LEE – DIE FOTOGRAFIN

Lee - Copyright STUDIOCANALLEE
– Bundesstart 19.09.2024
– Release 12.09.2024 (GB)

Erst wenige Monate vorher, hat Andrew Garland in seinem Film CIVIL WAR die von Kirsten Dunst dargestellte Kriegsfotografin Lee genannt, im Film selbst aber auch auf die echte Lee Miller Bezug genommen. Das ist würdig und recht für eine Ikone, die allerdings den wenigsten wirklich ein Begriff ist. Erst wenn man verschiedene Bausteine der Geschichte zusammenfügt ergibt sich ein Bild, das sich Lee Miller nennt. Sie war nicht die erste oder einzige Frau als Militärkorrespondentin, aber die mit dem eindringlichsten, verstörendsten und wichtigsten Bildern. Das Selbstbildnis vor ihr in Hitlers Badewanne gilt in der Kriegsfotografie als Symbol für den Niedergang des Naziregimes. Aber Lee Miller war zuvor erst einmal Model, mit anschließender Karriere als wegweisende Modefotografin. Mehr oder weniger erfolgreich versucht Ellen Kuras das alles mit ihrem Spielfilmdebüt den Zuschauenden nahezubringen.

Lee Miller ist eine Frau die nicht etwa von falschem Ehrgeiz getrieben ist, sondern einfach das gegebene Geschlechterbild nicht akzeptiert. Sie kämpft nicht um das was ihr zusteht, sie nimmt es sich. Der Erfolg als Model 1925 gibt ihr recht, ihre Intuition bei der Modefotografie ab 1929 bestätigt sie, der Einbruch in die Männerdomäne der Militärkorrespondenten 1942 scheint logisch. Zuvor lernt sie ihren Mann Roland Penrose kennen, dem Alexander Skarsgård so viel Eleganz und Liebenswürdigkeit verleihen kann, um die sehr kurze Leinwandzeit der Figur immer noch einprägsam zu gestalten. Im Kriegsgebiet von Frankreich wird Lee von ‚Life‘-Photojournalist David Sherman begleitet, mit dem sie auch eine kurze, nur zur Ablenkung ausgerichteten Affäre beginnt. Andy Samberg ist hier wohl auch die größte Überraschung in der Besetzungsliste, der in seinem zurückhaltenden Spiel so unglaublich viel auszudrücken versteht.

Das Kate Winselt derart überwältigend in diesem Drama aufgeht, ist durchaus auch auf sein fabelhaftes Ensemble zurückzuführen. Eigentlich kam die Idee für eine Biografie von Regisseurin Ellen Kuras, die als Kamerafrau mit Kate Winslet bei ETERNAL SUNSHINE und DIE GÄRTNERIN VON VERSAILLES arbeitete. Aus den Augen verloren, wollte Winslet später selbst eine Biografie in Angriff nehmen, erinnerte sich aber an Kuras‘ Ambitionen. Herausgekommen ist ein Film der außer exzellentes Schauspiel und präzisierender Kameraführung wenig künstlerischen oder narrativen Anspruch besitzt. Die Struktur ist bestenfalls als bekannt konventionell zu bezeichnen.

Uninteressant ist der Film deswegen aber noch lange nicht. Allein schon das Make-up von Kate Winslet als Lee in späteren Jahren ist eine atemberaubende Meisterleistung. Die Handlung ist im Wechsel mit der Neuzeit, in der sich eine gealterte Lee Miller mit einem vermeintlichen Interviewer über ihre in Rückblenden erzählte Geschichte in den 30ern und 40er austauscht. Allerdings folgt der Handlungsverlauf einer altbewährten, hinlänglich bekannten Struktur, die nur darauf ausgerichtet scheint bekannte, unbekannte, interessante und überraschende Fakten mehr oder weniger abzuarbeiten. Ellen Kuras fehlt eine gewisse Originalität, durch inszenatorische Ideen, unerwartete Details, oder dem Denken außerhalb der Box. Es sind allein die starken Darsteller mit ihren faszinierenden Figuren, die dem Film einen wirklichen Fokus geben.

Lee 2 - Copyright STUDIOCANAL

 

Strapazieren manche Biografien mit Überlängen, gewinnt man bei LEE immer den Eindruck, dass etwas zu kurz kommen würde. So wird das ständige Improvisieren von Dunkelkammern quer durch das Kriegsgebiet vollkommen ausgeblendet, oder Ehemann Roland tritt nur nach Belieben als Pausenfüller auf. Polanskis Stammkameramann Pawel Edelman lässt sich leider erstaunlich wenig einfallen, um den Film optisch aufzuwerten. Nur das herkömmliche Stilmittel der differenzierten Farbstimmungen für die zwei Zeitebenen fällt auf. Dafür hat aber Alexandre Desplat für den Score auch zwei Ebenen geschaffen, die er musikalisch ineinander verschränkt. Auf diese Weise erzeugt die Musik oftmals zugleich eine abenteuerliche und eine dramaturgisch beängstigende Atmosphäre, was auch den Charakter von Lee Miller sehr gut wiederspiegelt.

Für das Ende hat sich der Film eine überraschende Wendung einfallen lassen, die so nicht wirklich zur Stimmung passen will. Es ist nämlich genau diese Art von inszenatorischem Kniff, der LEE die gesamte Laufzeit über gefehlt hat. Auch wenn sich diese Auflösung stark an den wirklichen Ereignissen orientiert, die zur Entstehung der von Lee Millers Sohn Antony Penrose geschriebenen Biografie führte. LEE ist keine vergebene Liebesmüh‘ per se, aber ein Film der ständig an seinen Möglichkeiten vorbeiinszeniert ist. Wäre da nicht dieses einnehmende Schauspieler-Ensemble, und die Bekanntschaft mit einer Frau die es verdient hat, dass man sie näher kennenlernt.

Lee 1 - Copyright STUDIOCANAL

 

Darsteller: Kate Winslet, Andy Samberg, Andrea Riseborough, Alexander Skarsgård, Marion Cotillard, Josh O’Connor u.a.

Regie: Ellen Kuras
Drehbuch: Liz Hannah, Marion Hume, John Collee
Nach der Biographie von Antony Penrose
Kamera: Pawel Edelman
Bildschnitt: Mikkel E.G. Nielsen
Musik: Alexandre Desplat
Produktionsdesign: Gemma Jackson
Großbritannien, USA, Australien, Norwegen, Singapur
2023
116 Minuten

Bildrechte: STUDIOCANAL
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