KNOCK KNOCK KNOCK

Cobweb 1 - Copyright TOBIS FilmCOBWEB
– Bundesstart 01.05.2024
– Release 20.07.2023 (UAE)

Nach der französischen Blu-ray Fassung.
Noch immer beherrschen starke Nachwehen des Schauspieler- und Autorenstreiks die Kinos, mit einer Dominanz von Startterminen aus dem Horror Genre. Die gewinnträchtigen Studiofilme wurden verschoben, und Platzhalter sind meist billige Produktionen, die nicht auf das werbende Schaulaufen von gewerkschaftlich gebundenen Stars angewiesen sind. Oder man kramt zur Belebung der Kinokassen Filme aus dem Katalog, die wegen diverser Gründe keine Kinoauswertung erfahren sollten. Das Schicksal von COBWEB – KNOCK KNOCK KNOCK liegt irgendwo dazwischen. Sein Starttermin lag in USA zum Scheitern verurteilt am Wochenende von OPPENHEIMER und BARBIE, da verzichtete Lionsgate auch gleich auf adäquates Marketing. Und das hat dieser Film eigentlich nicht verdient. In anderen Ländern bereits geraume Zeit für den heimischen Bildschirm, darf COBWEB wenigstens in Deutschland im Kino kollektive Zitterpartien erzeugen.

Der achtjährige Peter ist ein stiller, zurückgezogener Junge, Opfer des Schulrüpels, und er hört des Nachts ein Klopfen aus der Wand seines Zimmers. Alles nur Einbildung, beruhigen ihn seine Eltern. Man bekommt auch sofort einen Eindruck davon, warum das Klopfen nicht so unwahrscheinlich ist, und die Eltern vielleicht nicht ganz ehrlich sind. Regisseur Samuel Bodin geht in seinem Erstlingswerk sofort in die Vollen, und versucht erst gar nicht, genretypisch eine heile Welt ins Grauen zu stürzen. Carol und Mark ist das wirklich gruseligste Elternpaar seit langem. Sie überschütten Peter mit Liebe und Fürsorge. Es sei denn er widerspricht, oder behauptet eine Stimme zu hören.

Denn zu dem nächtlichen Klopfen gesellt sich bald die Stimme des kleinen Mädchens Sarah, die um Hilfe fleht. Sie sei von Carol und Mark hinter den Wänden eingesperrt worden. Je mehr Peter versucht irgendeine plausible Antwort zu finden, desto ungehaltener und rabiater reagieren seine Eltern. Aber sein Selbstvertrauen wächst mit der intensiveren Bindung zu dem mysteriösen Mädchen hinter den Wänden. Der Lehrerin sind Peters merkliche Veränderungen suspekt, doch sie hätte sich besser nicht eingemischt. Das merkt man sofort an Lizzie Caplans wahnsinnigen Blick. Was den Gruselfaktor angeht, ist Caplan das düstere Herzstück von COBWEB.

Schon als Annie Wilkes war Lizzie Caplan weit schauriger als Kathy Bates, in der selben Rolle für Stephen Kings MISERY. Aber hier hat sie ihre zehnstufigen Psychoverstärker auf Elf gedreht. Sie und Antony Starr spielen sich als unangenehm undurchsichtige Eltern so bravourös die neurotischen Bälle zu, dass die Leinwand friert. Die Weise wie sie sich ausdrücken, steht immer im Gegensatz zu Mimik und Körpersprache. Und das definiert auch den Nervenkitzel für den ganzen Film. Denn für lange Zeit gelingt COBWEB äußerst geschickt mit dem schaurigen Mysterium, von dem was tatsächlich vor sich geht, zu spielen. Wer ist wirklich böse und wer gehört tatsächlich zu den Guten?

Cobweb 2 - Copyright LIONSGATE

Streng genommen ist COBWEB Chris Thomas Devlins echtes Autoren-Debüt. Sein Erstling TEXAS CHAINSAW MASSACRE (2022) war schließlich Adaption des hinlänglich bekannten Materials. Und bis auf den letzten Akt, ist das Buch ein großartiger Einstieg, dass mit sehr viel Eigenständigkeit in Form und Inhalt überzeugt. Nur in den letzten 25 Minuten bevorzugt der Film dann doch das vertraute Terrain einer klaren Struktur. Am Ende bittet das entlarvte Böse zu einem eher standardisierten Showdown. Doch Dank der ersten fabelhaften Stunde kann COBWEB den Adrenalinspiegel halten. Was natürlich unmittelbar mit Samuel Bodins lückenlos straffer Inszenierung zu tun hat.

Regisseur Bodin ist ebenfalls Debütant, zumindest für die große Leinwand. Und er weiß sehr genau die Mechanismen von Genre und dem Kino im Allgemeinen zu nutzen. Zuerst einmal gibt es keinen Leerlauf, Bodin treibt aber auch nicht. Er versteht unheimliche Atmosphäre zu schaffen und zu halten, was den Film letztendlich auch definiert. Immer wieder spricht der Film die Kindheitsängste des Publikums an. Wo andere versuchen mit uninspirierten Jump Scares Stimmung zu machen, verzichtet Bodin in entsprechenden Momenten elegant und effektiv auf kreischende Schockeffekte. Auch wenn der Regisseur immer bitterböse mit der Erwartungshaltung spielt. Atmosphäre eben.

Gerade die mutmaßlich ruhigen Szenen, in denen das Auditorium in vollkommene Stille versinkt ohne von billigen Jump Scares aufgebrochen zu werden, gestalten hochgradig wirkungsvolle Spannungsmomente. Allerdings hätte COBWEB im visuellen Sektor ein motivierteres Konzept vertragen können. Philip Lozano gestaltet die Innenszenen grundsätzlich zu dunkel, und fokussiert ohne weitere Lichtakzente lediglich Kernelemente der jeweiligen Sequenz. Dazu sind in vielen Einstellungen auch nur unklare Schatten wahrnehmbar. Die von Farbe entsättigten und kontrastarmen Außenaufnahmen bilden keinen dramaturgischen Gegenpol zu der elektrisierenden Stimmung im Haus.

Das sich COBWEB dann doch vom trendigen Einerlei des Marktes abhebt, ist der Verdienst von Samuel Bodins konzentrierter, aber nie übereilter Inszenierung. Und natürlich dem kunstvollen Handlungsaufbau, der sein rätselndes Publikum in schaurig schöner Spannung hält, getragen von außerordentlich beängstigenden Protagonisten. Das baut eine so wunderbar fesselnde Atmosphäre auf, dass diese auch noch den eher verhalten originellen Showdown zu tragen versteht.

Cobweb 3 - Copyright LIONSGATE

 

Darsteller: Woody Norman, Lizzy Caplan, Antony Starr, Cleopatra Coleman, Luke Busy, Steffanie Sampson u.a.
Regie: Samuel Bodin
Drehbuch: Chris Thomas Devlin
Kamera: Philip Lozano
Bildschnitt: Kevin Greutert, Richard Riffaus
Musik: Drum & Lace
Produktionsdesign: Alan Gilmore
Bulgarien, USA / 2023
88 Minuten

Bildrechte: TOBIS Film / LIONSGATE
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