DROP
– Bundesstart 17.04.2025
– Release 09.04.2025 (US)
Die Mittdreißigerin Violet, verwitwet, Sohn Toby ist sechs, hat nach Jahren ihr erstes Date. Mit Fotograf Henry pflegte sie seit einiger Zeit eine Bekanntschaft via einer Dating-App, und jetzt werden sie sich im schicken Sky-Restaurant ‚Palate‘ zum ersten Mal treffen. Schwester Jen hütet diesen Abend Toby. Violet ist sehr nervös, was sich noch steigern wird – denn jemand beginnt ihr drohende Nachrichten auf das Smartphone zu senden. ‚Digi-Drop‘ ist eine Messenger-App, bei der man anonym Nachrichten an Smartphones absetzen kann, die sich im Radius von 17 Metern befinden. Violets mysteriöser Absender muss sich also ebenfalls im Restaurant befinden. Ihr Date Henry ist nett, zuvorkommend, schlichtweg kompatibel. Doch auch Henry könnte jener Absender sein, dessen ‚Drops‘ immer bedrohlicher und persönlicher werden. Der Übeltäter ist immer einen Schritt voraus, und droht mit der Ermordung von Toby und Jen, sollte Violet seinen Anweisungen nicht folgen.
Es hat einen Grund, den wir im späteren Verlauf auch erfahren, warum Violet als Beraterin für Opfer häuslicher Gewalt arbeitet. Auf subtile Weise ist auch „Drop“ eine vorsichtige Auseinandersetzung zum Thema dieser Form von Gewalt. Violet muss Qualen und Schrecken ertragen, in einer Umgebung voller Menschen, ohne sich jemanden anvertrauen zu können. Eine grausame Situation, aus der sie sich selbst befreien muss. Doch Christopher Landon tut in seiner Inszenierung gut daran, dies nicht nach außen zu kehren. Gerade in dieser unterschwelligen Form funktioniert das am besten, weil Landon so auch bewusst die Unterhaltung von der Seriosität häuslicher Gewalt trennt.
Es ist ein stellenweise atemberaubendes Katz-und-Maus-Spiel. Das Drehbuch haben die bisher, milde gesagt, weniger kunstfertigen Partner Jillian Jacobs und Christopher Roach verfasst. Aber letztendlich ist es Regisseur Landon, der das absurde Szenario mit viel Inspiration zu etwas Wertvollem macht. Denn man muss so ehrlich bleiben – „Drop“ ist in seiner Grundidee wirklich Nonsens. Doch Landon lässt keine Zeit zum Hinterfragen, und er reizt dabei die Spannungsmomente bis zum Äußersten aus. Wobei die Autoren immer wieder raffinierte Wege gefunden haben, für noch so absurde Situationen und Hindernisse plausible Auswege zu liefern. Manchmal passieren Dinge, die lange Zeit ungeklärt bleiben, und sich später mit raffiniertem Aha-Effekt durch andere Ereignisse entwirren. Die Prämisse mag abwegig sein, der Thriller ist perfekt.
Es ist nicht so, dass Meghann Fahy und Brandon Sklenar vor Chemie sprühen würden. Es kommt der Geschichte sogar entgegen, in der sich Violet und Henry das erste Mal wirklich begegnen und mustern. Sie mit „White Lotus“ und er mit „1923“ haben sich über Nacht als Größen im TV etabliert, und beweisen hier eine solide Leinwandpräsens, in der beide leicht einen Film anzuführen verstehen. Fahy in diesem Fall eindringlicher als Sklenar, aber zusammen geben sie der eher unwahrscheinlichen Geschichte echtes Leben. Violet schiebt nachvollziehbare Gründe vor, ihre permanente Nervosität ihm gegenüber zu erklären, der nichts von den Drop-Nachrichten erfahren darf. Und Henry bleibt schwer zu durchschauen, ob er ihrem Verhalten skeptisch gegenübersteht, oder seine abschätzende Art auf eine Beteiligung an dem erpresserischen Vorhaben erklären könnte.
Was diesen im wahrsten Sinne pulsierenden Thriller so effektiv und letztendlich auch sehenswert macht, ist seine direkte, unverfälschte Umsetzung. Der Regisseur lässt nichts zwischen der Geschichte und seinen Film kommen. Er will keine schlauen Kommentare abgeben, will nicht cleverer sein als andere, oder es jedem Recht machen. Selbst der hier zu Beginn erwähnte Querverweis wird einem nicht serviert, sondern muss man sich erarbeiten. „Drop“ ist eine starke Mischung aus Hitchcock und De Palma, stets fokussiert, spannungsgeladen und stilistisch auf den Punkt. Es gibt nicht viele Filme die einem auf eine Location beschränkten Dauerfeuer an Nervenkitzel halten können.
Es gibt immer wieder Szenen in denen man glaubt, der Regisseur überspannt die Geduld des einen oder anderen Protagonisten oder hätte die Glaubwürdigkeit gegenüber den Zuschauern in den Spannungsbögen überreizt. Und exakt an diesem Punkt macht Landon genau das Richtige, und führt das Publikum mit einer plausiblen Wendung in eine neue Richtung. Eigentlich ist Christopher Landon um einiges besser wenn er nach seinem eigenen Material arbeitet (siehe „Happy Death Day To You“ oder „Freaky“). Da fließt noch süffisanter, herrlich schwarzhumoriger Spaß mit ein, und genau das vermisst man bei „Drop“: eine leichte Brise an vielleicht sogar selbstreflektierenden Humor.
Besonders wenn man an den völlig aus dem Ruder laufenden Showdown denkt, der im Ablauf überhaupt keinen Sinn ergibt und dabei soweit über das erträgliche Maß hinausschießt, dass er den Film beinahe zu Fall bringt. Aber nur beinahe. Denn es bleibt das Element mit Marc Spicers reizvollen Hochglanzbildern, der die Räumlichkeiten effektiv zu nutzen, und mit stark akzentuierten Lichteffekten die Stimmung zu intensivieren weiß. Es bleiben immer noch zwei in Aussehen und Darstellung äußerst attraktive Darsteller. Und es bleiben 75 Minuten Spannungskino, die der absurden Prämisse so viel atemberaubende Momente abringen. Christopher Landon hat das Rad nicht neu erfunden, und ganz sicher nicht den besten Film des Genres inszeniert, aber „Drop“ überrascht und überzeugt mit einer fesselnden Eigenständigkeit.
Darsteller: Meghann Fahy, Brandon Sklenar, Violett Beane, Jacob Robinson, Reed Diamond u.a.
Regie: Christopher Landon
Drehbuch: Jillian Jacobs, Christopher Roach
Kamera: Marc Spicer
Bildschnitt: Ben Baudhuin
Musik: Bear McCreary
Produktionsdesign: Susie Cullen
USA / 2025
95 Minuten