THE APPRENTICE

Apprentice - Copyright DCM– Bundesstart 17.10.2024
– Release 09.10.2024 (FR)

Preview via DCM-Screener
Gabriel Sherman ist Journalist und Autor für NBC, MSNBC, New York Magazine und Vanity Fair. Gabriel Sherman hat zu Beispiel ein Buch über Roger Ailes, dem Begründer des heutigen Fox News geschrieben, oder ein Feature über Jeffrey Epstein verfasst, und sich auch sehr viel mit Donald Trump auseinandergesetzt. Bereits 2018 hat Gabriel Sherman ein Drehbuch über die Anfänge und den Aufstieg von Donald Trump als Immobilienmogul geschrieben. Daraus hat Ali Abbasi einen Film gemacht. Ali Abbasi hat das Publikum mit dem Psychodrama BORDER verstört, und mit dem Thriller HOLY SPIDER begeistert. Aus Shermans Buch hat Abbasi einen äußerst interessanten Film gemacht. Er beschreibt gleichermaßen die Geschichte eines Mannes, den man schon lange durchschaut hat und wie man ihn kennt, und die Geschichte eines anderen Mannes, der in der bereits vorhandenen, allgemeinen Wahrnehmung überhaupt noch keinen Platz gefunden hatte.

Donald ist der Sohn des erfolgreichen Immobilienunternehmers Fred Trump. Vom Vater viel gelernt, verfolgt der Sohn eher erfolglos eigene Ziele in der Branche. Der skrupellose Rechtsanwalt mit Verbindungen zur Unterwelt, Roy Cohn, erkennt Donald als heißes Eisen, welches er aber noch schmieden muss. Von Cohn ist auch das Mantra, welches heutzutage nur mit einem Mann in Verbindung gebracht wird: „Angriff, Angriff, Angriff. Nichts zugeben, immer dementieren. Egal was passiert, immer einen Sieg erklären“. Der unbeholfene Anfänger wird zum gelehrigen Schüler. Aber anders als bei Goethes Zauberlehrling, kann der Meister den Schüler nicht mehr Einhalt gebieten.

Ali Abbasi erzählt seinen Film mit den optischen Eindrücken eine Dokumentation. Die Kamera von Kasper Tuxen ist immer am Beobachten. Das Bild ist im alten 1.33:1 Format, die Farben leicht ausgewaschen, die Optik grobkörnig. Sidney Lumet hätte diesen Film genauso gemacht. Bis auf den Effekt von Schulterkamera, bei dem Tuxen mit dem verwackelten Bild einfach unangenehm übertreibt. Von Abbasis Seite aus funktioniert hervorragend, dass er Donald Trump nie mehr andichten will, als die belastbaren Fakten hergeben. Aber die beobachtende Kamera lädt durchaus zum spekulieren ein.

Apprentice 2 - Copyright APPRENTICE PRODUCTIONS ONTARIO INC. - PROFILE PRODUCTIONS 2 APS - TAILORED FILMS LTD - DCM

Es ist auch gar nicht zwingend Donald Trumps Film, sondern ein starkes, wenngleich unfertiges Portrait des eiskalten Roy Cohn. Ein Mann der sich durch seine teuflische Unmenschlichkeit in der ersten Hälfte des Films einen Dämon schafft. Ein Dämon, der Cohn in der zweiten Hälfte schließlich in den Rücken fallen muss, weil es die gelehrte Doktrin so vorsieht. Mehr als der fantastische, weil zurückhaltende Sebastian Stan, ist es Jeremy Strongs atemberaubend widerwärtiger Cohn, der sich ins Gedächtnis brennt. Für Stan wäre es ein Leichtes gewesen, seinen Trump zum bizarren Clown zu machen. Aber dem zu widerstehen, macht den Film dann auch menschlich greifbar.

In diesem Sinne noch ein Hoch auf das exzellente, weil unauffällige Makeup. Es gleicht Stan an den Immobilienmogul an, aber es wird gar nicht erst das ohnehin unmögliche Unterfangen abgestrebt, eine bestechende Ähnlichkeit zu erreichen. Was dem Darsteller mehr Freiheiten und der Figur eine eigene Natürlichkeit gibt, denn Stan ist ohnehin mehr an der Erkundung des Charakters als an der Imitation interessiert. Aber macht das THE APPRENTICE zu einem gelungenen Film? Abbasi ist durchaus eine fesselnde Biografie gelungen, für beide Hauptfiguren, und deren toxische Beziehung. Er hält sich nicht auf, sondern erzählt zügig, aber ohne zu überhasten, und bleibt auf das Wesentliche fokussiert. Für eine Biografie ist der Film mit 2 Stunden ohnehin erstaunlich kurz. Zweifelsfrei hat Autor Sherman aus dramaturgischen Gründen andere Menschen und Einflüsse aus Donald Trumps Leben, auf die Figur Roy Cohn übertragen.

Wie auch immer, verfälscht das aber nicht den Wahrheitsgehalt über Donald Trump. Gegebene Reduktionen tun dem Film sogar sehr gut, weil er dennoch die Komplexität beider Charaktere behält. Bleibt immer noch die Frage, ob das aus THE APPRENTICE einen guten Film macht. Einen sehr packenden und unterhaltsamen Film sogar. Aber Ali Abbasis THE APPRENTICE kommt zirka 10 Jahre zu früh. Die meisten Interessierten dürften augenblicklich bereits von der im wirklichen Leben allgegenwärtigen Person unfreiwillig reizüberflutet sein. Mit längerem Abstand, und einer allgemeinen Beruhigung um die soziopolitischen Kontroversen des Donald Trump, wäre THE APPRENTICE ein noch viel besserer, eindringlicherer, und vor allem relevanterer Film.

Apprentice 1 - Copyright APPRENTICE PRODUCTIONS - ONTARIO INC. - PROFILE PRODUCTIONS 2 APS - TAILORED FILMS LTD - DCM

 

Darsteller: Sebastian Stan und Jeremy Strong, sowie Maria Bakalova, Martin Donovan, Catherine McNally, Charlie Carrick u.a.

Regie: Ali Abbasi
Drehbuch: Gabriel Sherman
Kamera: Kasper Tuxen
Bildschnitt: Olivier Bugge Coutté, Olivia Neergaard-Holm
Musik: Martin Dirkov, David Holmes. Brian Irvine
Makeup: Brandi Boulet, Sean Sansom
Produktionsdesign: Aleksandra Marinkovich
Kanada, Dänemark, Irland / 2024
122 Minuten

Bildrechte: APPRENTICE PRODUCTIONS ONTARIO INC. / PROFILE PRODUCTIONS 2 APS / TAILORED FILMS LTD / DCM
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