– Bundesstart 03.04.2025
– Release (unbekannt)
In seinen Filmen ist Ron Howard immer an den Personen interessiert, egal wie außergewöhnlich deren Situation ist. Ob mit Meerjungfrau, im Flug um den Mond, oder verschüttet in einem Bergwerk. Howard weiß die umgebenden Ereignisse großartig zu inszenieren, aber sie berühren letztendlich über die Menschen. Aber in keinem seiner Filme drang er bisher so tief in die dunkle verstörende Seele seiner Protagonisten und finsteren Abgründe der wahren Natur des Menschen vor wie in „Eden“. Vielleicht erreichte Howard bereits bei „The Missing“ schon diese verstörenden Tiefen, zumindest war er da schon ziemlich nahe dran. „Eden“ beruht auf einer wahren Begebenheit die Ron Howard schon lange beschäftigt hat. Eine Geschichte die aus zwei Perspektiven überliefert ist. Howard hat sich für die Ausarbeitung des Drehbuchs mit Autor Noah Pink zusammengetan. Noah Pink hat zuletzt „Tetris“ geschrieben, die augenzwinkernd wahre Geschichte, wie die Amerikaner sich die Rechte des russischen Videospiels ergaunerten.
Im Jahr 1929 wandert Dr. Friedrich Ritter mit seiner Lebenspartnerin Dore Strauch auf die unbewohnte Galápagos-Insel Floreana aus. Hier will er eine neue These über die Natur des Menschen und den Verfall der Gesellschaft schreiben. Angelockt durch Zeitungsberichte über Ritter, und angewidert vom aufstrebenden Faschismus in Deutschland, verschlägt es 1932 Heinz Wittmer mit seiner Frau Margret und Sohn Harry auf Floreana. Friedrich und Dore zeigen sich zuerst abweisend, sind aber auch davon überzeugt, dass die Wittmers in dieser gefährlich unerschlossenen Natur nicht aushalten werden. Doch letztendlich heißt es ‚leben und leben lassen‘. Bis die Baroness de Wagner Wehrhorn mit ihren drei Lakaien anlandet und die Insel in Beschlag nimmt. Ab hier wird Darwins Theorie des Anpassungsfähigsten auf die Probe gestellt.
Die Bildgestaltung hat Mathias Herndl übernommen. Ein geschätzter Kameramann bei TV-Produktionen, der sich aber mit „Eden“ als äußerst effektiver Bildgestalter für die große Leinwand beweist. Herndl zeigt Floreana nie als paradiesisches Idyll. Auch wenn jede Schattierung von Grün vorhanden ist, sind es keine strahlenden Farben, eher blass und abweisend. Die nächtlichen Petroleum- und Kerzenlichter machen die dunkle Umgebung nur noch unberechenbarer. Mathias Herndl macht die ausladenden Weiten Floreana zu einer abweisenden Naturgewalt, in die er sehr raffiniert die Figuren als unbedeutenden Faktor dieser Welt einzubinden versteht. Darüber hinaus zeigt Herndl auch ein exzellentes Gespür, wie er die Protagonisten in ihrem in sich gekehrten Spiel oder den Interaktionen positionieren und akzentuieren muss.
Von Anfang an ist klar, dass Ron Howard hier keine versöhnlichen Töne anzustimmen gedenkt. Das was die Bilder ausdrücken wird von den Figuren nur unterstrichen. Das der Film fast schon Stereotyp besetzt ist, kommt der Geschichte absolut entgegen. Jude Law mit seinem Friedrich Ritter, eine selbstüberschätzte Ausgeburt von dominanter Männlichkeit. Vanessa Kirby als MS geplagte Dore Strauch, die glaubt mit Spott und Überheblichkeit ihrem Seelenschmerz Herrin werden zu können. Bei Daniel Brühls zurückhaltendem Heinz Wittmer spürt man die geistige Überlegenheit eines Idealisten, der seine anfängliche Naivität gegenüber der Natur als Herausforderung versteht. Und Sydney Sweeny ist als respektvolle, fast schon unterwürfige Margret am besten, wenn sie mit Gestik und Minenspiel viel mehr sagt als mit Worten. Da ist es schon traurig, dass es für den authentischen Jonathan Tittel als Henry so wenig zu tun gibt.
Es ist eine Atmosphäre von egoistischem Misstrauen auf der einen, und akademischer Vernunft auf der anderen Seite. Doch nach und nach entlarven sich diese nur vornehmlich grundverschiedenen Charaktere in ihren Wesenszügen. Innerhalb weniger Wochen erweisen sich die Wittmers als geschicktere Bauern, als die bereits seit drei Jahren Ansässigen. Und Stück für Stück entpuppt sich die Genialität von Friedrichs neuer These über Mensch und Gesellschaft als Selbstbetrug. Howard gelingt es mit subtiler Finesse die Spannungen zwischen den ideologischen Kontrahenten immer unberechenbarer zu gestalten. Je weiter sich ihre Differenzen aufbauen, desto mehr sind sie aufeinander angewiesen. Die Menschen gegeneinander, und gemeinsam gegen die Natur. Genau am richtigen Ort gerät Darwins Theorie immer wieder ins Wanken.
Wie sich die Ereignisse der Geschichte auf Floreana tatsächlich zugetragen haben, ist nicht mehr belastbar. Es gibt zwei sich widersprechende Perspektiven, was letztendlich aber irrelevant wird. Für den Regisseur geht es auch hier wie immer um die Menschen. Menschen unterschiedlichsten Charakters die aufgrund ihrer Wertvorstellungen aus dem gesellschaftlich System aussteigen, aber um überleben zu können, gezwungen sind ihre Werte hinter sich zu lassen. Das ist überraschend und ungewöhnlich erzählt, unheimlich spannend zu beobachten, und mitreißend intensiv gespielt. Bis als dritte Partei die ‚Baroness‘ in der Gestalt von Ana de Armas auf die Insel kommt.
Ron Howard zeigt uns über fantastische Photographien und hingebungsvolle Darsteller eine unwirkliche und feindliche Welt, die lediglich durch Entbehrung und Kompromisse gegenüber den eigenen Wertmaßstäben und moralischen Verpflichtungen bezwungen werden kann. Aber dann lässt Ron Howard dieses packende Bildnis vergehen, wenn er die ‚Baroness‘ mit ihren absurden Plänen auf die Insel bringt. Diese Figur ist für die Geschichte von Ritter, Strauch und den Wittmers nicht wegzudenken. Aber wie dieser Charakter im Buch angelegt wurde, wie sie von Howard inszeniert ist, wie Ana de Armas sie spielt ist schlichtweg grauenhaft. Howard zerstört damit seinen Film.
Und es spielt keine Rolle wie nahe die Figuren an die Wirklichkeit angelehnt sind. Eine Adaption muss sich gewissen dramaturgischen Notwendigkeiten unterwerfen, um die Integrität der Geschichte in der zur Verfügung stehenden Zeit zu erhalten. Hier zerfällt der Film wegen der schrecklichen Dialoge der ‚Baroness‘, in Verbindung mit dem bizarr überspannten Spiel von Ana de Armas. Allen ethischen und moralischen Zwängen der anderen Figuren zum Trotz, müssten die ‚Baroness‘ mit ihren unfähigen Lakaien die ersten Opfer von Darwins Theorie werden. Und das bereits bei Erscheinen auf Floreana. Doch in der Erzählung ist das erst der Beginn des konflitreichen Alptraums. Aber für den Film selbst ist es eine Zumutung wann immer Ana de Armas mit ihrem unhaltbaren Spiel in Erscheinung tritt. Trotz seiner vielen interessanten, überaus spannenden Elemente, seinen herausfordernden Denkansätzen, und nicht zu vergessen den mitreißenden Bildern, wird „Eden“ dann doch zu einer Enttäuschung.
Darsteller: Jude Law, Ana de Armas, Vanessa Kirby, Daniel Brühl, Sydney Sweeney, Jonathan Tittel, Toby Wallace u.a.
Regie: Ron Howard
Drehbuch: Noah Pink, Ron Howard (Idee)
Kamera: Mathias Herndl
Bildschnitt: Matt Villa
Musik: Hans Zimmer
Produktionsdesign: Michelle McGahey
USA / 2024
129 Minuten