T R A P
– Bundesstart 01.08.2024 (world)
Immer wieder schafft es Filmemacher M. Night Shyamalan sein begieriges Publikum zu überraschen. Mal mit überragendem Erfolg, mal mit einer Tendenz zur Unzufriedenheit. Seine jüngste Fantasie macht da keine Ausnahme, sie ist eine wirkliche Überraschung. Was auf einen zukommt weiß jeder der den Trailer gesehen hat. Das Marketing machte keinen Hehl daraus, und ein kundiges Publikum wusste auch sofort, dass dies der Kniff sein muss. Das Spiel mit dem Offensichtlichen wird zu einer Art Katalysator. Bei einem Konzert des Pop-Superstars Lady Raven, sperren Polizei und FBI die Konzerthalle hermetisch ab. Es ist eine gigantische Falle für den ‚Butcher‘, der sich einigen Hinweisen nach bei Lady Ravens Konzert befinden soll. Der ‚Butcher‘ ist ein zwölffacher Serienmörder, der seine Opfer zerstückelt, und die Teile auf Spielplätzen verstreut.
Als treusorgender Vater, begleitet Cooper seine vierzehnjährige Tochter und euphorischen Lady Raven-Fan Riley zum Konzert. Die ausgelassene Stimmung beginnt aber bei Cooper zu kippen, als ihm die unverhältnismäßige Polizeipräsenz auffällt. Denn – Trommelwirbel – der eigentlich liebevolle Vater ist der bestialische Schlächter. Shyamalan spielt zu Anfang erstaunlich geschickt mit dem bereits bekannten Wissen um Coopers Identität. Er versucht erst gar nicht, etwas anders vorzugaukeln. Was der Regisseur in den ersten Minuten glänzend aufbaut, ist das moralische Dilemma für das Publikum. Darf man sich auf die Seite des Bösen schlagen? Es ist zumindest die Absicht des Films.
Für einige Zeit erreicht Shyamalan auch sein Ziel. Während der Saal durch Lady Ravens Auftritt am kochen ist, muss Cooper austüfteln, wie er dem Großaufgebot an Sonderkommando entwischen kann. Wäre der ‚Butcher‘ nicht ein derartiges Monster, könnte man es ein Schelmenstück nennen, wie sich Cooper mit Tricks und Raffinesse immer wieder dem Zugriff zu entziehen versteht. Allerdings macht das Shyamalan mit absurden Tricks und ohne Raffinesse. Der Autorenfilmer hat selbst bekundet, dass TRAP sein bisher am schnellsten geschriebenes Drehbuch sei. Leider macht auch der Film mit jeder Minute den Eindruck eines kaum durchdachten Schnellschusses.
Bei Filmen dieser Art, vor allem in dieser Größenordnung, sollte man erwarten können, dass der Gejagte mit fintenreicher Spontanität und innovativer Finesse immer wieder dem Netz der Häscher entwischt. Aber Shyamalan bereitet seinem erwartungsvollen Publikum ausschließlich absurde Zufälle, die in ihrer ungelenk konstruierten Form einfach nur hanebüchenen Unsinn ergeben. Schlimmstes Beispiel ist der T-Shirt-Verkäufer, der aus unerfindlichen Gründen über alle Vorgänge des FBI informiert ist, und bereitwillig das Plaudern anfängt. Die erste Stunde mäandert so von einem ärgerlichen Punkt zum nächsten, was keine Spannung sondern lediglich Kopfschütteln erzeugt.
Für einen frei produzierten Film sieht das Produktionsdesign überraschend gut und glaubwürdig aus. Die Bühne inklusive der von Lady Raven gebotenen Show hat den realistischen Anstrich aktueller Konzerte in diesem Musikgenre. Und die Kamera vermittelt stets die Atmosphäre eines prall gefüllten Stadions. Lediglich bei dem Blick auf die Bühne fixiert sich Sayombhu Mukdeeprom mit der Kamera zu sehr auf die Videoleinwände, anstatt auf Seleka Shyamalans persönliche Präsenz und Können. Jawohl, die Tochter des Regisseurs hat mit 14 Songs eine Art Soundtrack zum Film beigetragen, die sich tatsächlich hören und mit der Performance gut sehen lassen können.
Was dem Regisseur in Bezug auf seine selbst ernannte ‚Mischung von SCHWEIGEN DER LÄMMER und Taylor Swift Konzert‘ angeht, schafft es Shyamalan nicht, eine authentische Stadion- und Konzertsituation zu generieren. Alles was während des Auftritts von Lady Raven passiert erlebt man in dieser Weise nicht auf einem realen Konzert. Volle Außenbereiche während der Show, ungesicherte Bühnenelemente und Doppelböden im Zuschauerraum, ein leerer Backstage-Bereich. Es mag die Welt von M. Night Shyamalan sein, aber sie fühlt sich keineswegs echt oder glaubwürdig an. Und damit verliert auch Josh Harnetts intensives Spiel zwischen Vaterrolle und Psychopathen.
Dabei sind Hartnett und Ariel Donoghue ein fantastisches Vater-Tochter-Gespann. Sie als hysterischer Fan. Er beim Scheitern im Versuch jugendlich zu wirken. Die Dynamik stimmt, nur ihr Umfeld nicht. In seiner augenblicklichen Schaffensphase ist Shyamalan bereits bei KNOCK AT THE CABIN von der 180 Grad Überraschungswende wieder abgekommen. Aber die Erwartung ist ein ständiger Begleiter beim Publikum, und in Anbetracht der ersten, mit absonderlichen Zufällen prall gefüllten sechzig Minuten, liegt die Hoffnung einfach auf einer alles erklärenden Wendung. Aber was diese erste Stunde an Unvermögen offenbarte, schaffen die letzten 40 Minuten zu übertreffen.
Insgesamt dreht sich die Handlung vier Mal in eine neue Richtung, was sicherlich als Überraschung angedacht war, aber lediglich überraschend vorhersehbar ist. Aus dem anfänglichen Katz und Maus-Thriller hätte sich ein tiefenpsychologisches Profil eines kranken Soziopathen entwickeln können. Nichts davon funktioniert, oder es war vielleicht auch gar nicht angedacht. Es lässt sich nicht wirklich beurteilen, weil man in dem ewig ausgedehnten Showdown mit seinen vermeintlichen Wendungen ständig von unlogischen Eskapaden abgelenkt wird, die einem als Spannungsmomente vorgeführt werden. Immer wieder entkommt Cooper seinen Häschern, selbst aus sicherem Gewahrsam.
Wie Cooper in der zweiten Hälfte die Ordnungshüter immer wieder austrickst, bleibt die Inszenierung schuldig. Egal wie sehr man sich selbst um eine Erklärung bemüht. Vielleicht hat ja M. Night Shyamalan mit TRAP einen Kommentar auf das längst ausgereizte Genre des psychologischen Horror und Thriller beabsichtig. Aber selbst als ein solcher Versuch würde der Film nicht funktionieren. Es ist kein gutes Jahr für die Familie Shyamalan. Am Anfang von TRAP kann man noch einen Verweis auf Tochter Ishanas Regiebemühungen THE WATCHERS erhaschen, der an seinen eigenen Ambitionen scheiterte. Und Saleka überzeugt bei TRAP als Songwriter und Performer. Wenn es aber in der zweiten Hälfte ums schauspielern geht, tut sie weder sich selbst noch dem Film einen Gefallen. Und als spannungsverliebter Cineast hätte man dem Vater doch wieder einmal einen richtig diskussionswürdigen Geniestreich gewünscht. Es gibt einige wirklich geniale Einfälle, die aber nur umso schmerzlicher vor Augen führen was mit TRAP nicht stimmt.
Darsteller: Josh Harnett, Ariel Donoghue, Alison Pill, Saleka Shyamalan, Hayley Mills u.a.
Regie & Drehbuch: M. Night Shyamalan
Kamera: Sayombhu Mukdeeprom
Bildschnitt: Noemi Katharina Preiswerk
Musik: Herdís Stefánsdóttir
Produktionsdesign: Debbie DeVilla
USA, Jemen, Großbritannien / 2024
105 Minuten