WOODWALKERS
– Release 25.10.2024 (world)
Nur weil es vor 60 Jahren funktioniert hat, in Amerika angesiedelte Geschichten in Europa mit deutscher Crew zu verfilmen, bedeutet das nicht, dies heute noch tun zu dürfen. Kein Zweifel, dass die Tiroler Berglandschaft als Wyoming verkauft werden kann, wie Jugoslawien für Winnetous amerikanische Prärie. Wobei Botaniker ihre Schwierigkeiten mit einigen Baumarten haben dürften. Wäre aber dies das Problem von Damien John Harpers WOODWALKERS, könnte man lächelnd darüber hinwegsehen. Damien John Harpers WOODWALKERS ist Paradebeispiel, warum die staatliche Filmförderung unablässig zu Recht in Frage gestellt wird, und Grund, warum diese Kritik nicht abreißen wird. Herausgekommen ist ein Film der in den meisten Belangen geradeheraus schlecht ist, und die positiven Punkte durch die negativen schlecht gemacht werden.
Schlecht, wie Peter Krauses durchweg solide und ansehnliche Kameraarbeit. Krause ist sichtlich daran interessiert, für die Settings und den Fantasy-Aspekt eine angemessene Bildführung zu finden. Doch der Mann hinter der Kamera bekommt einfach nichts, mit dem er arbeiten könnte. Im Gegenteil, die standardmäßigen Landschaftsüberflüge, werden von grauenhaft simplen Off-Dialogen übertüncht. Es ist Carag, der hier noch als Puma mit Vater, Mutter und Schwester durch die Wälder von Wyoming streift. Simple Tieraufnahmen, über die der Ton einer normalen Unterhaltung gelegt ist.
Carag wird bald Jay heißen, weil er Gestaltwandler ist, bei den Menschen vorbeischaut und beschließt, als solcher auch bei ihnen zu bleiben. Seine Ziehfamilie weiß nichts von seinem Doppelleben, aber im sozialen Umgang tut er sich schwer. Aus diesem Grund darf er schließlich im besten Pubertätsalter eine Schule für ‚besondere Kinder‘ in der Abgeschiedenheit der Wildnis besuchen. Eine Schule nur für Gestaltwandler, die sich eigentlich Woodwalkers nennen. Das ganze Szenario hat viel von X-MEN, und noch viel mehr von HARRY POTTER. Das wäre in Ordnung wenn es seinen eigenen Charme entwickeln würde, und das tun Katja Brandis‘ Bücher vielleicht auch. Doch es ist nicht die Qualität der Geschichten von Katja Brandis, mit denen WOODWALKERS kämpft, auch wenn der Ausstoß von 24 Bücher in 8 Jahren durchaus Fragen aufwirft.
Den Jungdarstellern schauspielerisches Unvermögen vorzuwerfen wäre sehr leicht, wirklich beurteilen lässt sich das aber nicht. Da ist noch Martina Gedeck als Schulleiterin in Menschenform, und als Woodwalker ein Weißkopfseeadler, oder Oliver Masucci als Carags obskurer Mentor, der ebenfalls ein Puma sein kann. Die Dialoge der gewürdigten Profis klingen wie die ihrer jungen Hauptdarsteller. Gekünstelt, unnatürlich, und auch unangemessen, als ob die Schauspieler im Laientheater für ein ganz anderes Stück proben würden. Selbst im deutschen Vorabendprogramm hört man nicht solch gezwungene Dialoge. Von der hölzernen Darstellung aller Beteiligten gar nicht zu reden.
Das deutsche Vorabendprogramm hat sicherlich seine Berechtigung, WOODWALKERS hätte sie nicht einmal dort. Damian John Harper zeigt keinerlei Interesse an seinen Darsteller, zeigt keine Inspiration für das Fantastische, und fehlt jedes Gespür für Inszenierung. Bei den Interaktionen ist jedwede Form von Natürlichkeit einfach nicht vorhanden. Und das Schlimmste, all die amerikanischen Charaktere sprechen ‚Deutsch‘, in generischer und spezifischer Ausdrucksweise. Die Handlung spielt der Romanvorlage geschuldet in Amerika. Aber warum, bleibt ein absolutes Rätsel. Denn es sind keinerlei Ambitionen zu hören oder zu sehen, dem Film in irgendeiner gearteten Weise eine zumindest internationale Atmosphäre zu geben. Und auch nicht die vollkommen unterforderten Darsteller in irgendeine dahingehende Richtung zu führen.
Laut Pressetext würde das Drehbuch die ersten zwei Romane adaptieren. Und genauso peitscht der Film eine sehr dünne Handlung sehr überhastet voran. Carag findet schnell zwei Freunde. Carag bekommt sehr schnell Ärger mit den Schul-Bullys (allesamt Woodwalker-Wölfe). Carag verbündet sich mit dem von bösen Absichten gegen die Menschen getriebenen Mentor. Zeit für Entwicklung der Figuren gibt es keine, mit hartem Szenenwechsel wird man wird immer in den nächsten Handlungsteil geworfen. Einen Spannungsaufbau gelingt dem Regisseur nicht, dafür inszeniert er den Showdown unspektakulär und billig in alle Richtungen, in Aufwand und Ausführung. Es ist ein Füllkrug von guten und interessanten Möglichkeiten, der nicht genutzt wird.
Die visuelle Tricktechnik ist nicht auf dem höchsten Stand, macht aber aus der Not eine Tugend. Die eigentlichen Verwandlungen von Mensch zu Tier, oder umgekehrt, werden meist über Schnitt und/oder über Staubwolken gelöst. Für einen Fantasy-Film bietet WOODWALKERS allerdings keinerlei Magie, weder in Optik noch Figuren, um als solcher überhaupt funktionieren zu können. 14 österreichische und bundesdeutsche Förderstellen werden im Titelvorspann genannt. Vielleicht gibt es irgendwo einen Masterplan, mit deutschen Kinder- und Jugendfilmen das Zielpublikum einfältig zu halten. Was natürlich rhetorische Polemik ist. Doch WOODWALKERS gibt einem wirklich das Gefühl, auf den Arm genommen zu werden. Er nimmt sein Publikum schlichtweg nicht ernst. Er gesteht seinem Publikum keinerlei Anspruch zu. Er verkauft es mit Dilettantismus für dumm. Das ist einem seinerzeit mit Pierre Brice und Lex Barker wirklich nicht passiert.
Darsteller: Emil Chérif, Lilli Falk, Johan von Ehrlich, Sophie Lelenta, Martina Gedeck, Oliver Masucci, Hannah Herzsprung u.a.
Regie: Damian John Harper
Drehbuch: David Sandreuther
Nach den Büchern von Katja Brandis
Kamera: Peter Krause
Bildschnitt: Stefan Essl
Musik: Anne-Kathrin Dern
Produktionsdesign: Maximilian Lange
Deutschland, Österreich / 2024
103 Minuten