Green Book – Bundesstart 31.01.2019
Der Postbote Victor Hugo Green, kam ursprünglich aus Manhattan, mit seinen Eltern verschlug es ihn nach New Jersey. Letztendlich kam er nach Harlem. Als leidenschaftlicher Reisender und der daraus resultierenden Bekanntschaft mit allerlei Repressalien, brachte er ein dünnes Büchlein heraus, für all diejenigen seiner Rasse, die sich unbehelligt in New York bewegen wollten. Es war 1933. Die ersten Auflagen beliefen sich auf 15,000, und hatten ausschließlich New York zum Thema. An welchen Orten konnte man sich als Schwarzer ohne Probleme die Haare schneiden lassen, einkaufen gehen, das Auto volltanken, oder ähnliches. Das sogenannte ‚Green Book‘ wuchs über sich hinaus. Green nahm letztendlich auch den durch und durch rassistischen Süden in seinem Buch auf, und sagte sogar durch welche Städte man nach Einbruch der Nacht keinesfalls als Schwarzer fahren sollte, wenn man überleben wollte. Victor Hugo Green hatte sehr viel Leid und Demütigungen an seiner Rasse vermieden.
„Wenn ich nicht schwarz genug bin, wenn ich nicht weiß genug bin, dann sag mir, Tony, was ich bin.“
Der Gefeierte Pianist Don Shirley ist für eine Tour durch den dunkelsten Süden gebucht. Es ist 1962, drei Jahre bevor das letzte ‚Green Book erschien. Selbstreden ist Shirley Schwarzer. Nicht umsonst engagiert er den im Augenblick arbeitslosen Tony Vallelango als Fahrer. Eigentlich ein harter, unbarmherziger Rausschmeißer in einem Edel-Restaurant, der Schwarze allerdings nicht abkann. Während Shirley in seiner Überheblichkeit, die unschöne Wahrheit seiner Hautfarbe nicht akzeptieren will.
Man könnte Regisseur Peter Farrelly, der auch am Drehbuch mitgearbeitet hatte, vorwerfen, wirklich kein Klischee auszulassen. Wie oft hat man schon gegensätzliche, sich verachtende Paarungen im Kino erlebt, die im letzten Akt dann doch ihre Aversionen zu überwinden verstehen. Und hier auch noch von einem Regisseur, der unter anderem DUMM UND DÜMMER auf die Leinwand brachte. Dies im Hinterkopf zu behalten, würde Farrelly bei GREEN BOOK nicht gerecht werden. Denn wie sich beide Charakter annähern, das ist ein langwieriger Prozess, aber niemals ein langweiliger Film. Selbst wenn die ein oder andere Situation kaum Überraschungen bietet. Unterwerfen sich viele Szenen einem erzählerischen Klischee, kann man das nie über das Auftreten und die Wandlung der Figuren behaupten. Mahershala Ali und Viggo Mortensen versprühen förmlich eine packende Intensität, um ihre Abneigung und schließlich Zuwendung nie als Spiel, sondern als zwischenmenschliche Ehrlichkeit für den Zuschauer auf die Leinwand zu bringen. Und wer glaubt, dass der Humor zu kurz kommt, der sollte sich eines besseren belehren lassen.
„In der Welt gibt es viele einsame Menschen, die Angst haben einen Schritt weiter zu gehen.“
Die Musik von Kris Bowers ist kaum wahrnehmbar, zwingt dem Zuschauer auch keine Emotionen auf, was sehr angenehm ist. Im Übrigen ist er auch das Klavierdouble von Ali gewesen, und er scheint sehr wohl gemerkt zu haben, dass dieser und Mortensen ganz alleine den Film zu tragen verstehen. Dafür ist Sean Porters Kamera, sprich Bildgestaltung, nicht einfallslos, hätte aber mehr Tiefe in Zusammenhang mit der Handlung vertragen. So wird zum Beispiel der Kontrast der überwältigenden Landschaft das Südens zu seinen beherrschenden, rassistischen Weißen kaum augenscheinlich. Aber das Porter die Hauptprotagonisten in ihren gemeinsamen Szenen in eher starre Kameraeinstellungen setzt, hat dann schon wieder einen gewaltigen Vorteil, weil er damit die Aufmerksamkeit nicht von den Charakteren nimmt. Über das Produktionsdesign braucht man nicht viel reden. Tim Galvin hat 1962 wieder brillant auferstehen lassen, mit einer Detailversessenheit, die einem tiefsten Respekt abverlangt.
Es ist eine Biografie, und wie bei allen anderen Biografien, gibt es Querelen und Besserwisser. Die Nachfahren von Don Shirley bestreiten hartnäckig, dass dieser und Tony Vallelonga niemals Freunde waren, und es sich ausschließlich um ein Angestellten-Arbeitgeber-Verhältnis gehandelt habe. Ein persönlicher Brief Shirleys soll angeblich das Gegenteil beweisen. Die Familie Vallelonga, die im Film zum größten Teil als Tonys Verwandtschaft besetzt wurde, bleibt unbeirrt bei der tiefen Freundschaft zwischen den ungleichen Männern, bei denen beide am Ende keine Angst hatten, einen Schritt weiter zu gehen.
Darsteller: Mahershala Ali, Viggo Mortensen, Linda Cardellini. Sebastian Maniscalo, Dimiter D. Marinov, Mike Hatton, P.J. Byrne u.a.
Regie: Peter Farrelly
Drehbuch: Nick Vallelonga, Brian Hayes Currie, Peter Farrelly
Kamera: Sean Porter
Bildschnitt: Patrick J Don Vito
Musik: Kris Bowers
Produktionsdesign: Tim Galvin
USA / 2019
130 Minuten