DER GRAF VON MONTE CHRISTO

Comte Monte Cristo - Copyright CAPELIGHT PICTURESLE COMTE DE MONTE-CRISTO
– Bundesstart 23.01.2025
– Release 28.07.2024 ( FR)

Alexandre de La Patellière und Matthieu Delaporte, dass sind die Zwei, die DER VORNAME für die Bühne geschrieben haben. De La Patellièr und Delaport sind die, die ihr eigenes Bühnenstück DER VORNAME für die Leinwand adaptiert und gleich mit realisiert haben. Alexandre und Matthieu, dass sind die, die scheinbar nur im Doppelpack zu haben sind. Und dann sind sie auch am besten. Alexandre de La Patellière und Matthieu Delaporte haben erst ein Jahr vorher die gefühlt tausendste Verfilmung der DREI MUSKETIERE neu verfasst, und zwar im alten Stil. Frankreich ist im Angriffsmodus auf das Mainstream-Kino. So setzt das Autoren- und Regieduo kaum zwölf Monate später gleich mit einem weiteren Klassiker nach. Vielleicht sogar DER Klassiker, nicht nur in der französischen Literatur, sondern auch für die Geschichte im Abenteuerfilm. ‚Der Graf von Monte Christo‘ von Alexandre Dumas ist im weiten Sinne die Grundlage für fast alle Rachegeschichten.

Es ist 1815, die Zeit nach der französischen Revolution. Edmond Dantès wird zu einem der jüngsten Kapitäne in der französischen Handelsmarine ernannt. Und er heiratet seine geliebte Mercédès. Aber durch Missgunst, Neid und Eifersucht wird er durch ein Komplott vom Altar weg, auf der Gefängnisinsel Chateau d’If eingekerkert. Der Mitinsasse Abbé Faria bringt Edmond innerhalb der sechzehn Jahre Haft mehrere Sprachen bei, und erzählt ihm von einem unglaublichen Schatz auf der Insel Monte Christo. Als es Edmond gelingt zu fliehen, wird er nur noch von Rache getrieben. Mit dem Schatz von Monte Christo erschafft er sich eine neue Identität, erobert mit Charme und viel Überheblichkeit die Pariser Gesellschaft, und kann seine missgünstigen und machtversessenen Feinde sogar für sich gewinnen – nur um sie raffiniert ins Unglück zu stürzen.

Die letzten 128 Wort dürften wohl für die meisten hier Lesenden sehr viel Altbekanntes gewesen sein. Und de La Patellière und Delaporte, fortan nur noch ‚Kreativduo‘ genannt, richtet tatsächlich sein Drehbuch und die Inszenierung sehr würdig nach der prallenVorlage aus. Aber genauso ist es selbstverständlich, dass es dabei dramaturgische Abweichungen in Details gibt. Selbst bei einer für einen Abenteuerfilm ungewöhnlichen Laufzeit von fast drei Stunden, sind über tausend Romanseiten etwas viel, und dann ist Dumas‘ Werk auch noch 170 Jahre alt. Da muss man unbedingt ein wenig zeitgeistig nachbessern. Und dies gelingt dem Kreativduo außergewöhnlich gut.

Mit weit mehr als bereits 20 Verfilmungen, als Serie sowie TV- oder Kinofilm, glaubt man doch alle Variationen des Klassikers seien ausgeschöpft. Aber auch wenn es einige Elemente gibt, die dem aktuell modernen Kino entnommen sind, versucht diese Adaption erst gar nicht sich noch aktueller oder noch moderner zu geben. Paul W.S. Andersons katastrophaler Matrix-Steampunk-Fantasy-Mix bei den DREI MUSKETIEREN 2011 sollte warnendes Beispiel bleiben. Das Kreativduo geht mit diesem GRAF weit zurück, wie die beiden es ein Jahr vorher mit dem MUSKETIEREN getan haben, den allerdings Martin Bourboulon inszeniert hat. Es ist ein wagemutiger Abstecher in die alte Kinozeit, als Abenteuerfilme und Heldengeschichten noch ohne irrationale Spinnereien auskamen. Als Kinoepen noch mit großen Bildern berauschte, und von klar gezeichneten Figuren beflügelt wurde, und die Geschichte stets weit über der Form stand. Schlagende Säbel, tollkühne Action, starke Frauen, fiese Schurken, glühende Streiter für Gerechtigkeit, dramatische Handlungen. Da geht allen das Herz auf.

Comte Monte Christo 2 - Copyright JEROME PREBOIS

Den epischen Charakter haben die Macher atemberaubend gut aufgebaut. Auch wenn die Erzählung hinlänglich bekannt ist, nehmen einen die opulenten Bilder gefangen, jubelt man für den Helden, empfindet Verachtung für die Intriganten, und wartet auf ein Happy End. Und auch wenn Computer generierte oder unterstützte Bilder helfen, gibt es kaum eine Einstellung die nach visuellem Effekt aussieht. Durch und durch trägt der GRAF die Anmutung von fast schon perfekter Handarbeit. Das Produktionsniveau ist extrem hoch, der Aufwand einfach bestechend. Es gibt keine Sequenz die billig, oder improvisiert wirkt. Ob die Segelschiffe auf dem Meer, die malerischen Außeneinstellungen, die feudalen Interieurs. Aber zu keinem Zeitpunkt überreizt der Film seine opulente Optik.

Es gibt natürlich das ein oder andere Wehklage. Die Perfektion von Edmonds Masken wirft Fragen auf, oder die Superhelden-Anmutung des Grafen von Monte Christo. Es sind Kleinigkeiten die nicht ins Gewicht fallen, denn der gesamte Film ist in sich stimmig, weil alle Elemente hervorragend harmonieren. Bild, Schnitt, und Tempo bilden eine für Cineasten herzerwärmend fesselnde Einheit. Jérôme Rébotiers Musikuntermalung hätte weniger Max Richter vertragen, ist grundsätzlich aber effektiv. Einige Handlungselemente hätten durchaus mehr strukturelle Ausarbeitung verdient. Da bleibt zum Beispiel der Verbleib einer Schiffsflotte nur sehr unbefriedigend erklärt, und bei einigen Figuren von Grafs Verschwörung hätte etwas mehr Tiefe sehr gut getan. Doch bei einer bereits dreistündigen Laufzeit ist auch sorgfältige Abwägung notwendig.

Und weil das Kreativduo offensichtlich gut abzuschätzen versteht, wie ausschweifend oder zurückhaltend man einen klassisches Filmepos zu inszenieren hat, ist diese Adaption von DER GRAF VON MONTE CHRISTO auch verblüffend kurzweilig. Man braucht vielleicht etwas, um sich an den noch überraschend jung wirkenden Pierre Niney als Grafen mittleren Alters zu gewöhnen. Aber Niney versteht die Facetten des sehr komplexen Charakters durchweg glaubwürdig zu vermitteln. Ein Mann der sich immer mit dem Schrei nach Gerechtigkeit rechtfertigt, aber in Wahrheit von bloßer Rache getrieben wird. Ein Mann der zuerst dem Himmel auf Erden so nah ist, dann doch in den tiefsten Schlund der Verzweiflung gestoßen wird, und sich schließlich im Augenblick der Genugtuung selbst verliert. Wie selbstverständlich war das seinerzeit das Zeug zum Klassiker, und eine zu Recht gerne wiederholte Geschichte im Kino. Im Heute haben Alexandre de La Patellière und Matthieu Delaporte ein dramatisches Epos im unvergänglichen Stil einer nur scheinbar vergangenen Zeit gemacht. Und das macht unglaublich viel Spaß.

Comte Monte Cristo 1 - Copyright JEROME PREBOIS


Darsteller: Pierre Niney, Bastien Boullion, Anais Demoustier, Anamaria Vartolomei, Laurent Lafitte, Pierfrancesco Favino, Patrick Mille, Vassili Schneider, Julien De Saint Jean u.a.

Regie & Drehbuch: Alexandre de La Patellière & Matthieu Delaporte
Kamera: Nicolas Bolduc
Bildschnitt: Célia Lafitedupont, Sarah Ternat
Musik: Jérôme Rébotier
Produktionsdesign: Stéphane Taillasson
Frankreich, Belgien / 2024
178 Minuten

Bildrechte: CAPELIGHT PICTURES / JÉROME RÉPOTIER
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