MR. NO PAIN – NOVOCAINE

Novocaine - © 2024 PARAMOUNT PICTURESNOVOCAINE
– Bundesstart 20.03.2025
– Release 14.03.2025 (US)

Nate ist stellvertretender Filialleiter einer Bank, und sehr verschlossen. Deswegen ist es an Kollegin Sherry, ihn endlich einmal anzusprechen, und wenigstens zum Mittagessen auszuführen. Die erste Auseinandersetzung folgt prompt, als sich Nate weigert von Sherrys Kuchen zu probieren, was er allerdings begründen kann. Nate muss befürchten, sich beim Kauen unbemerkt die Zunge abzubeißen. Das erklärt auch die Stoßfänger an den Ecken vom Schreibtisch, oder Gummikugeln auf den Spitzen der Bleistifte. Nate hat CIPA, übersetzt: Hereditäre sensorische und autonome Neuropathie Typ IV. Er kann keinerlei Schmerz empfinden. Als jemand, der eine Frau mit CIPA kennenlernen durfte, muss der hier schreibende Rezensent sagen: Diese Krankheit ist kein Spaß. Warum dann eine Actionkomödie daraus machen? Weil die Idee dahinter viel zu verlockend ist. Zudem es Buch und Regie auch verstehen, innerhalb der absurden Prämisse, die Krankheit für sich auch angemessen zu behandeln.

Das Date von Sherry und Nate läuft gut. Der Sex ist befriedigend. Es ist Nates erste Beziehung, entsprechend ist seine Hingabe. Und prompt wird ihre Bankfiliale überfallen. Die drei Gangster erschießen rücksichtslos Menschen, nehmen Sherry als Geisel und flüchten. Nate kann mit einem Polizeiwagen die Verfolgung aufnehmen, und los geht der Spaß. Einen der Gangster kann Nate stellen, und merkt erst dann, wie ihm als  rücksichtsvollen und friedfertigen Menschen seine medizinische Besonderheit von Nutzen ist. Heiße Pfannen, scharfe Messer, brodelndes Frittieröl, Pistolenkugeln. Der Kampf in einer Großküche bietet exakt das, was man erwartet. Perfekt choreografiert, unglaublich dynamisch geschnitten, exzellente Kameraarbeit, und absurder Humor. 

Für das Regie-Duo Dan Berk und Robert Olsen ist MR. NO PAIN der sechste gemeinsame Film. Sie verstehen ihrem Helden wirkliche Tiefe zu geben, was mit Jack Quaids Charme und Spielfreude auch ein Leichtes ist. Dazu kommt Quaids fabelhaftes Gespür für Momente, wie er bereits in COMPANION so erschreckend schön dargeboten hat. Berk und Olsen setzen auch das Kennenlernen echt und schlüssig um, und verzichten hier auf brachiale Schenkelklopfer. Anders in den Kampfszenen, bei denen bizarre Einfälle mit schmerzhaften Ausgang für lautstarke Lacher mit Ekelfaktor sorgen.

Novocaine 2 - © 2024 PARAMOUNT PICTURES

Das Problem bei MR. NO PAIN: Nach der ersten Kampf-Choreografie ist auch schon die Luft aus der Originalität. Sicher gibt es hier und da noch sehr verrückte Einfälle (Besser als Nate, kann man auf ein Hakenkreuz nicht reagieren!). Aber was Nate alles seinem schmerzfreien Körper alles zumuten muss, erschöpft sich schnell in Variationen. Auf dem Weg zur Befreiung von Sherry werfen die Macher immer wieder überraschende Wendungen ein. Und die sind eigentlich gar nicht so überraschend. So entpuppen sich Verbündete als Gegner, oder die Polizei hält den Bankräuber jagenden Nate für einen flüchtenden Komplizen. Wer schon mal im Kino war, der kennt das.

Der nur wenige Wochen zuvor angelaufene LOVE HURTS hat mit demselben Problem zu kämpfen: Nach dem ersten spektakulären Kampf folgen nur noch Wiederholungen. Dennoch beherrscht das Regie-Duo bei MR. NO PAIN die Genrestandards so gut, dass Langeweile ein sehr unangebrachtes Wort wäre. Für eine gewisse Kurzweil ist durchaus Jack Quaid mit verantwortlich, der trotz atemberaubend physischen Akrobatik und dynamischen Spiel nie seinen Charakter aus den Augen verliert. Quaid wird nicht zum Superhelden, mit dessen „Gabe“ auch das Selbstbewusstsein wächst. Sein Nate bleibt selbst in der blutigsten Auseinandersetzung immer der charmant verwirrte Junge von nebenan, der von der selbst verschuldeten Situation überrascht wird.

Die Handlung könnte raffinierter und weniger vorhersehbar sein. Aber die Inszenierung hat ein gutes Tempo, und selbst in den ruhigen Charakterszenen kommt es dank des aufgeweckten Hauptdarstellers zu keinen Längen. Und Jack Quaids stimmige Chemie mit Amber Midthunder kann man nicht leugnen. Allerdings hat Midthunder schon in anspruchsvolleren Rollen überzeugen dürfen. Das Humorlevel wird dem Film gerecht. Und wie bei dieser Art von Filmen mittlerweile üblich, ist Gewalt, Blut, und Schauderfaktor auf sehr hohem Niveau. Eigentlich ganz unterhaltsam, würde sich der Film nicht schon nach dreißig Minuten im Kreis bewegen.

Novocaine 3 - © 2024 PARAMOUNT PICTURES


Darsteller: Jack Quaid, Amber Midthunder, Ray Nicholson, Jacob Batalon, Betty Gabriel, Matthew Walsh, Conrad Kemp u.a.

Regie: Dan Berk & Robert Olsen
Drehbuch: Lars Jacobson
Kamera: Jacques Jouffret
Bildschnitt: Christian Wagner
Musik: Lorne Balfe, Andrew Kawczynski
Produktionsdesign: Kara Lindstrom
USA / 2025
110 Minuten

Bildrechte: PARAMOUNT PICTURES

 

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