TO THE MOON

Fly Me To The Moon - Copyright CTMGFLY ME TO THE MOON
– Bundesstart 11.07.2024
– Release 05.07.24 (US limited)

Wer eine wirklich gute Mockumentary über eine in einem Filmstudio inszenierte Mondlandung sehen will, dem sei unbedingt William Karels KUBRICK, NIXON UND DER MANN IM MOND empfohlen. Karels Film ist großartig, doch ihm fehlt, was Greg Berlantis viertes Filmregie-Outing TO THE MOON bietet: Ein starkes homogenes Ensemble, Romantik im Überfluss, eine nicht nur stimmige, sondern auch relevante Geschichte, und eine mitreißende, Sechzigerjahre Filmästhetik. Jeder Punkt für sich einfach wundervoll, aber keiner überlagert den anderen. Berlanti hält alle Sequenzen zueinander perfekt in der Waage. Aber vor allem geht TO THE MOON vehement, und auch plausibel, gegen eine Geschichte vor, aus der Karels Mockumentary befeuert wird. Channing Tatum und Scarlett Johansson beweisen, dass die Landung von Apollo 11 trotz der Gefahr von politischen Imageverlusten, allein aus Gründen der persönlichen und patriotischen Ehre keine Fälschung sein durfte. Und aus Gründen von Respekt und Liebe.

TO THE MOON ist kein Historienfilm, sondern zuerst einmal eine romantische Komödie. Aber eine die sich viel tiefer auf dem Feld der wahren Begebenheiten bewegt, als auf den erfundenen Handlungselementen. Der Film wird somit auch zu einem wundervollen Rätselspaß, der dazu animiert nach dem Film die Online-Enzyklopädien zu bemühen. Der Held ist Colin Davis, das filmische Alter-Ego des legendären NASA Flight Directors Deke Slayton. Aus Respekt ändert sich hier der Titel zum fiktiven Launch Director. Channing Tatum spielt seinen Davis mit derselben zurückhaltenden Stärke, wie andere Schauspieler den realen Deke Slayton in THE RIGHT STUFF oder FROM THE EARTH TO THE MOON darstellen. Der fiktive Held wird zur tiefen Verbeugung vor der realen Figur.

Marketing-Chefin Kelly Jones ist auch eine fiktive Person, die aber die seinerzeit unzähligen, realen Marketing-Experten in ihrer Figur bündelt. Und gespielt von einer mitreißenden Scarlett Johansson, vereint diese Kelly Jones auf sich auch alle erdenklichen Charakterzüge von Werbefachleuten. Sie übertreibt, sie betrügt, sie ignoriert, und sie weiß ihre physischen Eigenschaften zu nutzen. Es ist die perfekte Filmpaarung. Kelly will die Bevölkerung hinter das Apollo-Programm, und Colin seine Mannschaft auf den Mond bringen. Natürlich kommen sie sich dabei mit ihren Grundsätzen in die Quere. In den Sechzigern hätten Rock Hudson und Doris Day diese Rollen gespielt. Und Ray Romanos Part von Colins Stellvertreter wäre von Tony Randall übernommen worden.

Allein das Buch von Rose Gilroy, nach einer Story von Keenan Flynn und Bill Kirstein, ist schon einmal eine großartige Hommage an die romantischen Komödien der Sechziger. Mit viel Gespür fürs Detail, setzt Regisseur Greg Berlanti diese Geschichte tatsächlich im Stil und der Atmosphäre damaliger Komödien um, mit reflektierenden Sichtweisen aus dem Heute. Der Film macht nicht den Fehler eine heile Welt zu propagieren. Die Tragödie um Apollo 1 nimmt einen wichtigen Stellenwert ein, und der Vietnamkrieg ist genauso Thema, wie der allgemeine Groll gegen Nixon. Das alles wird aber nie leichtfertig abgehandelt, obwohl der Präsident sogar die tiefsinnigsten Pointen generiert. Die negativen Einflüsse bleiben wichtige Elemente, den realen Hintergrund zu untermauern.

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Natürlich nähern sich Colin und Kelly einander an, finden sich attraktiv, und können manchmal über den jeweiligen Starrsinn des anderen hinwegsehen. Und natürlich überwerfen sie sich. Und genauso natürlich finden sie wieder zusammen, wenn sie gegen einen gemeinsamen Feind vorgehen müssen. Denn die Regierung will aus Angst vor einem Fehlschlag, die Live-Übertragung des Mondspaziergangs von Kelly in einem sicheren Filmstudio inszenieren lassen. Als mysteriöser Regierungsagent, der die Inszenierung in die Wege leitet, ist Woody Harrelson wieder einmal erfrischend losgelöst. Aber Harrelsons Agentenfigur fügt sich nicht wirklich in das harmonische Gefüge des Ensembles, welches diese in sich geschlossene Filmwelt glaubwürdig und mitnehmend gestaltet.

Wobei es Harrelson ist, welcher mit der Bemerkung des ‚perfekten Fehlschlags‘ die Mission von Apollo 13 zitiert, und damit ebenfalls einen Bogen zu dem gesamten Apollo-Programm spannt. Es ist ein Film mit geschliffenen Dialogen, die stets relevant und von Bedeutung sind, ohne belanglose Füllsätze. Besonders Tatum und Johansson erreichen hier im Schlagabtausch eine unglaubliche Dynamik. Ohne dabei an Tempo zu verlieren, schaltet Berlanti ab und an einen Gang zurück, um mit ruhigeren Momenten die Bedeutung der Jobs und jeder einzelnen Person hervorzuheben. Wenn es um Hingabe oder Aufopferung für die Mission und für das Land geht, ist das nie sentimental oder dick aufgetragen. Jeder Darsteller glänzt hier mit wahrhafter Natürlichkeit.

Romantische Komödien sind das wahre Kernstück kinematographischer Kultur. Aber selten ist es einem Film so erstaunlich gut gelungen, all seine Themen derart schlüssig zusammenzubringen. Streng bedacht, dass keines seiner Anliegen unter dem anderen zurückstecken muss. Johansson und Tatum sind ein Paar, das man einfach sehr gerne sieht, weil ihre durch die Figuren getragene Chemie einfach stimmt. Das sie sich am Ende kriegen werden ist selbstverständlich. Aber man will jeden Moment davon erleben und mitfiebern, wie das passiert. Der nostalgische Touch ist in jeder Sequenz führend, trotz oder gerade mit dem Einsatz modernster Mittel des Filmschaffens. Keiner der makellosen Visuellen Effekte erweckt den Eindruck eines künstlich erzeugten Bildes.

Es überzeugt die beeindruckende Illusion realer, zeitgenössischer Aufnahmen. Dennoch vermittelt Dariusz Wolski (mit Cameo als Beleuchter) mit der Kamera auch fantastisch die atemberaubende Monumentalität der Raketenfertigung und das Umfeld von Cape Canaveral. Und es überzeugt das inhaltliche Anliegen, gegen den Mythos einer gefälschten Mondlandung anzugehen. Natürlich ist das durch Rose Gilroys Drehbuch so vorgegeben, aber es ist Regisseur Greg Berlanti, der das mit Verzicht auf jede Form von Pathos inszeniert. Intensität in jeder Form, aber ohne überzogene Euphorie. Bei einem Essen muss Colin Davis einen Senator von der weiteren Finanzierung des Programms überzeugen. Zuerst glaubt man, dass Colin gegen seine Art mit Kellys manipulativen Tricks argumentieren wird. Aber Channing Tatum macht seinen Monolog mit eindringlicher Leidenschaft zu einem atemberaubenden Plädoyer für die Mission, für das Land, und für die Menschheit. Ein Moment der sogar die größten Zweifler im Publikum überzeugen kann. Großartige Geschichte, grandiose Darsteller, sensationelle Regie. Und ein unablässig kluger Humor. Der Adler ist gelandet… und Katze Mischief.

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Darsteller: Scarlett Johansson, Channing Tatum, Woody Harrelson, Colin Jost, Jim Rash, Ray Romano und Mischief u.a.
Regie: Greg Berlanti
Drehbuch: Rose Gilroy
Story: Keenan Flynn, Bill Kirstein
Kamera: Dariusz Wolski
Bildschnitt: Harry Jierjian
Musik: Daniel Pemberton
Produktionsdesign: Shane Valentino
USA / 2024
132 Minuten

Bildrechte: CTMG / SONY PICTURES
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