WOLF MAN

Wolf Man - Copyright UNIVERSAL STUDIOS– Bundesstart 23.01.2025
– Release 15.01.2025 (FR)

Es ist unmöglich über WOLF MAN zu reden, ohne auch DER UNSICHTBARE mit einzubeziehen. Die ganze Geschichte von Universals gescheiterten ‚Dark Universe‘ hier auszubreiten, wäre hier nicht zielführend. Aber offiziell erstarb die angedachte Monster-Reihe wegen Misserfolges bereits nach dem zweiten Film. Bis die Neuinterpretation von DER UNSICHTBARE kam – von Leigh Whannell. Und hier muss man unverhohlen von Innovation reden. Der große Erfolg ist gerechtfertigt. Heimlich, still, und leise, und nur unter der Hand wurde das ‚Dark Universe‘ mit, gelinde gesagt, unbefriedigendem Erfolg am Leben gehalten. Auftritt: Leigh Whannell. Universals drittbeliebtestes Monster, der Wolfsmensch, war bereits 2010 gescheitert (Hand aufs Herz, Dracula und Frankensteins Monster führen die Liste an). Wolf Man konnte von der inspirierten Neunbelebungen eines Leigh Whannell nur profitieren. Und der Filmemacher geht hier, wie erhofft, tatsächlich wieder seinen ganz eigenen Weg. Nur führt er diesmal in die entgegengesetzte Richtung.

Rückblende, 1995: Der junge Blake Lovell ist mit seinem missmutigen Vater Grady in der Abgeschiedenheit von Oregons Wäldern auf der Jagd. Warum Blakes Vater so streng und jähzornig mit seinem Jungen umgeht, wird nicht wirklich geklärt. Erst gegen Ende des Films könnte man dies als Vorahnung interpretieren, über die Mysterien in der Abgeschiedenheit dieser Wälder. Noch am selben Tag entgehen beide der Attacke eines Wesens, das weder als Mensch noch als Tier zu identifizieren ist. Bereits diese Eröffnung ist wegweisend, wie minimalistisch der Film gehalten sein wird. Denn Whannell gelingt das zweifelhafte Kunststück, dass Exposition auch gleich Ausführung ist.

Sprung ins Heute: Blake lebt mit Frau Charlotte und Tochter Ginger in San Francisco. Ginger verehrt ihren Vater, Charlotte ist eine eher unterkühlte Geschäftsfrau. Der Tod von Vater Gary bringt die Familie nach Oregon, zum abgelegenen Haus von Blakes Kindheit, in den ursprünglichen Wäldern. Schon bei der Anreise verunglückt das Fahrzeug, und Blake wird von einem wilden Tier verletzt. Das Auto ist hinüber, dass Haus bietet Schutz, aber Blakes Verletzung verändert ihn. Willkommen in der Neuinterpretation, für die es weder Silberkugeln braucht, noch Vollmond scheint. Weil es keinen Werwolf gibt.

Zurück zu DER UNSICHTBARE. Hier formte Whannell alle Aspekte nach State-of-the Art. Die Handlung des 1933er Originals ist für das Remake perfekt auf die Gegenwart übertragen. Dazu gibt es eine sehr moderne, feministische Ausrichtung, ohne die Thematik von weiblicher Selbstbestimmung aufdringlich nach vorne zu stellen. Die Computer- und praktische Tricktechnik, sowie deren Kombinationen, sind auf dem höchsten Stand der Zeit. WOLF MAN wagt die entgegengesetzte Richtung, womit Leigh Whannell sein Prädikat des risikofreudigen Filmemachers bestätigt. Aber nur in einem bestimmten Fall ist seine spielerische Experimentierfreudigkeit auch wirklich innovativ. Ansonsten sind Handlung und Figurenzeichnungen auf das Notwendigste ausgedünnt, die Geschichte komplett vom Ballast der Mythen und Historie befreit, und alle Trickeffekte mit althergebrachter Handwerkskunst umgesetzt.

Es ist das Dilemma dieses Films, der in seiner szenischen Gestaltung und dem Spannungsaufbau ganz dem obligatorischen Horror-Einerlei von Blumhouse-Produktionen folgt – ihm gelingt keine eigene Identität. Was sich erst einmal wie eine raffinierte Idee ausnimmt, entpuppt sich als ärgster Feind. Leigh Whannell hat WOLF MAN so stark heruntergebrochen, ihn so weit abgespeckt, ihn derart auf seine Essenz reduziert, dass ihm sogar ein packendes Seelenleben vorenthalten bleibt.

Wolf Man 1 - Copyright UNIVERSAL STUDIOS

WOLF MAN hat durchaus ansprechende, nicht viel originelle, aber doch fesselnde Spannungssequenzen und Schreckensmomente. Man denke zum Beispiel einmal daran, was eine Ratte tut, die mit einem Bein in einer Falle festhängt. Oder die exzellente Kameraführung, in denen das Bild aus menschlicher Sicht ins Schwarze blickt, und mit einer Umfahrt sie Optik in die Sicht eines Wolf-ähnlichen Wesens wechselt. Man darf Whannel auch zugutehalten, dass er gerne und merklich auf Jump-Scares verzichtet. Einige bemerkenswerte Einfälle machen aber noch keinen guten Horrorfilm.

Es ist Anfangs nicht leicht, sich von den Standards der gewohnten Werwolf-Mythologie zu lösen, die einem über Jahrzehnte im Kino um die Sinne gehauen wurden. Aber man gewöhnt sich daran. Aber was dem Film fehlt, das sind schlichtweg greifbare Charaktere. Zu Beginn hat Tochter Ginger das innige Verhältnis zu ihrem Vater, aber mit Blakes Wandlung verschiebt sich auch Gingers Beziehung hin zu ihrer sonst distanzierten Mutter. Das ist ein Gedanke, denn der Regisseur umsetzt, aber das Publikum nur schwer aufgreifen kann. Denn wir wissen zu wenig von den Figuren, wir erfahren nichts Weiteres über sie, und sie werden uns auch nicht mehr über sich erzählen. Selbst Blakes Beziehung zu seinem Vater bleibt nebulös, trotz des starken Einstiegs.

Christopher Abbott kann als sympathischer und liebender Vater überzeugen, und sein Charakterbild verändert sich auch nicht, selbst wenn er sich als Wesen verändert. Als Wolfsmensch versteht er einfach nur seine Triebe nicht. Die Konsequenz ist so weit vorhersehbar, dass die Auflösung nur wenig Intensität mitbringt. Noch viel schlimmer trifft es die sonst immer charismatische Julia Garner, die für ihre Figur als Mutter Charlotte überhaupt nichts mit auf den Weg bekommt, um sich zu entwickeln, oder grundsätzlich eine Verbindung zum Publikum aufbauen zu können. Das macht den Film flach, gibt ihm keine Tiefe, und lässt ihn zu einer bloßen Hülle für Effekte verkommen. Der WOLF MAN hat noch einige Überraschungen, die hier nichts zu suchen haben. Aber die erhoffte Offenbarung hat Leigh Whannell nicht erreicht. Schlimmer noch – WOLF MAN kann sich gerade wegen seines strikten Minimalismus, nicht einmal über die schon lange überholten Blumhouse-Standards heben.

Wolf Man 2 - Copyright UNIVERSAL STUDIOS


Darsteller: Julia Garner, Christopher Abbott, Sam Jaeger, Matilda Firth u.a.
Regie: Leigh Whannell
Drehbuch: Leigh Whannell, Corbett Tuck
Kamera: Stefan Duscio
Bildschnitt: Andy Canny
Musik: Benjamin Wallfisch
Produktionsdesign: Ruby Mathers
USA / 2025
103 Minuten

Bildrechte: UNIVERSAL STUDIOS
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