– Release 09.04.2025 (world)
Die Frage ist durchaus berechtigt, wie oft man noch eine Geschichte ertragen soll, in der ein auf sich gestellter Geheimdienstler oder Elitesoldat auf eigene Faust für Gerechtigkeit sorgt. Meist ein brachialer Ausdruck von maskuliner Dominanz. Obwohl man hier all die „Lucy“s und „Hannah“s nicht vergessen darf, die aber in die gleiche, voyeuristische Selbstjustiz-Befriedigung fallen. Jetzt ist es Rami Malek als CIA-Analyst Charlie Heller. Der kommt hinter seinen Bildschirmen hervor und geht aus dem fünften Untergeschoss der CIA in die Welt hinaus, um den Tod seiner Frau zu rächen. Es liest sich nicht nur so, sondern tatsächlich ist alles an „The Amateur“ formelhaft. Selbst die zwei überraschenden Wendungen, die man ohne Grund für notwendig gehalten hat. Aber so einfach ist es dann doch nicht. Der Film basiert auf dem gleichnamigen Roman und zeitgleich erschienenen Drehbuch von Robert Littell aus 1981. Das wirft die Frage auf, ob dieser „Amateur“ der Epigone von Jack Reacher, Jason Bourne und Co. ist. Oder sind Bourne, Reacher und Co. am Ende die Nachkommen von Littells Roman.
Denn auch wenn sich „The Amateur“ wie formalistischer Standard anliest, weicht er dann doch angenehm von ähnlichen Filmen ab. Charlie Heller ist Kryptograf und Analytiker, und er ist introvertiert mit Hang zur dissozialen Störung. Seine Frau Sarah ist sein Leben, und die Fähigkeiten eines Agenten im Außendienst liegen bei ihm ganz fern. Wenn Sarah also bei einem Terroranschlag ums Leben kommt und sein Arbeitgeber aus dubiosen Gründen nichts gegen die Täter unternehmen will, möchte Charlie die Sache selbst in die Hand nehmen. Als praktischer Bastler, Computerspezialist und Kryptograf – der Beste den die CIA hat – findet Charlie einen ganz eigenen Weg für seinen Rachefeldzug.
Charlie Heller ist viel mehr Jack Ryan als Jack Reacher. „Slow Horses“ und „One Life“ Regisseur James Hawes hat seinen Film auch sehr nach den Klassiker-Vorbildern wie „Marathon Mann“ oder „Drei Tage des Condors“ inszeniert. Nicht Hau-drauf-Action bestimmt die Handlung, sondern Charlies geschickte Ablenkungsmanöver und raffiniert ausgetüftelten Exekutionspläne, was nicht immer wie gedacht ausgeht. Das führt aber auch dazu, dass „The Amateur“ immer dann gewöhnlich und uninteressant wird, wenn Verfolgungsjagten und Schießereien das Geschehen aufpäppeln sollen.
Umgeben von einem beindruckenden, leider oftmals unterforderten Ensemble, hat Rami Malek hier eine wie auf den Leib geschriebene Rolle gefunden (tatsächlich war im ersten Versuch, 2006, Hugh Jackman verpflichtet). Seine Ausdrucksstärke kommt wahrhaftig aus seinem zurückgenommen Spiel. Charlie Hellers ist sozial unbeholfen und menschenscheu, was man in Maleks Körperspannung und nuancierter Mimik regelrecht spüren kann. Entsprechend einnehmend verändert sich auch Hellers Wesen, wenn er mit einer perfiden Mischung von Befriedigung und Kaltblütigkeit seine Vorhaben erfüllt. Auch wenn das überzeugende Drehbuch filmtechnisch tadellos umgesetzt wurde, ist es Rami Malek der den Film seinen besonderen Charakter gibt, und damit prägt.
Außer in den kurzen Actionszenen, in denen leider nicht auf handgeführte Kamera verzichtet wird, fotografiert Martin Ruhe den Film in starken, unverfälschten Bilder. Mit knackigen Kontrasten und exzellenter Lichtführung bekommt „The Amateur“ auch wirklich einen Hauch des Siebzigerjahre Kinos, dem die Handlung entsprungen sein könnte. So inszeniert auch James Hawes seinen Film – mit der nötigen Ruhe. Hawes zieht an, wenn es Spannung oder Action erfordert. Und da lässt der Regisseur einige Male anständig die Finger in die Armlehne krallen, hier ist er ganz im Kino von heute.
Aber in den richtigen Momenten gibt er seiner Hauptfigur angemessen Zeit um den Charakter glaubwürdig entfalten zu können. Ein großer Pluspunkt, und eigentlich äußerst selten, ist die stete Erinnerung an Charlies Motivation. Von Rachel Brosnahan als Sarah – die leider viel zu kurz kommt – werden nicht einfach frühere Bilder wiederholt, sondern sie erscheint immer wieder in Charlies Hier und Jetzt. „The Amateur“ zeichnet sich aus durch Momente, die in gängigen Thrillern unüblich sind, aber auch mit Sequenzen, die man genau so im Kino erwartet. Was man nicht erwartet, sind die herrlichen Augenblicke, wenn Charlies Vorhaben nicht so ablaufen, wie er sie sich ausgedacht hat. Dabei enttäuscht allerdings ein wenig Volker Bertelmanns Score, der lediglich zweckdienlich aber nicht auffallend ist. Trotz einiger Besonderheiten erfindet auch „The Amateur“ das Rad des Technik- und Spionagethrillern nicht neu. Aber er ist sehr weit davon entfernt uninteressant oder gar langweilig zu sein. Schon allein wegen Rami Malek.
Darsteller: Rami Malek, Rachel Brosnahan, Jon Bernthal, Laurence Fishburne, Caitríona Balfe, Michael Stuhlbarg, Holt McCallany, Julianne Nicholson u.a.
Regie: James Hawes
Drehbuch: Ken Nolan, Gary Spinelli
Kamera: Martin Ruhe
Bildschnitt: Jonathan Amos
Musik: Volker Bertelmann
Produktionsdesign: Maria Djurkovic
USA / 2025
123 Minuten