NEW LIFE

New Life - Courtesy DROP-OUT CINEMA– Bundesstart 05.09.2024
– Release 03.05.2024 (US)

Man stelle sich eine Katz-und-Maus-Jagd in Gestalt eines Thrillers vor. Auf der einen Seite eine gerissene, mit allen Wassern gewaschene, selbstverständlich unschuldige Heldenfigur. Auf der anderen Seite ein übermächtiger Apparat an staatlichen Geheimdiensten und Behörden. Dazwischen jede Menge ausgefeilter Action-Einlagen. Und dann kommt Filmemacher John Rosman, der bisher schräge Music Videos mit künstlerischem Anspruch gemacht hat. Und er schält dieses altbekannte Konstrukt wie eine Banane auf seinen eigentlichen Inhalt. Keine abgeklärte Heldin, keine kaltherzige Jägerin, keine aufgeblasene Organisation. Aber effektiv sind alle Beteiligten. John Rosman schält das etablierte Szenario auf die Essenz von Mensch und Menschlichkeit.

Aber NEW LIFE ist keiner dieser langatmigen Arthouse-Filme, die Spannung und Aktion mit clever gedachten Dialogen und stark konstruierten Metaphern kompensieren. Und doch ist NEW LIFE genau das. Es ist ein Film der umso besser funktioniert, je weniger man von ihm weiß. Seine zwei Hauptfiguren, denn Heldinnen sind sie gewiss nicht, bewegen sich im gegenläufigen Sinne aufeinander zu. Mental und körperlich. Die eine geschwächt durch Veränderung, die andere angetrieben durch ihre Beeinträchtigung. Es ist eine Geschichte die im Verlauf einen konsequenten Ausgang einfordert.

Bereits das erste Bild von Mark Evans ist herausragend, die junge Jessica Murdock hetzt wortlos mit blutverschmiertem Gesicht durch die Einstellung. Zuerst sucht sie Schutz in einem Haus, muss aber wieder fliehen, weil sie offensichtlich von noch Unbekannten gejagt wir. Noch einige Mal überrascht Evans mit sehr eindringlichen Impressionen, die Regisseur Rosman sehr geschickt platziert. Er setzt damit stets sehr eindringliche Akzente in der Geschichte, die sich sehr langsam, aber zu keinem Zeitpunkt langatmig, über Rückblenden und spärliche Dialogfetzen immer weiter aufdeckt und erklärt.

New Life 2 - Courtesy DROP-OUT CINEMA

 

Elsa Gray ist eine nicht genau definierte Agentin mittleren Alters, die offensichtlich unter einer unheilbaren, degenerativen Nervenkrankheit leidet. Sie hat die besondere Gabe, Menschen wie Jessica aufzuspüren, aber bei diesem speziellen Auftrag pfuschen ständig ihre Muskelkrämpfe dazwischen. Es ist ein sehr einnehmendes Spiel von Hayley Erin als Jessica und gleichermaßen Sonya Walger als Elsa Gray. Filmdebütant Rosman entpuppt sich dabei als brillanter Schauspielerregisseur, bei dem sich die Darsteller durch Ausdruck und Handlung erklären und definieren, aber nie durch gekünstelte Dialoge.

NEW LIFE bleibt aber in erster Linie faszinierendes Spannungskino. In einer sich steigernden Handlungsstruktur gibt es Thriller-Atmosphäre, sanfte Action-Einlagen, bis hin zu unter die Haut gehende Horrorszenarien. Der aktuelle Kinotrend von Zombie-ähnlichen Monstern wird nur andeutet, verkehrt sich aber schnell in etwas Eigenes. Und das hat John Rosman mit viel Tiefgang angereichert. Der subtile Einwand einer Figur über den Verfall des Landes lässt guten Diskussionsraum. Unterschwellige Querverweise auf die weltweite Pandemie fordern förmlich zu Interpretationen heraus.

Für ein Debüt in Schreiben und Inszenieren, ist John Rosman ein beachtlicher Film gelungen. Er spielt sehr wohl mit den Versatzstücken von Thriller- und Horror-Standards, behält aber eine erstaunliche Eigenständigkeit, weil sie sich außerordentlich gut verzahnen. Das Jessica und Elsa im Hier und Jetzt festgelegt sind, und ihnen eine konkretere Hintergrundgeschichte fehlt, macht die Geschichte sogar noch spannender. Allerdings hätte NEW LIFE auch nicht länger in der Laufzeit sein dürfen, um exakt noch genau so ansprechend zu funktionieren. Ein packendes Kleinod, das mit seiner Reduktion auf Mensch und Menschlichkeit überrascht, und letztendlich auch überzeugt.

New Life 1 - Courtesy DROP-OUT CINEMA

 

Darsteller: Hayley Erin, Sonya Walger, Tony Amendola,Blaine Palmer, Betty Moyer, Ayanna Berkshire, Jeb Berrier u.a.

Regie & Drehbuch: John Rosman
Kamera: Mark Evans
Bildschnitt: Emily Schweber
Musik: Mondo Boys
Produktionsdesign: Jade Harris
USA / 2023
85 Minuten

Bildrechte: DROP-OUT CINEMA
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