

FAVOURITE unterscheidet sich dennoch signifikant von den voran gegangenen Filmen. Er ist derart auf seine drei Hauptdarstellerinnen konzentriert, dass man sich deren Ausstrahlung nicht entziehen kann. Ob Colman als fast unzurechnungsfähige Königin, Weisz als berechnende Beraterin Sarah, oder Stone die intrigante Leibdienerin. Alle drei sind stark und einnehmend, jede für sich oder in verschiedenen Konstellationen, sie machen THE FAVOURITE aus. Da wirken die Rollen der männlichen Charaktere Oftmals fehl am Platz. Besonders mit der Besetzung von Nicholas Hoult hat sich Lanthimos keinen Gefallen getan. Hoult wirkt allein mit seinen Gesichtszügen viel zu hart, und seine Figur ist nicht interessant genug ausgestaltet, um als Mann einen Gegenpol zur Frauenwelt zu schaffen..

Kunst liegt stets im Auge des Betrachters. Aber was Robbie Ryan und Stephen Murphy mit der Kamera gestalteten, bleibt das Rätsel schlechthin. Immer wieder drängen sich in normal inszenierte Szenen Bilder von extremen Weitwinkelaufnahmen, um dann genauso schnell wieder in das normale Bildformat zu springen. Es ist dabei weder ein Sinn zu erkennen, noch der Ansatz von irgendwie gearteten künstlerischen Absichten. Die gesamte Bildgestaltung wirkt willkürlich, lenkt teilweise ab, und steht nicht einmal für sich als eigenständiges Konzept. Und für die Handlung bleibt das Bild komplett außen vor.

Ja, Kunst liegt im Auge des Betrachters. So sollte der Künstler auch dem Zuschauer etwas mitgeben, woran er sich einem Werk annähern kann. Die Künstler sind in diesem Fall die Autoren Davis und McNamara, und selbstredend Regisseur Yorgos Lanthimos. Jetzt kommt es auf den Betrachter an.

Favourite-2, Copyright 20th Century Fox

Darsteller: Olivia Colman, Rachel Weisz, Emma Stone, Nicholas Hoult, Joe Alwyn, Mark Gatiss, James Smith, Jenny Rainsdorf u.a.
Regie: Yorgos Lanthimos
Drehbuch: Deborah Davis, Tony McNamara
Kamera: Robbie Ryan
Bildschnitt: Yorgos Mavropsaridis
Kostüme: Sandy Powell
Produktionsdesign: Fiona Crombie
Irland – Großbritannien – USA
119 Minuten

Bildrechte: 20th Century Fox
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