– Bundesstart 04.01.2024
– Release 17.11.2023 (US)
Preview 30.12.23, Cinecitta, Nbg
Mit NEXT GOAL WINS ist Filmemacher Taika Waitit so weit weg von JOJO RABBIT oder WHAT WE DO IN THE SHADOWS wie man in einer Komödie nur sein kann. Vom letzten THOR-Outing gar nicht zu reden. Man könnte sogar annehmen, dass er sich neu finden wollte. Aber wirklich zum Vorteil gereicht ihm das nicht. Anders ausgedrückt, trägt NEXT GOAL WINS den Anschein einer reinen Auftragsarbeit. Denn diese Geschichte nach wahren Begebenheiten ist gefälliges Mainstream-Kino in Reinkultur. Grundsätzlich bedeutet das nichts Schlechtes, und NEXT GOAL WINS erfüllt auch zufriedenstellend alle Sicherheiten für eine massentaugliche Komödie. Aber Taika Waititi weicht für seine Adaption genau an den Punkten von den wirklichen Ereignissen ab, wo eigentlich das größte Potential läge, etwas anderes und damit ganz Besonderes zu werden.
Im Jahr 2001 hat Amerikanisch-Samoa im Qualifikationsspiel für die Fußball-WM gegen Australien 31:0 verloren. Die schlimmste Niederlage einer Mannschaft in der Geschichte der FIFA. Das Team trägt aber so eine Leidenschaft für das Spiel im Herzen, dass es bei der nächsten Qualifikation wieder dabei sein möchte. Dafür entsendet der Fußballverband den in Amerika in Ungnade gefallenen, niederländischen Trainer Thomas Rongen. Selbstredend tut sich der respektlose, schwer trinkende, und cholerische Rongen schwer in dem polynesischen Staat, wo Güte und Rücksicht an erster Stelle stehen.
Genau so zieht Waititi seine Interpretation der Geschichte auch komplett durch. Er macht die Figur des weißen Außenseiters, in einem exotischen Land mit ungewohnten Bräuchen, zum unverrückbaren Kern der eigentlich historischen Ereignisse. Dabei wären die tatsächlichen Eckpunkte von damals die interessantere Herausforderung für den Filmemacher, und für den Anspruch des Publikums gewesen. Das zum Beispiel Thomas Rongen seinerzeit überhaupt kein Problem mit Alkohol gehabt hat. Oder das er sehr offen und respektvoll mit den Bräuchen und Eigenheiten von Amerikanisch-Samoa umging.
Obwohl Waititi selbst polynesischer Abstammung ist, versäumt er es auf ganzer Länge ein Selbstverständnis für Kultur und Menschen zu entwickeln. Anstatt den Blick von innen auf den unangepassten Exzentriker zu richten, werden hier die Einheimischen von außen als Sonderlinge vorgeführt. Waititi folgt damit einem schon lange überholten Komödienkonzept, welches auf unreflektierte Szenen von vergnüglichem Zusammenprall der Kulturen setzt. Das funktioniert immer noch, es unterhält und ist meist witzig. Aber es ist weit von den Möglichkeiten einer anspruchsvollen Neuausrichtung entfernt.
Vor allem enttäuscht NEXT GOAL WINS als ein Film von Taiki Waititi. Wo der Filmemacher sonst mit skurrilen Situationen und nonkonformen Witz gleichermaßen erschreckt und bis zu Schenkelklopfern amüsiert, zeigt er sich hier angepasst und gefällig. Rongen versucht das Team innerhalb von drei Wochen auf das Qualifikationsspiel gegen Tonga vorbereiten. Nicht ohne dem Team unmissverständlich klar zu machen, dass er sie für absolute Versager hält. Es kommt zu den üblichen, zwischenmenschlichen Querelen, und es gibt die obligatorischen Trainingsmontagen mit Fremdschäm-Faktor.
Auf beiden Seiten wird hart gearbeitet, der eine an seiner Einstellung, die anderen an ihren Selbstzweifeln. Dabei konzentrieren sich alle emotionalen Facetten auf die Figur der Trainers, während die amerikanisch-samoanische Seite auf Lückenfüller, Stichwortgeber, und komische Handlanger beschränkt ist. Damit enttäuscht der Film in seinem Unterhaltungswert nicht. Aber da ist die Geschichte von Fa’afanine Jaiyah Saelua, die Erste, die während ihres Übergangs zur Frau bei einer Fifa-Herrenmannschaft spielte. Politisch korrekt und wirklich überzeugend gespielt von Transgender-Person Kaimana.
Waititi macht das Interessante an diesem Hintergrund zu Rongens Angelegenheit, und seinem Problem. Die wahren Begebenheiten werden zugunsten der Massentauglichkeit nicht nur gebeugt, sondern komplett verdreht. Als sogenanntes westliches Publikum bekommt man spannende, bestimmt auch bisher unbekannte Einsichten in diese Kultur. Doch der Film macht diese Kultur in ihrem eigenen Land zu etwas exotischem. Wo es beispielsweise beim Spiel eben nicht ums Gewinnen geht, sondern tatsächlich um die Liebe zum Sport. Dafür das es ein Projekt aus Leidenschaft ist, zeigt sich Taika Waititi sehr unmotiviert. Allgemein verträglich und unterhaltsam, aber nichts Außergewöhnliches.
Darsteller: Michael Fassbender, Oscar Knightley, Kaimana, David Fane, Rachel House, Beulah Koale, Will Arnett, Elisabeth Moss, Sisa Grey u.a.
Regie: Taika Waititi
Drehbuch: Taika Waititi, Iain Morris
Kamera: Lachlan Milne
Bildschnitt: Tom Eagles, Yana Gorskaya, Nicholas Monsour, Nat Sanders
Musik: Michael Giacchino
Produktionsdesign: Ra Vincent
Großbritannien, USA / 2023
104 Minuten