BROOKLYN – Bundesstart 21.01.2016
Die goldenen Jahre für Einwanderer in die Vereinigten Staaten. Das weckt natürlich Erinnerungen, als Vito aus dem italienischen Corleone vom Schiff aus das erste Mal die Freiheitsstatue sah. Ein Land in dem alles möglich sein soll. Aber der PATE hatte andere Ziele als Eilis Lacey. 1952 verlässt Eilis ihre kleine Heimatstadt im Südosten Irlands, um Verkäuferin in einem Kaufhaus in New York zu werden. Ihre Schwester Rose hat ihr über Beziehungen zur katholischen Gemeinde in Brooklyn diese Chance möglich gemacht, ein besseres Leben beginnen zu können. Doch dauert es nicht lange, bis die scheue und zurückgezogene Eilis von Heimweh überwältigt wird, und den Schmerz über die Trennung von ihrer Mutter und Schwester kaum ertragen kann. Da tritt der unaufdringliche, aber beherzte Italiener Tony in ihr Leben, und für Eilis beginnt eine Zeit, wie es ihr in Irland unmöglich zu sein schien. Doch das Schicksal ist ein mieser Verräter.
Nick Hornby hat ein fantastisches Drehbuch verfasst, wo er das 260 Seiten fassende Buch von Colm Tóibín, auf eine angemessene Laufzeit herunter zu brechen verstand. Es ist wohl die geglückte Einheit von Vorlage, Drehbuch und Inszenierung, das über das Portrait einer einzelnen Frau, das Dilemma der Immigranten im Allgemeinen veranschaulicht werden kann. Besonders der Hexenkessel New York macht ja deutlich, wie wichtig Amerika als Land der unbegrenzten Möglichkeiten schon lange vor den Weltkriegen geworden war. Gerade die italienischen und irischen Viertel sind davon am stärksten geprägt. Das die Irin Eilis ausgerechnet einen Italiener kennen lernt, ist gerade für die Fünfzigerjahren eine Besonderheit. Eben weil die verschiedenen Nationalitäten eigene, in sich geschlossene Gemeinden bildeten, sollte den Verlust der eigentlichen Heimat kompensieren.
Regisseur John Crowley hat sich mit Kameramann Yves Bélanger einiges einfallen lassen müssen. Das Budget von BROOKLYN wird gerade mal mit 10 Millionen Dollar angegeben, wo allerdings ein Fehler vorliegen muss. Was man an Bildern geboten bekommt, die aufwendigen Set-Designs und überragenden Kostüme, das sieht nach verschwenderischen, großen Kino aus. Nicht gegeizt, eher gekleckert. Und es tut dem Film auch gut, hat er schließlich zwei Hauptdarstellerinnen, Saoirse Ronan und ihre neue Heimat. Bélanger hält die Szenen in Irland in fast abgestumpften Farben, mit langer Brennweite immer stark das Bild mit seinen Protagonisten verdichtet, um auch die Enge des irischen Kleinstadt-Miefs zu untermalen. Erst auf dem Schiff, wenn Eilis übersetzt, werden die Farben kräftiger, die Bilder größer mit viel mehr totalen Bildausschnitten. Aber das Bild springt auch wieder einmal zurück, wenn sie ihre Misere von Heimweh begreift, und scheinbar im Tumult der Straßenbilder von Menschen erdrückt wird. Doch ab und an wagt es die Kamera auch ganz weit weg zu sein, und eine verlorene Eilis allein im Nirgendwo zu zeigen. Im letzten Drittel, wenn sie sich mit ihrem Schicksal auseinander setzen muss, ändert sich die Bildsprache noch einmal. Nicht mehr so kontrastreich, eher verträumt, manchmal auch sehr versöhnlich, als läge ein kaum wahrnehmbarer Schleier über der Linse.
Dies ist Eilis Laceys Geschichte. Eine Geschichte, wie es wahrscheinlich nicht wenige gegeben hat. Und Saoirse Ronan hat all diesen Geschichten ein Gesicht gegeben. Sie ist keine kämpferische Natur, sie bleibt ein zurückhaltendes Wesen, sie muss auch nicht über sich hinaus wachsen. Eilis Entwicklung wird nicht durch ihr Spiel ausgedrückt, sondern durch einen sehr geschickten, kaum merklichen Einsatz von Makeup und Kostümen. Das macht Ronans Figur nur noch glaubwürdiger, die so wunderbar mit dem eigentlichen Hintergrund der Geschichte einhergeht. Filme über Auswanderer und ihre Probleme gibt es wohl einige. Doch selten war einer so unaufdringlich, oder bescheiden. BROOKLYN versucht erst gar nicht das große Drama zu gestalten, dies ergibt sich allein aus den Gefühlen der Figur. Und das überträgt sich durch die perfekte Harmonie von Bildgestaltung, Inszenierung und Darstellung.
Darsteller: Saoirse Ronan, Emory Cohen, Domhnall Gleeson, Jim Broadbent, Julie Walters u.a.
Regie: John Crowley
Drehbuch: Nick Hornby, nach dem Roman von Colm Tóibín
Kamera: Yves Bélanger
Bildschnitt: Jake Roberts
Musik: Michael Brook
Produktionsdesign: François Séguin
Irland-Großbritannien-USA / 2015
111 Minuten