Fast verpasst: APARTMENT 7A

Apartment 7A - Copyright PARAMOUNT PICTURES– PARAMOUNT+  seit 27.09.2024

Als Natalie Erika James 2020 ihren Geisterhorror RELIC auf den Markt brachte, versauerte dieser auf den Festivals, ohne einen Kinoverleiher zu finden. Es war eine gruselige Spukgeschichte, die durchaus beeindruckte. Inszenatorische Schwächen wurden durch die starken Darstellerinnen sehr gut aufgefangen. Eine Geschichte, die sich für die nicht gerade umtriebige Filmemacherin James jetzt vier Jahre später, bei ihrem jüngsten Film erstaunlich getreu wiederholt. APARTMENT 7A macht seine Runden im Festival-Zirkus, um dann wider Erwarten direkt vom Höllenschlund des Streaming verschlungen zu werden. Und auch die Erzählung über die aufstrebende Tänzerin Terry Gionoffrio hat in der Umsetzung ihre Schwächen, was aber auch hier Dank exzellenter Darsteller nicht so stark dem Teufel der Belanglosigkeit in die Hände spielt. Da ist zum einen Kevin McNally, der mit freundlichem Nachdruck und kultivierter Gelassenheit, seinen Roman Castevet zu einem bemerkenswert sympathischen Handlanger des Bösen macht.

Und dann ist da auf der anderen Seite der Bühne die fantastische Julia Garner, von der man dachte bereits alles gesehen zu haben. Als Spielball einer teuflischen Verschwörung legt sie aber noch einmal ordentlich nach. Es ist 1965, und Tänzerin Terry Gionoffrio erleidet bei den Proben für ein Stück einen Unfall, der ihre Karriere am Broadway beendet bevor diese beginnen konnte. Körperlich und mental am Ende, und von Schmerzmitteln berauscht, landet sie buchstäblich in den Armen des älteren Paares Minnie und Roman Castevet. Sie nehmen Terry bei sich im Bramford-Haus auf, und stellen ihr sogar eine Wohnung zur Verfügung, bis sie gesundheitlich wieder obenauf ist.

Die Regisseurin weiß ihre Gruselgeschichte gut ausbalanciert zwischen Psychogramm und Horror in Szene zu setzen. Die Spannungsbögen werden sehr behutsam, dafür umso straffer gespannt. Da ist zum einen Terrys Leidensweg, psychisch und noch viel schlimmer, auch physisch, als ihr Traum vom Broadway zu platzen droht. Und dann im zweiten Teil, wenn sich das zuerst wunderbare Leben im Bramford-Haus zum unausweichlichen Alptraum entwickelt. Es gehört nicht viel dazu, die Handlung vorher zu sehen. Das Schicksal von Terry Gionoffrio erklärt sich sehr schnell. Aber entscheidend ist, wie James ihre Geschichte erzählt. Endlich einmal ein Film, der Jump Scares richtig gut und effektiv zu nutzen versteht, ohne das sie zum reinen Selbstzweck verkommen. Und James lässt ihre Figuren in allen Situationen natürlich, ohne ihnen die üblichen, unheilvollen Vorahnungen aufzuzwingen, welche die Spannung beeinflussen.

Absolut sehenswert wird der Film allerdings durch Julia Garner. Ihre unglaubliche Tiefe an Emotionalität und Spektrum im Ausdruck ist hypnotisierend. Wer sie bei OZARK und/oder INVENTING ANNA schätzen und lieben gelernt hat, würde hier eine teuflisch guten Sprung nach oben verpassen. Julia Garner macht aus dem nicht sehr überraschenden, aber solide und überdurchschnittlich inszenierten Spuk eine emotionale Achterbahnfahrt erster Güte. Allerdings ergibt sich für James‘ APARTMENT 7A ein durchaus höllisches Problem. Es ist ein Prequel zu Roman Polanskis ROSEMARY’S BABY.

Apartment 7A 1 - Copyright PARAMOUNT PICTURES

Was man heute als Klassiker bezeichnet, waren seinerzeit keine kalkulierten Erfolge. Schon der gesunde Menschenverstand diktiert, dass die Versuche scheitern müssen, solche Erfolge zu replizieren. Diesen Verstand gibt es bei Filmstudios ebenso wenig, wie bei einem gewissen Schlag von Filmemachern. Während OMENs Prequel DAS ERSTE OMEN noch mit ziemlich derben Knochenbrüchen davon kam, verstarb die Fortsetzung EXORZIST – BEGINNING bereits im Krankenwagen. Kann sich jemand daran erinnern, dass es sogar ein Prequel zu BUTCH CASSIDY & THE SUNDANCE KID gab? Ja, und eine Fortsetzung zu ROSEMARY’S BABY. Was diese sogenannten Klassiker in jener Zeit ausmachte, waren ihre individuell progressiven Ansätze. Und diese neuartigen Ansätze sind durch unzählige Epigonen zu abgedroschenen Klischees geworden, bevor ihre heutigen Sequels oder Prequels überhaupt in Produktionsphase gingen.

Bei ROSEMARY’S BABY gab es keine Erlösung von dem Bösen, dazu kam die ausufernde Paranoia, die den wuchernden Vietnamkrieg und die Kommunistenhatz reflektierte. Es war und ist eine Kombination, die heute reiner Unterhaltungsstandard geworden ist. Was Natalie Erika James in APARTMENT 7A versucht, und das nur leidlich, ist Stilmittel des aktuellen Horrorfilms mit einzubinden. Mit dem Wissen über die Prequel-Absicht und der Kenntnis über Roman Polanskis Film, wird das APARTMENT 7A zu einer losen Abfolge von vorhersehbaren Versatzstücken mit unveränderlichem Ausgang.

War bei ROSEMARY’S BABY das Bramford-Haus noch wie ein eigenständiger Organismus inszeniert, verzichtet James vollkommen auf die außergewöhnlichen Besonderheiten der Wohnanlage. Trotz seines Gebäude bezogenen Titels. Schlimmer noch, der Film nutzt eine wirklich schlecht am Computer nachgebesserte Aufnahme eines Überfluges aus dem Originalfilm. Während ein Apartment erstaunlich detailgetreu nachgebaut und dekoriert wurde, bleiben die meisten anderen Kulissen ohne Wiedererkennungseffekt zu 1968. Diese allein mögen nicht entscheidend sein, aber maßgeblich. Denn die Macher verlieren trotz strikter Handlungsvorgabe, auch in anderen Produktionsdetails immer wieder gerne den rechtfertigenden Bezug zum Klassiker. APARTMENT 7A ist kein ehrwürdiger Nachkomme von ROSEMARY’S BABY, der ja aus heutiger Sicht selbst inszenatorische Schwächen hat. Aber neben den Castevets ist in Apartment 7G Julia Garner eingezogen, und die sollte man unbedingt einmal mit dem Teufel tanzen gesehen haben.

Apartment 7A 2 - Copyright PARAMOUNT PICTURES

 

Darsteller: Julia Garner, Dianne Wiest, Kevin McNally, Jim Sturgess, Marli Siu, Rosy McEwen u.a.

Regie: Natalie Erika James
Drehbuch: Natalie Erika James, Christian White, Skylar James
Nach dem Roman von Ira Levin
Kamera: Arnau Valls Colomer
Bildschnitt: Andy Canny
Musik: Peter Gregson, Adam Price
Produktionsdesign: Simon Bowles
USA, Australien, Großbritannien / 2024
107 Minuten

Bildrechte: PARAMOUNT PICTURES
Dieser Beitrag wurde unter Allgemein, Im Fernsehen gesehen abgelegt und mit , , , , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Schreibe einen Kommentar