– Bundesstart 02.01.2025
– Release 26.12.2024 (DK)
Preview 31.12.2024, Cineplex, Fürth
In den aufgezeichneten Vorgesprächen zwischen Filmemacher Michael Gracey und Robbie Williams, bemerkte der Sänger, im Übrigen nicht das erste Mal, dass er sich auf der Bühne immer wie ein dressierter Affe fühlen würde, weil er sich gegenüber seiner Mitstreiter immer „weniger entwickelt“ sah. Für Gracey der Anlass, Williams den ultimativen Vorschlag anzutragen. Und damit ist der Elefant aus dem Raum, warum die ohnehin exzentrische Williams sich von einer Computer generierten Affenfigur darstellen lässt. Eine der gewagtesten, künstlerischen Entscheidungen im Mainstream-Kino seit sehr langer Zeit. Und gleichsam die Gelungenste. Letztendlich ist es auch das tragende Element in BETTER MAN. In jedem Entwicklungsstadium seiner Karriere, wird Williams von früheren Inkarnationen seiner selbst heimgesucht. Die Dämonen von Selbstüberschätzung und Versagensängsten treiben ihn immer weiter. Damit gelingt Michael Gracey das Kunststück, die zwei wesentlichsten Aspekte aus Williams bisherigem Leben zeitgleich zu erzählen.
Da ist zum einem, wie sich der Sänger selbst wahrnimmt. Und zum anderen, wie Robbie Williams von Familie, Freunden, Mitstreitern, und Fans gesehen wird. Denn innerhalb der Handlung bleibt das Äußere des aufstrebenden Künstlers ohne Belang. Und an dieser Stelle sollte dem Rezensenten soweit Glauben geschenkt werden, dass es keine fünf Minuten braucht, bis man die Gestalt des Schimpansen nicht nur akzeptiert, sondern diese nicht einmal mehr als ungewöhnlich wahrnimmt. Allerdings im Unterbewussten, da funktioniert die Wahrnehmung dann doch etwas anders. Doch, Hand aufs Herz, welche notorischen Kinobesuchende können überhaupt noch Musik-Biografien ertragen.
Schon seit Jahrzehnten ist es immer und immer wieder die gleiche Formel an längst ausgedienten Versatzstücken. Der Traum, die Chance, der Erfolg, die große Liebe, der Absturz, Verlust der Liebe, die Drogen, die wahre Liebe, die Läuterung, der Triumph. Und dazwischen ebenfalls unzählig wiederholte, kleine Klischees in den Charakterzeichnungen. Mag ja sein, dass wirklich alle künstlerischen Ikonen, allesamt den gleichen Werdegang durchlaufen haben. Zufälle soll es ja geben. Letztendlich ist es aber die Einfallslosigkeit der Produzenten, welche die immer gleiche, ermüdende Formel einfordern.
Genau diesen alten ausgetretenen Pfad geht auch Michael Gracey, mit allen erdenklichen, klischeehaften Details. Und es ist großartig. Robert Peter ‚Robbie‘ Williams‘ Jugend, die Beziehung zu seiner Familie, speziell dem abwesenden Vater, der Traum als Sänger erfolgreich zu werden, die Zeit mit Take That, die Zeit mit Drogen, die Zeit als Solo-Künstler, die Zeit des ganz großen Erfolgs. Gracey erzählt chronologisch, und das mit einer unglaublich fesselnden Energie. Sein bester Freund ist dabei Erik Wilson, dessen Kamera nie stillsteht, aber dennoch exakt die Situationen zu akzentuieren versteht. Close-ups und Totale geben sich immer zum richtigen Zeitpunkt die Linse in die Hand. Gracey weiß zu inszenieren, und Wilson versteht es entsprechend atmosphärisch umzusetzen.
Extrem beeindruckend sind zwei Musical-Nummern (‚Rock DJ‘ und ‚She’s the One‘) die (vermeintlich) in einer einzigen Einstellung gedreht sind. Bei zum Duett umarrangierten ‚She’s the One‘ tanzt Robbie (Jonno Davies) mit seiner zukünftigen Freundin Nicole Appleton (Raechelle Banno) in goldenes Licht getaucht über das Heck einer Luxusyacht. Und in ihren extrem langen Einstellungen wirkt die phänomenale Tanzchoreografie noch viel überwältigender. Die inszenatorische Krönung ist allerdings die Regent-Street-Tanzsequenz, in der mit hunderten von Statisten, Williams‘ ganze Ära des Erfolgs mit Take That abgedeckt wird. Inklusive Wechsel in alle Kostüme ihrer jeweiligen Auftritte, und ihren ikonischen Poster-Posen. Genau so würde Busby Berkeley das sehen wollen. Getanzt wird aber zu Williams‘ Solo-Hit ‚Rock DJ‘. In Choreografie, Aufwand, bildlicher Umsetzung, und Dynamik ist dies Rock-Musical aller ersten Güte.
Das die visuellen Effekte schlichtweg perfekt sind, steht außer Frage. Es gibt nicht eine Aufnahme in der man das Computer generierte Alter Ego des Hauptdarstellers in Frage stellt. Ohnehin stellt man den Schimpansen als solchen, in kürzester Zeit nicht mehr in Frage. Jonno Davies hat hier als Motion-Capture-Double makellose Arbeit geleistet, und Williams in Körpersprache und Mimik perfekt vertreten. Gesprochen hat der Sänger selbst, und die meisten kommentierenden Off-Kommentare stammen sogar original aus den anfänglich erwähnten Gesprächen zwischen Regisseur und Künstler.
Zimperlich geht Robbie Williams mit sich selbst nicht um. Warum auch, die meisten seiner Eskapaden geschahen sowieso in der Öffentlichkeit. Durch sein verfälschtes Alter Ego werden Drogenexzesse und Frauengeschichte dann doch etwas abgemildert. Dem steht gegenüber, dass die Musik- und Erfolgsnummern durch die Schimpansen Gestalt umso energetischer Wirken. Es ist die Geschichte eines Mannes, welche durch seine Musik und in Musical-Form erzählt wird, mit dem größtmöglichen Effekt an Unterhaltung. In der zweiten Hälfte hätte sich Michael Gracey mit den Drogenexzessen durchaus kürzer fassen können. Sie bringen im Grunde kaum spezifische Besonderheiten auf die Person mit sich, und der Ausgang dürfte letztendlich ohnehin jedem bekannt sein.
Warum also, sollte man sich diese schon seit Jahrzehnten immer und immer wieder gleiche Formel an ausgedienten Versatzstücken antun? Weil BETTER MAN ein riesiger Spaß geworden ist. Weil er in seiner verfälschten Form doch irgendwie sehr ehrlich wurde. Weil er nur aus der Sicht seines Protagonisten erzählt, und seinem Umfeld keine Interpretationen von Gedanken und Gefühlen andichtet. Und weil von Michael Gracey das Konzept mit unerschütterlicher Konsequenz durchgezogen wird, bis zum grandios bewegenden Finale. Am Ende ist der Affe doch der BESSERE MANN.
Darsteller: Jonno Davies, Robbie Williams, Steve Pemberton, Alison Steadman, Kate Mulvany, Damon Herriman. Raechelle Banno, Tom Busge u.a.
Regie: Michael Gracey
Drehbuch: Michael Gracey, Simon Gleeson, Oliver Cole
Kamera: Erik Wilson
Bildschnitt: Martin Connor, Jeff Groth, Lee Smith, Spencer Susser
Musik: Batu Sener
Produktionsdesign: Joel Chang
Großbritannien, Frankreich, USA, Australien, China
2024
134 Minuten