KINGDOM OF THE
PLANET OF THE APES
– Bundesstart 08.05.2024
Man könnte sich jetzt an dieser Stelle wirklich ewig lang darüber auslassen wie genial sich dieser vierte Film in die Reihe neuerer Zeitrechnung einpasst, und trotzdem die vorangegangene Trilogie abgeschlossen für sich stehen lässt. Es wäre hier auch möglich seitenweise darüber zu fabulieren, wie es dieser vierte Film sträflich versäumt, die Motive von spirituellen Wertesystemen und tyrannischer Autokratien nicht zeitgemäß intensiviert zu haben. Man könnte und es wäre möglich, aber vielleicht zu einem späteren Zeitpunkt. Denn NEW KINGDOMs unbestreitbare Essenz liegt in der einzigartigen visuellen Umsetzung. Vor dreizehn Jahren wurde hier an dieser Stelle geschrieben, dass mit RISE OF THE PLANET OF THE APES die Motion-Capture-Technik da angekommen sei, was als erklärtes Ziel angedacht gewesen sein muss. Und das war falsch.
Manche mit Computer generierte Effekte wirken etwas ungelenkt, wie Proximus Ceasars beschwingter Auftritt vor seinem Volk. Und auch die Federkleider der Greifvögel hätten mehr Rechenzeit vertragen können. Aber die Modellierungen von den Motion-Capture-Aufnahmen der Darsteller zu ihren Affen-Alter-Egos sind ohne Übertreibung schlichtweg atemberaubend. Und die Textur von Haut und Fell ebenso grandios. Der Film braucht nur wenige Szenen, bis man die Figuren als reale Darsteller wahrnimmt. Was das dünne Drehbuch von Josh Friedman an Handlung vermissen lässt, machen die visuellen Reize wieder wett. An den faszinierenden Details kann man sich gar nicht satt sehen.
NEW KINGDOM macht aber den Fehler mit einer Szene zu beginnen, die an das Ende der vorangegangenen Trilogie anknüpft, um dann erst ‚viele Generationen später‘ die eigene Geschichte aufzunehmen. Und die beginnt beim Clan der Adler, bei dem Schimpansen Greifvögel als Haus- und Jagdtier halten. Die Adler sind zweifellos das gelungenste Gimmick in der Erzählung, weil ihnen im Laufe eine Rolle zukommt, die den Helden Noa davor schützt gegen die Grundsätze von Caesar zu verstoßen. Caesar, der erste sprechende Affe. Und nicht Caesar, der Tyrann, der ganze Affen-Clane verschleppen lässt, und in seinem selbsternannten Königreich unterjocht. Wie auch Noas Adler-Clan.
Die anfängliche Erinnerung an die erste Trilogie schmerzt insofern, weil sie auch aufzeigt wie unterschiedlich Anführer Caesar und Helden-Aspirant Noa sind. Caesar war eine starke Figur die sich entwickelte, und durch Erfahrung und Selbstreflexion seinen Charakter bildete, und dabei einen Kodex entwickelte. Im neuen Film ist Noa eine Figur die jenem Kodex aus vergangenen Zeiten lediglich hinterher eifert, ohne ihn wirklich zu erfassen. Auf dem Weg seinen Clan zu befreien, trifft Noa den altersweisen Orang-Utan Raka, der von den vergessenen Weisheiten Caesars erzählt. Proximus Caesar hingegen hat die Legende des ersten Anführers böswillig verdreht, um sein Reich zu bilden.
Stärker als die drei Filme vorher, schlägt NEW KINGDOM visuell und in Settings eine Brücke zum 1968er Original. Nicht nur in bei der Menschenjagd im Mittelteil, sondern auch bei der Strandsequenz im dritten Akt. Darin sind auch auffällige Anleihen an Jerry Goldsmiths seinerzeit innovativen Soundtrack zu hören. Das sind natürlich Gänsehautmomente die gefallen, die aber gleichzeitig deutlich machen, dass dem Film einfach inhaltliche und ideologische Substanz fehlt. Noas Abenteuer vom zuerst unerfahrenen Sohn des Clan-Führers zum Befreier aller Affen-Clane folgen, mit sorgsam vorbereiteten Zufällen und Bewährungsproben, der bekannten Dramaturgie.
Wenn Noa entgegen aller Warnungen Nachts aus dem Dorf schleicht, weiß man das sein kindliches Ungestüm Konsequenzen für den weiteren Verlauf der Handlung haben wird. Filmtypisch ziehen alle problemlösende Aktionen spannungserhöhende Konsequenzen nach sich. Das ist würdig und recht, dafür ist NEW KINGDOM letztendlich auch exzellentes Unterhaltungskino. Was ihm aber fehlt ist die subtile Tiefe, und die düstere Betrachtung ideologischer Wertvorstellungen. In den Vorgängern musste Caesar einen messianischen Leidensweg erfahren, welcher die Herrschaft der Affen definiert hatte. Noa darf als pragmatische Heldenfigur lediglich Auge und Ohr des Publikums sein.
Auftritt Mensch, jetzt nur noch Echos genannt. Und mit ihnen Mae. Die Menschen haben vor ‚vielen Generationen‘ durch den ALZ113 Virus Sprache und wesentliche kognitive Fähigkeiten verloren. Erwartungsgemäß verhält es sich bei Mae etwas anders, die sich als findige Power-Frau den Affen anschließt. Freya Allen spielt ihre zuerst stumme Rolle mit überzeugender Energie, verliert aber immer wieder gegen Owen Teagues Ausdrucksstärke, die paradoxerweise von einer Computermodulation umgesetzt ist. Doch soviel Zeit für zwischenprimatliche Beziehungen nimmt sich Regisseur Wes Ball ohnehin nicht. Seine Inszenierung fokussiert Ball aus gutem Grund auf die optischen Schauwerte.
Für immer wieder beeindruckende Einstellungen sorgt Gyula Pados, der die von der Natur zurückeroberten Überreste menschlicher Zivilisation in wunderbar klare Bilder fasst. Und die laden durchaus auch zum Rätseln über die gezeigten Orte ein. Ansonsten präsentiert Pados Aufnahmen von imitierter Schulterkamera, was in den Action-Sequenzen die Glaubwürdigkeit von computeranimierten Protagonisten immens erhöht. Wobei diese Szenen selbst meist unübersichtlich inszeniert sind. Lediglich im Showdown lässt die Bildmontage dann doch eine bessere Orientierung zu. Das große Aber kommt mit der allgemeinen Einschätzung, dass NEW KINGDOM dennoch hinreichend unterhält.
NEW KINGDOM ist bei aller Kritik kein Film aus der Schublade, auch wenn er sich der hinlänglich bekannten Blaupausen bedient. Allein die noch vor dreizehn Jahren unmöglich scheinende Weiterentwicklung in der visuellen Umsetzung setzt ihn auf eine Stufe mit den Neuverfilmungen von DSCHUNGELBUCH und KÖNIG DER LÖWEN. Traurig bleibt aber die ungenutzte Chance eine Geschichte mit Bedeutung zu erzählen. Was man als Publikum hineininterpretieren möchte, ist die die eine Sache. Die Andere ist, wie viel Anstrengungen die Macher für soziopolitische Kommentare unternommen haben. Und da sieht es wirklich sehr dünn aus. Eine vernünftige Botschaft muss bei Popcorn-Kino auch gar nicht sein. Aber das macht NEW KINGDOM lediglich sehenswert, gibt ihm aber keine Relevanz. Das sollten dann wenigstens die Fortsetzungen nachholen.
Darsteller:
Owen Teague: Noa
Freya Allen: Mae
Kevin Durand: Proximus Caesar
Peter Macon: Raka
Travis Jeffrey: Anaya
sowie William H. Macy u.a.
Regie: Wes Ball
Drehbuch: Josh Friedman
nach Charakteren von Rick Jaffa & Amanda Silver
Kamera: Gyula Pados
Bildschnitt: Dirk Westervelt, Dan Zimmerman
Effects Supervisor: Erik Winquist
Musik: John Paesano
Produktionsdesign: Daniel T. Dorrance
USA / 2024
145 Minuten