SLEEPING DOGS

Sleeping Dogs - Copyright PARAMOUNT PICTURES– Bundesstart 29.08.2024
– Release 21.03.2024 (US)

Roy Freeman hat Alzheimer. Überall in seiner Wohnung sind Hinweise angebracht, über seinen Namen, über seine Krankheit, wie das Tiefkühlessen zubereitet werden muss. Das ist aber nicht der Grund warum der Polizist vom Morddezernat seine Job aufgeben musste. Es war Trunkenheit am Steuer, im Dienst. Roy Freeman hat also eine Vergangenheit, von der weiß er aber selbst nicht mehr viel. Der Drehbuchautor zum Regisseur Adam Cooper inszeniert das sehr gut mit einer leicht depressiven Atmosphäre. Er hat dafür auch den richtigen Schauspieler verpflichten können. Zwischen Resignation und Trotz bewegt sich Russell Crowe mit unverkrampfter Natürlichkeit. Dank seiner nach wie vor starken Präsenz muss er keine belanglosen Charaden aus dem Hut zaubern, um zu überzeugen. Roy Freeman ist eine Rolle, in der Crowe einfach sein kann, und nicht spielen muss.

Isaac Samuel hat nur noch wenige Tage bis zu seiner Hinrichtung. Er bittet Roy Freeman die Wahrheit darüber zu sagen, dass sein damaliges Geständnis erzwungen wurde, und er unschuldig ist. Nur kann sich der ehemalige Cop Alzheimer-bedingt nicht mehr an den Fall erinnern. Irgendwo in diesen ersten Minuten steckt ein starker, psychologischer Thriller. Und er hat genauso viel Potential für ein Drama über Schuld, Sehnsucht und menschliche Triebe. Adrien Lyne hätte diesen Film in den Achzigern gemacht. Genau das muss auch Adam Cooper gesehen haben, als er sich dazu entschloss, Eugene Cherivicis Roman ‚Buch der Spiegel‘ für sein Spielfilmdebüt zu wählen.

Während sich die technischen Aspekte tadellos und effektiv präsentieren, sucht man verzweifelt die passende Geschichte zu der düsteren Atmosphäre von Bild, Schnitt und Ton. Ben Nott hat ein treffliches Auge für stimmige Bildgestaltung. Freemans immer wiederkehrende Desorientierung kann er genauso gut transportieren, wie er im richtigen Moment auch weiß, auch einmal inne zu halten, um die Figuren einfach betrachten zu können. Die ausgedehnten Rückblenden sind anders gestaltet, und nicht immer zeigt die Kamera die ganze Wahrheit hinter der Szene. Wie Freemans langsam zurückkehrenden Erinnerungen, gibt auch Ben Nott nur nach und nach die Bilder frei.

Technisch-kreativ könnte SLEEPING DOGS ein herrlich verstörender Thriller sein. Aber Adam Cooper hat dazu unbedingt eine Geschichte konstruieren müssen. In diesem Sinne ist dieses Attribut nicht positiv besetzt, denn die Handlung bedient sich ermüdend vieler unwahrscheinlicher Zufälle. Ob diese Konstruktion der adaptierten Buchvorlage geschuldet ist, soll hier nicht das Thema sein. Dem Film bekommt es jedenfalls überhaupt nicht, und löst nur Kopfschütteln aus und Fragen auf. Wieso wendet sich Todeskandidat Samuel nach zehn Jahren erst kurz vor Torschluss bei Freeman? Ist die Hirnoperation als alternative Heilmethode gegen Alzheimer überhaupt realistisch?

Sleeping Dogs 1 - Copyright PARAMOUNT PICTURES

 

Für den Handlungsverlauf müssen jedenfalls all die Zusammenhänge und Entwicklung genau so sein, weil der Film sonst in sich zusammenbrechen würde. Die Geschichte generiert sich aus glücklichen Zufällen, die sich stets aus vorherigen, glücklichen Zufällen ergeben. Dadurch entsteht aber auch das Dilemma, dass man aus jeder Situation heraus die nächste Wendung in Roys Ermittlungen leicht vorhersehen kann. Was es schwierig macht, dem Film wirklich böse zu sein, ist sein fabelhaftes Ensemble. In jeder Minute spürt man bei jedem der Darsteller eine greifbare Natürlichkeit die sie ihre Rollen bringen. Obwohl handlungsbedingt auch die Motivation jeder Figur vorhersehbar wird.

Karen Gillan ist als Laura Baine eine exzellente Femme Fatal, die aus einer Opferrolle mit undurchsichtiger Herzenskälte ihre eigene Agenda verfolgt. Der ehemalige Partner und mittlerweile heruntergekommene Pensionär Jimmy Remis hat mit Tommy Flanagan einen sehr eindringlichen Darsteller gefunden. Es sind alles Schauspieler von denen man mit genau diesen Rollen viel mehr sehen möchte. In einer anspruchsvolleren Geschichte, mit Sicherheit. Aber es ist Crowe der als verlorene Seele den Film regelrecht beherrscht, diesen ganz besonders ansprechend fotografierten Film. Im Grunde hat Adam Cooper ja alles für einen spannenden, wendungsreichen Thriller gehabt.

Mit seinem ewigen Autorenpartner Bill Collage hat es Cooper auch bei diesem Projekt nicht über das abgeflachte Mittelmaß geschafft. In Anbetracht der hoch motivierten Schauspieler und starken, technischen Ausführungen wird das umso ärgerlicher. 37 Produzententitel sind bei Independent-Produktionen nicht unbedingt besonders, kann aber zu unangenehmen Hauen und Stechen führen. Was dann wieder in einfallslosen Konzepten für Massentauglichkeit enden, wie zum Beispiel bei SLEEPING DOGS. Russell Crowe muss langsam mehr Vorsicht walten lassen, um in bald anstehenden Altersrollen nicht das B-Movie-Schicksal mit Bruce Willis oder Mel Gibson zu teilen.

Sleeping Dogs 2 - Copyright PARAMOUNT PICTURES

 

Darsteller: Russell Crowe, Karen Gillan, Tommy Flanagan, Marton Csokas, Pacharo Mzembe u.a.
Regie: Adam Cooper
Drehbuch: Adam Cooper, Bill Collage
Kamera: Ben Nott
Bildschnitt: Matt Villa
Musik: David Hirschfelder
Produktionsdesign: Penny Southgate
Australien, USA / 2024
110 Minuten

Bildrechte: PARAMOUNT PICTURES
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