CAROL – Bundesstart 17.12.2015
Das Schaffenswerk von Filmemacher Todd Haynes kann man als sehr vielseitig bezeichnen. Festlegen lässt er sich zumindest nicht. Dennoch haben alle seiner wenigen Werke eins gemein, sie dringen soweit in die Psyche ihrer Charaktere vor, wo andere Filme lieber etwas Distanz wahren. Nun hat Todd Haynes CAROL nach dem Roman von Patricia Highsmith verfilmt, der 1952 unter dem Pseudonym Claire Morgan mit dem Titel DER PREIS VON SALZ veröffentlicht wurde. Ein provokantes Werk, welches die lesbische Beziehung zweier Frauen nicht einfach behandelte, sondern dieser Beziehung auch noch Hoffnung verlieh, und gut hieß. Hier schlägt die Geschichte eine Brücke zu einem von Todd Haynes früheren Filmen, DEM HIMMEL SO FERN. Ebenfalls in den Fünfzigern angesiedelt, beginnt hier eine wohlhabende, weiße Frau eine Beziehung zu ihrem schwarzen Gärtner. Doch schweifte DEM HIMMEL SO FERN über sämtliche gesellschaftliche Tabus, und den Restriktionen in den fünfziger Jahren, bleibt CAROL bei seinen Charakteren.
Die junge Therese arbeitet als Bedienung in der Spielwarenabteilung eines Kaufhauses. Eines Tages fällt ihr eine gut situierte Frau auf, die ungefähr doppelt so alt sein dürfte, wie sie selbst. Es ist die Ausgangssituation, welche die Schriftstellerin Highsmith selbst erlebte, und sie zu ihrem Roman inspirierte. Carol, die älter Lady, und Therese lernen sich kennen. Und Todd Haynes hat das ganz geschickt inszeniert, in dem er dem Zuschauer zeigt, dass die scheinbar zufälligen Aufeinandertreffen der Frauen gar nicht so zufällig sind wie sie sich geben. Nur in einer sehr zaghaften Entwicklung können sich Carol und Therese zueinander bekennen. Therese steckt in einer unerfüllten Beziehung, und Carol steht kurz vor ihrer Scheidung. Mehr als sonst brauchen die Frauen eine tröstende Beziehung. Aber in den fünfziger Jahren würde sich das in allen Bereichen des Lebens negativ auswirken.
Zuerst einmal muss man den Hut ziehen vor Produktionsdesigner Rudy Becker. Der Film beginnt mit einer ausschweifenden Plansequenz durch die Straßen New Yorks. Und hier passt von Kleidung, Automobilen und Häuserfassaden jedes Detail. Der Film macht hier sehr deutlich, wie wichtig ihm das Zeitkolorit ist, um den Kern der Geschichte auch mit dem perfekten Maß an Atmosphäre zu unterlegen. Auch die fokussierten Bilder von Edward Lachman geben den optischen Stil von Fünfzigerjahre-Kino wieder. Lange Einstellungen, die ohne besondere Gimmicks auskommen, und sich auf die Präsenz ihrer Darsteller verlassen. Nur einmal wird Schnittfolge und Kameraperspektiven dem aktuellen Kino angeglichen, und das ist eine Szene, die es in den Fünfzigern auch nicht gegeben hätte.
Ein Film mit dieser Thematik und diesem Anspruch, kann natürlich nur über seine Darsteller funktionieren. Die unsichere, verschüchterte Therese und die weltgewandte, dominierende Carol werden sich im Verlauf des Films fast unmerklich ihre Charaktereigenschaften angleichen. Die eine gewinnt an innerer Stärke, die andere wird von anderen äußeren Einflüssen überrollt. Dennoch schaffen es Mara und Blanchett immer eine ganz eigene Facette zu bewahren. Was diese beiden Darstellerinnen leisten, ist das typische Potential für den Preisverleihungsmarathon. So perfekt umgesetzt, und hervorragend gespielt dieser Film ist, versprüht er unablässig den Charme der üblichen Trophäen-Jäger. Die Thematik, die Intensität der Figurenzeichnung, das Tempo in der Inszenierung, die formale Umsetzung. Das sind alles die Gewürze, die nach Oscar und Golden Globe hecheln. Todd Haynes ist ein sehr guter, und vor allem eindringlicher Film gelungen, mit fantastischen Darbietungen. Aber man sollte während der Produktion nicht auf die Saison der Preisverleihungen starren. Das schlägt sich immer auf das Herz des Filmes nieder, so wie bei CAROL. Der trotz allem ein sehenswerter Film bleibt.
Darsteller: Cate Blanchett, Rooney Mara, Kyle Chandler, Jake Lacy, Sarah Paulson, John Magaro u.a.
Regie: Todd Haynes
Drehbuch: Phyllis Nagy, nach Patricia Highsmith
Kamera: Edward Lachman
Bildschnitt: Affonso Goncalves
Musik: Carter Burwell
Produktionsdesign: Rudy Becker
Großbritannien – USA / 2015
118 Minuten