– Bundesstart 30.05.2024
– Release 19.03.2024 (IRL)
Es ist 1977. Seit sechs Jahren hechelt Jack Delroy mit seiner Late Night Show ‚Night Owls‘ hinter dem Erfolg von Johnny Carsons ‚Tonight Show‘ her. Die hier gezeigte Halloween Sendung soll nicht nur wegen des Datums etwas Besonderes werden. Es ist Sweeps Week, in dieser Woche werden vierteljährlich die Quoten ausgewertet, um den Preis für die Werbeminuten zu bestimmen. Die Produzenten haben sich dem Halloween-Abend angemessen, für Jack Delroy illustre Gäste ausgedacht. Das sind Hellseher Christou, und der Enthüller von Illusionistentricks, Carmichael Haig. Sowie Psychologin June Ross-Mitchell, und ihre Patientin Lilly, die einzige Überlebende eines Massenselbstmordes von Satanisten. Genau diese Sendung war lange im unzugänglichen Archiv des Senders unter Verschluss. Die Brüder Cameron und Colin Cairnes, auch unzertrennlich als Autoren- und Regieduo, haben sich tatsächlich an eine eigene Variante des Found Footage Horrors gewagt. Gerade als man dachte, dieses Sub-Genre wäre endlich ausgestorben.
Es dürfte kaum noch jemanden geben, der dieses Format in irgendeiner Weise für real hält. Aber die Aussicht auf den Horror in einem in sich geschlossenen Setting, im Look einer Siebzigerjahre Talk Show, ist nicht nur originell, sondern an Möglichkeiten sehr vielversprechend. David Dastmalchian beherrscht mit seiner schmierigen Nonchalance perfekt den seiner Zeit angemessenen Gastgeber. Otello Stolfo hat mit seinem Team ein wunderbar realistisches Bühnenbild einer Late Night Show geschaffen. Das Kostümdesign schleudert einen unwillkürlich zurück in die Spätsiebziger. Aus diesem gelungenen Ambiente heraus den Teufel auf die Zuschauenden zuhause loszulassen, ist eine grandiose Idee. Über vierzig Jahre lag diese Sendung unter Verschluss. Da will man doch sehen, was vorgefallen ist, und ob diese Maßnahme gerechtfertigt war. Dieser Film hat eine unglaublich spannende Prämisse. Nur die verantwortlichen Regisseure Cameron und Colin Cairnes selbst, die zeigen kein Vertrauen in ihre eigene Idee.
LATE NIGHT WITH THE DEVIL beginnt mit einer fast zehnminütigen Dokumentation über das Leben und die Moderatorenkarriere von Jack Delroy. Die ist ebenfalls gut gemacht, und trifft exakt den Stil und Aufmachung damaliger Portraits. Allerdings nehmen diese zehn Minuten indirekt Dinge vorweg, durch die man später in der ungekürzten Show elementare Überraschungsmomente lange vorhersehen kann. Was also anfänglich noch sehr gut funktioniert, steht dem angedachten Gruselvergnügen später im Weg. So wie die Cairnes-Brüder ständig ihrem eigenen Film selbst im Weg stehen. Als versiertes Horror-Publikum akzeptiert man noch die Hinweistafel, dass die aus dem Giftschranke befreite ‚Night Owl‘-Episode mit bislang unbekanntem Bildmaterial in chronologische Ordnung gebracht wurde. Jene Aufnahmen dokumentieren die Vorkommnisse im Studio, während der angedachten Werbepausen. Und hier beginnt das vielversprechende Gerüst des Films letztendlich auch zusammenzufallen.
Wer soll diese Aufnahme gemacht haben? Warum hatte überhaupt jemand die Intention, heimlich mit versteckter Kamera scheinbar alltägliche Abläufe hinter den Kulissen zu filmen? Und am wichtigsten, warum sehen diese Szenen nach modernen Aufnahmen aus, und nicht nach zeitgenössischem Material? Hier weiter auf diese Lückenfüller für die Werbepausen einzugehen, würde mit jeder vagen Andeutung zu viel von den Ereignissen während der eigentlichen ‚Night Owl‘-Show verraten. Sicher ist, dass es keinen Sinn ergibt. Es ist für das vielversprechende Konzept schlichtweg überflüssig. Aber die Regie-Brüder scheinen entweder ihren eigenen Absichten oder ihrem Publikum nicht zu vertrauen. Sie gehen den sicheren Weg und erklären viel lieber, anstatt den Zuschauerinnen und Zuschauern die Erfahrung einer wirklichen Live-Übertragung zu gönnen. Wäre es nicht viel spannender und mysteriöser, würde man nichts über den Verbleib bestimmter Gäste nach den Werbepausen erfahren? Wäre es. Nur nicht für die Regie-Brüder.
Ja, wie das Marketing verraten hat, hält der Teufel Einzug in die Sendung. Und da gibt es einen Moment, in dem die Sendung mit der Tafel ‚technische Störung‘ unterbrochen wird. Tatsächlich wagen es die Macher, die Tafel über längere, enervierende Zeit stehen zu lassen. Das ist genau so eine kreative Entscheidung, die aus LATE NIGHT WITH THE DEVIL etwas Besonders gemacht hätte, wären Cameron und Colin Cairnes in allen Belangen so mutig gewesen. Auch Matthew Temple schafft es nicht, seine für eine Studiosendung authentische Kameraarbeit zu halten. Wenn die Situation auf der Bühne und beim Studiopublikum anfängt außer Kontrolle zu geraten, bedienen sich die Regisseure doch einer modernen Kameraführung, mit sorgsam inszenierten Schwenks und Zooms. Sie wagen es nicht, auch nur einmal eine Begebenheit im Off geschehen zu lassen, wie es mit schwerfälligen Studiokameras realistisch wäre. Spätestens in den letzten dreißig Minuten folgt der Film einer ganz ordinären Horrorfilm-Umsetzung.
LATE NIGHT WITH THE DEVIL hat viel versprochen, und kaum etwas gehalten. Optisch gibt es einiges zu bewundern, solange die Regisseure dem Siebzigerjahre-Look in vollem Umfang treu bleiben. Sehr überzeugend kann sich hier David Dastmalchian endlich auch einmal in einer Führungsrolle profilieren. Dem steht aber leider Ian Bliss als schlecht gespielter, ständig vorlauter Charmichael Haig gegenüber. Dem Film hätte es viel besser getan, hätte man Bliss‘ Zügel ordentlich straff gehalten. Dafür sorgt die junge Ingrid Torelli als Überlebende eines Satanskults für echte Gänsehaut. Torellis unwirkliche Erscheinung wäre für den Film die perfekte Horrormanifestation gewesen, hätte die Inszenierung nicht schon lange vor ihrem Auftritt als Lilly den vielversprechenden Pfad des außergewöhnlichen Konzeptes verlassen. Gerade als man dachte, dass Sub-Genre des Found Footage Horror wäre endlich ausgestorben, kommt ein Film der beweist, warum es begraben bleiben sollte.
Darsteller: David Dastmalchian, Laura Gordon, Ingrid Torelli, Rhys Auteri, Ian Bliss, Fayssal Bazzi u.a.
Regie, Bildschnitt & Drehbuch:
Colin Cairnes & Cameron Cairnes
Kamera: Matthew Temple
Musik: Glenn Richards
Produktionsdesign: Otello Stolfo
Australien, VAE, USA / 2024
93 Minuten