Nominiert für einen Oscar in der Kategorie Kurzfilm-Dokumentation
– Release 08.11.2023 Disney+
„Wenn ein Instrument kaputt geht, wäre da ein Schüler ohne Instrument… Nein, nein, nein. Nicht in unserer Stadt“,
sagt Steve Bagmanyan, Leiter des Repair Shops von L.A.U.S.D., den Los Angeles Unified School Districts. Ein Mann der uns seine bewegende Geschichte erzählt, die ihn schließlich hierhin geführt hatte. Ben Proudfoot und Kris Bowers zeigen in ihrem Film nicht, wie Musikinstrumente repariert werden. Es gibt viele beeindruckende Aufnahmen, bei denen wir diesen Instrumenten sehr nahe kommen, und manchmal auch tief in ihr Innerstes blicken dürfen. Aber den beiden Filmemacher ist nicht an den Techniken der Handwerkskunst gelegen, sondern was die Hingabe an diese Künste für beide Seiten bedeutet. Für den Instrumentenbauer und den Musikschüler. Vier Schüler erzählen über den Effekt des Musizierens auf ihr Leben, und vier Handwerker von ihren steinigen, oft tragischen Wegen, wo am Ende das Schicksal zur Berufung wurde.
In vergangenen Zeiten haben Schulbezirken in ganz Amerika für weniger begütete Schüler kostenlos Instrumente zur Verfügung gestellt. Los Angeles ist die letzte verbleibende Stadt, die dieser relevanten Fürsorge nachkommt. Fast 450,000 Kinder und Jugendliche gehen in den vereinigten Bezirken in die Schulen, das Programm von Los Angeles Unified School District stellt 80,000 Musikinstrumente zur Verfügung. Der Repair Shop repariert oder renoviert diese Instrumente kostenlos. Der Film glorifiziert LAUSD aber nicht als letzte Bastion, und auch nicht dessen ohnehin beeindruckenden Zahlen. Proudfoot und Bowers würdigen die soziologische Notwendigkeit und persönlichen Relationen.
Die Bildsprache von Kameramann David Feeney-Mosier ist klar strukturiert, mit definierten, ansprechenden Formen in der Umsetzung. Wie in seinem letzten Film AS THEY MADE US, herrscht auch hier eine goldene und erdige Farbstimmung, was dem Film etwas verdient Erhabenes verleiht. Gleichzeitig wirkt es auch sehr einladend, wodurch man intensiver in die Erzählungen eintaucht. Clever integrierte Archivaufnahmen in Bild- und Filmform unterstreichen die Geschichten. Doch bis auf diese Rückblicke, gewinnt THE LAST REPAIR SHOP mit einer bewußt dezidierten Optik. Der Verzicht auf Reportage-artige Visualisierungen ist ausgesprochen angenehm.
Ben Proudfoot und Kris Bowers waren 2020 mit der Kurz-Dokumentation A CONCERTO IS A CONVERSATION für einen Oscar nominiert. In derselben Kategorie gewann Proudfoot 2022 mit QUEEN OF BASKETBALL die Goldstatue. Ob THE LAST REPAIR SHOP etwas gewinnt, wird im Moment der Sichtung des Films vollkommen irrelevant. Man wird zu Verbündeten, je mehr wir von diesen Menschen, von ihren Schicksalen, und ihren Instrumenten erfahren dürfen. Proudfoot und Bowers haben ihn wie ein große Symphonie sehr sorgsam komponiert, bleiben immer im richtigen Takt, und treffen gefühlsmäßig stets den richtigen Ton. Bildgewaltig und makellos montiert.
THE LAST REPAIR SHOP ist ein seltenes Beispiel von Dokumentation, die einen Anfangs zu Tränen rühren vermag. Aber am Ende wird man dann doch mit einer gleichzeitig von Herzen und Verstand kommenden Zufriedenheit entlassen. Es mag subjektiv betrachtet gewichtigere Themen auf der Welt geben. Aber nicht zwangsläufig wenn man gerade diesen Film erlebt. Dann wird für die Zuschauenden das Lachen eines jungen Mädchens, welches ohne eine Geige niemals Musik gemacht hätte, zum augenblicklich wichtigsten Moment. Und wie bei jeder guten Symphonie, hallt dieses Finale noch lange nach.
Mit: Dana Atkinson, Paty Moreno, Steve Bagmanyan, Duane Michaels
und die L.A.U.S.D. Absolventen
Regie: Kris Bowers & Ben Proudfoot
Drehbuch: life itself
Kamera: David Feeney-Mosier
Bildschnitt: Nick Garnham Wright
Musik: Kris Bowers & Katya Richardson, mit Duane
USA / 2023
39 Minuten