Ti West – MAXXXINE

MaXXXine - Copyright UPI– Release 04.07.2024 (world)

Mit X entwarf Filmemacher Ti West nicht nur eine grandiose Hommage an den expliziten Slasher der ausgehenden Siebzigerjahre. X gewinnt zudem eine künstlerische Eigenständigkeit im modernen Kino. Mit dem Prequel-Nachfolger PEARL folgt West der Ästhetik der Technicolor-getränkten fünfzigerjahre Dramen von Wyler und Sirk. MAXXXINE spielt 1985, einige Jahre nach X, als die einst unverhoffte Pornodarstellerin Maxine Minx beschließt der bekannteste Filmstar der Welt zu werden. Vom Porno- und Stripclub-Milieu zur bedeutenden Filmindustrie ist es aber ein steiniges Pflaster. Und somit wendet sich Ti West in Stil und Atmosphäre an die neonbeschienenen Asphalt-Thriller von Paul Schrader oder Brian De Palma. Da wirken die überstrahlenden Bilder am Tag unangenehm, und stehen die Nachtaufnahmen Synonym für die Verrohung von Mensch und Milieu. Wie bei Maxine, die rücksichtslos ihr Ziel verfolgt.

Visuell gelingt West der erneute Stilwechsel sehr überzeugend. Beim Vorsprechen überzeugt Maxine die Regisseurin für die Hauptrolle in einem Horrorfilm. Deswegen ist sie tunlichst darauf bedacht, dass niemand von ihrer Pornokarriere erfährt. Und erst Recht nicht von den Ereignissen aus dem ersten Teil, in dem Maxine einigen Leuten zum Ableben verhelfen musste. Zeitgleich wütet in Hollywood der Serienmörder ‚Night Stalker‘. Visuell überzeugt die Inszenierung, aber atmosphärisch will es nicht so richtig gelingen. Während bei den großen Vorbildern die Geschichte des Serienmörders ein parallel laufendes, sich ergänzendes Stimmungsbild zeichnen würde, offeriert West dem Publikum von Anfang an die ohnehin psychotische Maxine als potentielle Täterin.

Die Möglichkeit eines zeitgeschichtlichen Großstadtportraits wird zugunsten des reinen Thriller-Vergnügens vergeben. Der Thriller selbst würde selbst mit seinen vertanen Chancen funktionieren. Aber der Filmemacher packt einfach zu viel in seine relativ einfache Geschichte, was denn Film ziemlich zerfahren macht. Pornomilieu, Hollywood-Kritik, feministische Gleichstellung, Schauspielkino, Satanismus-Panik, oder auch die soziopolitischen Auswirkungen der Reagan-Ära (in Deutschland ohnehin schwer nachvollziehbar). Während die Geschichte in den ersten neunzig Minuten ohne klare Struktur von einem Element zum nächsten mäandert, zerfällt MAXXXINE schließlich im schlecht konzipierten Action-Höhepunkt zu einem belanglosen Spektakel.

MaXXXine 1 - Copyright STARMAKER STUDIOS LLC

Giancarlo Esposito ist als Maxines Agent unschlagbar kaltblütig. Als Maxines Kollegin überrascht Lily Collins mit einem erschreckenden Gimmick. Und die von Elizabeth Debicki gespielte Regisseurin behauptet sich allein mit ihrer Präsenz in einer gnadenlosen Männerwelt. Das sich Ti West bei seiner Trilogie an Mia Goth gebunden hat, kommt diesem dritten Teil nicht besonders zu Gute. Goth hat bei X und PEARL den Stereotyp der zuerst unscheinbaren Heldin etwas gegen den Strich gebürstet. Als Personifizierung eines angehenden Superstars der Filmindustrie lässt sie aber die charismatische Besonderheit vermissen. Was man nicht vermisst, sind Wests grafische Schockmomente. Der Splatter-Faktor ist erneut nicht sehr hoch, geht dafür aber umso mehr unter die Haut.

Das prägendste Element ist wie bei den beiden Vorgängern, Eliot Rocketts fantastische Kameraarbeit. Wieder im 2,39:1 Seitenverhältnis, trifft er auch hier mit seinen Bildern die atmosphärische Dichte damaliger, zeitgenössischer Thriller. Besonders die extrem langen, der Hauptdarstellerin folgenden Kamerabewegungen bleiben im aktuellen Mainstream ein Novum. Nach X und PEARL wird MAXXXINE zum schwarzen Schaf der zuerst angedachten Trilogie. Es ist ein Film, der durchaus zu unterhalten und zu fesseln versteht. Und erst Recht sehr schön anzuschauen ist. Aber Ti West wird seinen selbst gesteckten Ansprüchen nicht wirklich gerecht. Nicht der Reihe, und nicht dem erwartungsvollen Publikum gegenüber. Vielleicht, aber nur vielleicht, ist das der Grund warum plötzlich lautstark über einen vierten Teil in der Trilogie nachgedacht wird.

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Darsteller: Mia Goth, Elizabeth Debicki, Moses Sumney, Michelle Monaghan, Bobby Cannavale, Giancarlo Esposito, Halsey, Lily Collins, Kevin Bacon u.a.

Regie & Drehbuch & Bildschnitt: Ti West
Kamera: Eliot Rockett
Musik: Tyler Bates
Produktionsdesign: Jason Kisvarday
USA / 2024
113 Minuten

Bildrechte: UPI / STARMAKER STUDIOS LLC
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