RIFF RAFF
– Bundesstart 27.03.2025
– Release 28.02.2025 (US)
Mitten in der Nacht steht Rocco mit seiner hochschwangeren Freundin Marina auf der Türschwelle des abgeschiedenen Hauses seines entfremdeten Vaters Vincent. Vincent lebt hier zurückgezogen mit seiner zweiten Frau Sandy und dem gemeinsamen Sohn DJ. Das hier Ärger ins Haus schneit, weiß man nicht nur an der Uhrzeit der Ankunft, sondern das Rocco nicht nur Marina, sondern auch seine Mutter, Vincents erste Frau Ruth, dabei hat. Dass hier Ärger ins Haus schneit merkt man aber auch an Lewis Pullmans ölig zurückgekämmten Haaren, der einen nervösen, aber äußerlich beherrschten Rocco gibt. Und natürlich am knochig dominanten, sichtlich mit allen Wasssern gewaschenen Ed Harris als Vater Vincent. Dass dieses Narrativ viele vorhersehbare Elemente enthält, liegt von Anfang an auf der Hand. Dies wird im Verlauf immer unwichtiger, was den bestechenden Figuren zu verdanken ist.
Auf dem Weg zur illustren Familienzusammenkunft ist der offensichtliche Bösewicht Hannigan, mit seinem Handlanger Lonnie. Schon Jennifer Coolidge ist als ziemlich primitive, selbstzerstörerische und rücksichtslose Mutter Ruth ein Erlebnis. Doch Bill Murray als Hannigan und Pete Davidson als Lonnie präsentieren sich mit einer Dynamik, die bereits pure Freude bereitet, ohne überhaupt Dialoge bemühen zu müssen. Zwischen Familienkonflikten und Gangstermentalitäten erzählt Regisseur Dito Montiel dann noch in kurzweiligen Rückblenden die Zusammenhänge, die zum Showdown führen.
Dito Montiel hat bemerkenswert viel Wert darauf gelegt, den Darstellern ausreichend Raum zu geben. Das macht den Film nicht besonders schnell. Doch was ihm – und da muss man sich nichts vormachen – an Originalität fehlt, macht die ausgezeichnete Mischung an Charakteren absolut wett, die wiederum nur durch die hervorragenden Schauspieler derart ansprechend zum Leben erweckt werden. In diesem Sinne ist RIFF RAFF auch viel mehr Charakter-Kino anstatt derber Gauner-Komödie. Wie zum Beispiel jüngst WOLFS, oder seinerzeit KILLING THEM SOFTLEY, KISS KISS BANG BANG, GROSSE POINT BLANK, OUT OF SIGHT, BAD TIMES OF THE EL ROYALE und natürlich BRÜGGE SEHEN UND STERBEN. Nicht das diese Liste direkte Vergleiche anstreben will, nur so als gut gemeinte Erinnerung für künftige Filmabende.
Das eigentliche Problem an dem sich der Filmfreund festbeißen könnte, wären die Darsteller in Kombination mit ihren Figuren. Es nimmt sich wie ein Best-of aus, wenn Ed Harris den kantigen aber besonnen Ex-Gangster gibt, oder Jennifer Coolidge die ausgelassene Exzentrikerin. Wobei sich Coolidge hier wirklich ins Gedächtnis brennt. Jeder von den Schauspielern hat seine Rolle schon einmal gespielt, und jede dieser Rollen ist aus diesem Subgenre des Exploitation-Krimis hinlänglich bekannt. Wie zum Beispiel Bill Murray mit seiner bekannt abgebrühten Lässigkeit, als unberechenbarer Hannigan.
Das macht bei weitem keinen schlechten Film. Es wird nur ein hinlänglich vertrauter Film. Autor ist John Pollono, der zuletzt mit SMALL ENGINE REPAIR aus einer Standarderzählung ein wesentlich eindringlicheres Kleinstadtdrama gezaubert hat. Bei RIFF RAFF merkt man Pollonos Bemühungen die Entwicklung der Geschichte immer leicht neben den Erwartungen zu halten. Das gelingt soweit ganz gut, so wird unter anderem explizite Gewalt auf das Notwendigste (sic!) reduziert. Es gelingt weniger in der Ausarbeitung des zweiten Sohnes DJ, die eigentliche Hauptfigur, die im Film als Erzähler fungiert. Miles J. Harvey spielt DJ, und das mit perfekten Timing. Harvey bekommt auch einige komische Szenen, wird aber weitgehend aus der Entwicklung der Geschichte herausgehalten, obwohl der Film mehr von ihm gut vertragen würde.
Aber aus dem hinlänglich vertrauten Film wird im Finale ein seltsames Produkt von Einfallslosigkeit, dass dem bisherigen Charakterkino nicht gerecht wird. Es gibt am Ende tatsächlich eine wirklich überraschende, im positiven Sinne geistreiche Wendung, doch das ausschmückende Drumherum ist alles andere als sehenswert. Mit vorschnellen Schnitten und retuschierenden Einstellungen werden Dinge vorgegaukelt, die für weitere Überraschungen sorgen sollten. Mit etwas mehr Vertrauen in die eigene Kreativität hätte sich der Film in den letzten Minuten wirklich als originell beweisen können. Aber die Auflösung wird durch filmtechnische Tricksereien zur Enttäuschung.
Darsteller: Ed Harris, Jennifer Coolidge, Miles J. Harvey, Gabrielle Union, Lewis Pullman, Emanuela Postacchini, Bill Murray und Pete Davidson
Regie: Dito Montiel
Drehbuch: John Pollono
Kamera: Xavier Grobet
Bildschnitt: Tim Streeto
Musik: Adam Taylor
Produktionsdesign: Kassandra DeAngelis
Großbritannien, USA / 2024
103 Minuten