BONHOEFFER

Bonhoeffer - (c) KINOSTAR Filmverleih– Bundesstart 13.03.2025
– Release 22.11.2024 (US)

Dieter Bonhoeffer war Theologe, Pastor und Widerstandskämpfer im Dritten Reich – falls jemand noch nie etwas von Dietrich Bonhoeffer gehört oder gelesen haben sollte. Und wenn es noch jemanden geben sollte, der von Bonhoeffer noch nichts wusste, kann mit der sehr kurzen, prägnanten Einleitung erahnen, dass dies wieder ein typischer Betroffenheitsfilm aus Deutschland sein wird. Das macht man hierzulande ja sehr gerne, weitgehend unbekannte Helden des Widerstandes zu finden, um irgendwie dem deutschen Film eine Rechtfertigung zu geben. Und schlimmer noch, deutsche Filmförderungen sind damit fast schon gesichert. Nur ist BONHOEFFER eine irisch-belgische Koproduktion des Amerikaners Todd Kormanicki. Was im Nachhinein den Betroffenheitscharakter nur noch schlimmer macht. Zumindest was die filmische Umsetzung betrifft. Die Produktion löste politische und intellektuelle Fehlinterpretationen aus, was an dieser Stelle aber außen vor bleibt, weil es die Bedeutung einer Rezension sprengen würde.

Dietrich wächst in einer behütenden Familie auf. Sein Bruder stirbt im großen Krieg. Er studiert in Amerika, und lernt nicht nur Theologie, sondern auch für fürs Leben. Der Umgang mit seinen schwarzen Kommilitonen ist für Dietrich eine erschreckende Erfahrung, und stärkt ihn für das, was ihn bei seiner Rückkehr 1933 in Deutschland erwartet. Zuerst unterstützt er die katholische Kirche in der Opposition des Regimes, die kurze Zeit später in den Untergrund des Widerstandes führt. Und weil der Name Bonhoeffer groß auf dem Plakat steht, bekommt man von der Figur und seiner Geschichte auch genau die Erwartungshaltung erfüllt. Und das ist in diesem Fall teilweise erschreckend hanebüchener Unsinn im Umgang mit den historischen Fakten.

Das versierte Publikum hat sich längst daran gewöhnt, dass für die dramaturgische Effizienz bei Filmen die Realität immer wieder etwas gebeugt werden muss. Und meistens ist es für das inhaltliche Verständnis auch von Vorteil. Aber im Fall von Todd Karminickis eigenem Drehbuch genügen kurze Blicke auf vertrauenswürdige Seiten (nicht die deutsche Wikipedia), um die faktischen Veränderungen fast schon grob fahrlässig zu bezeichnen. Die Absicht dahinter lässt sich nicht einmal vernünftig hinterfragen. Aber allein diese Realitätsverschiebungen, wie Dietrichs Erfahrungen in Amerika, oder seine glorifizierende letzte Szene, würden noch keinen schlechten Film machen – er ist es aber.

Bonhoeffer a - (c) KINOSTAR Filmverleih

Alles in BONHOEFFER ist groß. Besonders der Produktionsaufwand bei Kulissen und Ausstattung lässt staunen, der nach wesentlich mehr als nach den angegebenen 25 Millionen Dollar aussieht. Das gibt der Kamera von John Mathieson die Gelegenheit, verschwenderisch schwelgende Bilder zu zaubern. Diese Bilder erwecken allerdings den Eindruck von 60er-Jahre Melodramen, anstatt innerhalb des visuellen Bombastes die inhaltlich zeitgemäße Atmosphäre widerzuspiegeln. Von bedrohlicher Lage wird exzessiv gesprochen, aber nur selten wird sie in den Szenen konkret spürbar.

Groß sind auch die Dialoge. Nicht das Bonhoeffer-Darsteller Jonas Dassler nichts damit anfangen könnte. Dassler ist großartig und sehr intensiv in seinem Spiel. Das sind in auch Nadine Heidenreich und Moritz Bleibtreu als Elternpaar, oder Flula Borg als Widerstandsführer, eigentlich das gesamte Ensemble. Aber jeder Satz in Kormanickis Buch trieft vor schwerer Bedeutung. Entweder aufdringlich geformte Metaphern, oder pathetisch überhöhte Losungen. Und die Schauspieler tragen das auch genau in diesem pastoralen Duktus vor. Nichts ist subtil in dem was die Figuren umtreibt, oder sie ausdrücken möchten. Der Regisseur definiert seine Figuren auch über ihre großen Worte, und nur extrem selten gewährt er ihnen rein spielerischen Freiraum.

Groß sind auch alle Gesten mit denen Kormanicki seine Geschichte erzählt. Ausnahmslos alle Nazis sind am Schreien und Beleidigen. Jeder Widerständler trägt aufdringlich seine Grundsätze vor sich her, und bleibt tapfer. Die Unsicheren und Ängstlichen sind im ständigen Stadium der Betroffenheit. Und das soll jetzt nicht abwertend gegenüber der Person Marc Bessant gemeint sein, aber sein kurzer Auftritt als Hitler stellt den Führer als Schreckgespenst der Welt eher infrage. Im Grunde ist einfach zu viel in der Inszenierung von Todd Kormanickis BONHOEFFER fragwürdig. Hier stellt sich das ganz groß gedachte Kino mit seinem überbordenden Ballast immer wieder selbst ein Bein – um sich dafür auch noch rücksichtslos von den historischen Fakten abzuwenden.

Bonhoeffer b - (c) KINOSTAR Filmverleih


Darsteller: Jonas Dassler, August Diehl, Flula Borg, Greg Kolpakchi, Moritz Bleibtreu, Nadine Heidenreich, David Jonsson u.a.

Regie & Drehbuch: Todd Komarnicki
Kamera: John Mathieson
Bildschnitt: Blu Murray
Musik: Gabriel Ferreira, Antonio Pinto
Produktionsdesign: John Beard
Belgien, Irland / 2024
133 Minuten

Bildrechte: KINOSTAR FILMVERLEIH
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