– Bundesstart 25.04.2024
– Release 15.03.2024 (US)
Die Amerikaner hegen den schönen Begriff der Napkin Story, eine Idee die in einer Bar auf eine Cocktail Serviette gekritzelt wird. Die Society of Magical Negros klingt nach so einer Geschichte. Ein geheimer Bund von Schwarzen, der weiße Leute davon abhält durchzudrehen, die sonst in ihrer Wut schwarze Menschen erschießen würden. Das hat soviel satirisches Potential, dass dabei augenblicklich auch Cord Jeffeffersons brillanter AMERICAN FICTION in den Sinn kommt. Nur nehmen sich die MAGICAL NEGROS wie eine krasse Überspitzung mit dem Spiel des bösartigen afro-amerikanischen Stereotyps aus. Der vom Darsteller zur Regie gewandte Kobi Libii hat sich für sein Filmdebüt als Autor und Regisseur diese AMERICAN SOCIETY ausgedacht. Ob auf einer Cocktail Serviette skizziert, ist nicht überliefert. Aber Libii hatte diese Idee mit allen Möglichkeiten von soziopolitischen Kommentaren, und macht mit seinem Film absolut nicht daraus.
Aren ist ein verschüchterter Künstler, der im Leben den Weg des geringsten Widerstandes geht. Immer höflich, immer zurücksteckend. Aren ist Afro-Amerikaner und kommt mit einer betrunkenen Geldautomaten-Nutzerin in eine Situation, in die schwarze Großstädter eigentlich nie kommen würden. Und das ist das Ärgerliche an MAGICAL NEGROS, dass sich Libii an Klischees bedient, sie aber nicht adäquat satirisch zu überhöhen versteht. In der Inszenierung ist wohl ein Anflug von Humor zu verspüren. Aber in dieser Szene, wie in allen Konfrontationen zwischen Schwarzen und Weißen, bleiben die ernst gemeinten Aussagen des grundsätzlich aggressiven Weißen kompromisslos erhalten.
Als Aren ist Justin Smith mit seiner ohnehin zurückhaltenden Ausstrahlung auch zu augenscheinlich nach Typus besetzt, um einen notwendigen Konflikt zwischen der Thematik und dem Charakter zu generieren. Justin Smith ist exakt dieser Magical Negro, um zornigen weißen, vornehmlich Männern, ein gefälliger Schwarzer zu sein. David Alan Grier spielt Arens Mentor Roger, der ihn für die American Society rekrutiert. Grier spielt schon immer diese abgeklärten, mit einer Würze Ironie beseelten Typen. Was hier allerdings nicht aufgeht, denn Roger ist ein Charakter, der nicht müde wird zu wiederholen das der weiße Mann grundsätzlich Schwarze erschießt.
Der erste Auftrag für Aren ist Jason, frustrierter Entwickler bei der Facebook ähnlichen Plattform Meetbox. Frustriert deshalb, weil die neue Benutzeroberfläche dunkelhäutige Ethnien nicht erkennt, und jetzt Schadensbegrenzung angesagt ist. Schon alleine für sich eine unheimlich wertvolle Prämisse, für das ungebrochene Problem der institutionellen Diskriminierung. Noch dazu das Jasons Wesen selbst von Alltagsrassismus geprägt ist, seine angebliche Liberalität aber selbstbewusst vor sich her trägt. Der bisher im Geschäft eher unauffällige Drew Tarver, den man aber im Auge behalten sollte, ist ein exzellent glaubwürdiger Jason, dem thematisch die hintersinnigsten Dialoge zufallen.
Der Schwarze erniedrigt sich also zum gefälligen Schmeichler, weil sich sonst der weiße Mann bedroht fühlen könnte. Libii wird nicht müde seine Protagonisten sagen zu lassen, dass sie sonst erschossen werden. Wenn es so humorlos und ohne starke, satirische Töne inszeniert ist, stellt sich sich bei einem weißen Publikum zwangsläufig die Frage, von welchem Weltbild Regisseur und Autor Kobi Libii geprägt ist. Und wie das ein schwarzes Publikum wahrnimmt, wenn es im Film nicht den geringsten Bezug zu den realen Helden der Menschenrechtsbewegung gibt. Die haben ihr Leben aufs Spiel gesetzt, indem sie für Freiheit und Liberalisierung dem System ganz bewusst unbequem wurden.
THE AMERICAN SOCIETY OF MAGICAL NEGROS hat sich sehr viel vorgenommen, von dem aber kaum etwas adäquat umgesetzt wird. Als Sinnbilder für die Notwendigkeit der Society werden unverhohlen DRIVING MISS DAISY und auch THE GREEN MILE zitiert. Obwohl diese Filme keinerlei Bezug zu der hier ausgelegten Idee haben. Als komischer Ansatz schlägt das völlig ins Leere, weil Kobi Libii die Ansätze von Gesellschaftskritik durchaus aufzeigt, aber das Potential zur Umsetzung vermissen lässt. Und bereits in der zweiten Hälfte weiß der Filmemacher schon nichts mehr mit seiner Idee anzufangen, so das er sich mit einer Standard-Blaupause gegen sein eigenes Konzeptes richtet.
Aren verliebt sich in Jasons Kollegin Lizzie. Und wer würde das nicht, bei An-Li Bogans unwiderstehlicher Natürlichkeit. Selbst Jason ist von Lizzie mehr als angetan, und möchte sie in seiner unbeholfen frauenfeindlichen Art für sich gewinnen. Damit steht Aren vor einem katastrophalen Dilemma. Als Magical Negro müsste er eigentlich seinem Schützling bei der Eroberung von Lizzie unterstützen, will er aber nicht. Aber wenn sich auch nur ein Mitglied der Society nicht an die Regeln hält, verlieren alle schwarzen Magiere ihre Kräfte. Was höchstens Stoff für eine Fortsetzung wäre, demonstriert nur Kobi Libiis Vertrauensverlust in die grandiosen Möglichkeiten der bizarren Grundidee.
Selbst dem Set-Design, mit einem Hauch mehr von Roald Dahls HEXEN HEXEN als von HARRY POTTER, geht durch den sichtbaren Mangel an Produktionsaufwand die Magie verloren. Wenngleich die technische Umsetzung mit tadelloser Kameraarbeit und raffiniertem Schnitt grundsätzlich überzeugt. Aber diese Gewerke hätten auch einen fundierteren Film vertragen. Das im Film prominent platzierte, fiktive SHARK-NAMI Filmposter, kann da sehr leicht als Selbstreflexion missverstanden werden. Lediglich An-Li Bogan überzeugt, ist aber verloren in einem Film der nicht weiß was er will, und dessen klägliche Versuche von sozialkritischer Satire immer wieder peinlich werden.
Darsteller: Justice Smith, An-Li Bogan, David Alan Grier, Drew Tarver, Michaela Watkins u.a.
Regie & Drehbuch: Kobi Libii
Kamera: Doug Emmett
Bildschnitt: Brian Scott Olds
Musik: Michael Abels
Produktionsdesign: Laura Fox
Dänemark, USA / 2024
104 Minuten