Matinee: DER MANN DER ZWEIMAL LEBTE

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SECONDS – Bundesstart 6. 1. 1967 – Release 2. 10. 1966 (USA)

DER GEFANGENE VON ALCATRAZ, BOTSCHAFTER DER ANGST, SIEBEN TAGE IM MAI und DER ZUG. In nur 4 Jahren drehte Regisseur John Frankenheimer Filme fern des populären Kinos, die sich zu bedeutenden Klassikern entwickelten. So wie sein nächster Film: DER MANN, DER ZWEIMAL LEBTE. Es ist – da ist der Rezensent in seiner Meinung nicht allein – zweifellos die beste und eindringlichste Rolle von Rock Hudson. Und es ist – das ist Fakt – der am wenigsten gesehene Film von Rock Hudson.

Seconds 8 - (c) PARAMOUNT PICTURESArthur Hamilton erreicht der Anruf seines tot geglaubten, besten Freundes. Er könne alles hinter sich lassen, ein ganz neues Leben beginnen, müsste sich nur in die Obhut der ‚Company‘ begeben. Arthur Hamilton ist zuerst neugierig, dann entschlossen. Vorgetäuschter Unfall, plastische Chirurgie, neue Identität, die ‚Company‘ kümmert sich um alles. Der Bänker Arthur Hamilton aus einem Vorort von New York, wird zum Künstler Antiochus ‚Tony‘ Wilson in Malibu, Kalifornien. Für Tony ist die Umstellung schwerer als angenommen. Dann lernt er die unbekümmerte Nora kennen. Durch sie wird Tony bewusst, dass er von seinem alten Leben nicht so leicht loslassen kann. Ein Zurück ist nicht mehr möglich, aber die ‚Company‘ bietet ihm eine bessere Lösung.

Für seinen Film verweigert John Frankenheimer eine klare Genrezuordnung. Lewis John Carlino hat das Drehbuch nach dem Roman von David Ely verfasst. Eine Geschichte die weniger durch Handlungsstruktur getragen wird, vielmehr durch die Reflektion über einzelne inhaltliche Elemente. Arthur muss für seine Neugeburt auch über das Ableben aus seiner bisherigen Welt entscheiden. „Die Frage nach ihrer Todesursache ist die wichtigste Entscheidung ihres Lebens“, sagt ein Mitarbeiter der ‚Company‘. Solch bittere Ironie blitzt im Film immer wieder auf. Ironie die sich aus der Absurdität des Vorhabens und Radikalität der Prozedur entwickelt, im steten Wechsel mit philosophischen und moralischen Auseinandersetzungen. Dies ist nicht mehr Vaters Kino.

Die Geschichte des Films wird gleichzeitig zu einem Sinnbild für das Kino seiner Zeit. Der Bankangestellte Arthur will dem Mief des Vorstadtlebens mit Pendler-Monotonie und der auf Haus- und Gartenpflege beschränkten Gattin entkommen. Arthur wählt eine radikale Neuausrichtung die der Norm des gesellschaftlichen Konservatismus widerspricht. Eine Neuausrichtung die auch auf John Frankenheimers Inszenierung zutrifft, die er aber in dieser Gestaltung nicht alleine vollbringen kann. DER MANN, DER ZWEIMAL LEBTE ist gleichermaßen das Kind von Frankenheimer wie seines Kameramanns James Wong Howe. Erst die abstrakte Visualisierung macht den Film zu dem, was sich das Szenario mit fragwürdiger Moral auflädt. Howe erzeugt eine extrem unbequeme und permanent paranoide Atmosphäre. „Freigesprochen von jeder Verantwortung, außer den eigenen Interessen“, proklamiert die ‚Company‘. Aber ist das ethisch vertretbar?

Seconds 6 - (c) PARAMPOUNT PICTURES

Von der ersten Einstellung an, nach dem beklemmenden Titelvorspann von Saul Bass, erzeugen die Bilder eine fortlaufend beunruhigende Stimmung. Fischaugen-Optik, stark verkantete Einstellungen, Diopterlinsen, subjektive Perspektiven. Alles visuelle Ausdrucksmittel die im Kino bekannt sind, aber noch nie so exzessiv und ineinander verzahnt, das Fundament einer Geschichte bildeten. Klassische Auflösungen von Szenen gibt es nur, wenn der als Tony wiedergeborene Arthur beginnt seine Entscheidung in Frage zu stellen. Frankenheimer hat kein Interesse es dem Publikum leicht zu machen. Optisch und inhaltlich ist sein Film eine Herausforderung, weil verstörend unbequem.

Dem Film gelingt auch mit der Besetzung eine bemerkenswerte Note. Die Rolle des Arthur ist John Randolphs erster Film nach fünfzehn Jahren, in denen sein Name auf der schwarzen Liste stand. Und Rock Hudson wurde gegen den Wunsch des Regisseurs besetzt, weil die Extreme in der Darstellung des Tony bei dem auf leichte Rollen fixierten Schauspieler nicht vorstellbar war. Mit Randolph wird die Sehnsucht nach dem eigentlich Unmöglichen wirklich greifbar – der uralte Traum, sein Leben einfach noch von vorne zu beginnen. Hudson wiederum muss dem entgegen spielen, dass Träume nicht unbedingt gelebt werden sollten. Frankenheimer hat sehr schnell eingestanden, dass Hudson perfekt den Ansprüchen der Rolle gerecht wird. Zudem hätte sein Saubermann-Image dem Film und seiner bizarren Abkehr vom Unterhaltungskino förderlich sein müssen.

Seconds 7 - (c) PARAMPOUNT PICTURES

Es ist 1966, und der ‚Production Code‘ hat die Industrie noch im Griff, was die sittlichen Freizügigkeiten und moralischer Verwerflichkeit bei filmischen Darstellungen angeht. Regisseure winden sich langsam aus diesem Griff, dennoch ist John Frankenheimer wenngleich nur knapp, aber doch einige Monate zu früh. DER MANN, DER ZWEIMAL LEBTE stößt bei seiner Premiere auf Unverständnis und Ablehnung, was sich an den Kinokassen fortsetzt. Die Einspielergebnisse bleiben kaum verwertbar. DER MANN DER ZWEIMAL LEBTE ist zu radikal, zu verstörend, zu fremdartig und bewusst manipulativ. Und sein schockierendes Ende trägt erheblich zu der negativen Akzeptanz bei. Es wird Rock Hudsons am wenigsten gesehener Film. Trotz allem setzt DER MANN, DER ZWEIMAL LEBTE die Liste von John Frankenheimers Meisterwerken fort.


Seconds 5 - (c) PARAMOUNT PICTURESDarsteller: Rock Hudson, John Randolph, Salome Jens, Will Geer, Jeff Corey, Frances Reid, Murray Hamilton, Richard Anderson u.a.

Regie: John Frankenheimer
Drehbuch: Lewis John Carlino
nach dem Roman von David Ely

Kamera: James Wong Howe
Bildschnitt: David Newhouse, Ferris Webster
Musik: Jerry Goldsmith
Künstlerische Leitung: Ted Hawthorn
Ausstattung: John P. Austin
USA / 1966
106 Minuten

Bildrechte: PARAMOUNT PICTURES
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