IMMACULATE

Immaculate 1 - Courtesy CAPLIGHT PICTURES / CENTRAL– Bundesstart 04.04.2024
– Release 20.03.2024 (FR)

Die Novizin Cecilia kommt aus Amerika in ein Kloster in der Nähe von Rom. Für ihr Noviziat war sie der Einladung von Vater Tedeschi gefolgt. Er und Mutter Oberin heißen Cecilia im Kloster herzlich willkommen. Dank eines brutalen Prologs wissen wir, dass die Herzlichkeit nicht zwingend mit guten Absichten verbunden ist. Als Cecilia erleben wir Sydney Sweeney, aus der grandiosen Riege von herausragenden Jungstars, wie auch Zendaya, Anya Taylor-Joy oder Florence Pugh. 2014 hat Sweeney bereits mit sechzehn Jahren für die Rolle der Cecilia vorgesprochen. Einem Projekt das nicht realisiert wurde. Acht Jahre später wird sie Produzentin, setzt sich mit Drehbuchautor Andrew Lobel zusammen, engagiert Regisseur Michael Mohan, und lässt IMMACULATE selbst produzieren. Mit Michael Mohan hat Sydney Sweeney bereits THE VOYEURS gedreht. Welche Hoffnungen Sweeney in Mohan setzte bleibt unklar. Zumindest ist THE VOYEURS ein stark konstruierter Thriller, der berechtigte Zweifel für IMMACULATE weckt.

Mit den freien Möglichkeiten eines Horrorfilms, erzählt der Film von körperlicher Selbstbestimmung, über die Gewalt des Patriarchats, und von den Tücken der eigenen Wahrnehmung. Der Film könnte sicher auch Kirchgegner und Gläubige gleichermaßen provozieren. Wobei die eine Gruppe sowieso mit einer vorgefertigten Meinung kommen würde, und die anderen meiden Filme dieser Art ohnehin. Aber neben dem primären Thema der Selbstbestimmung, nach Sweeneys Aussagen ihre Motivation für diesen Film, gibt es dabei eine Komponente, die an dieser Stelle leider nicht besprochen werden kann. Umso heftiger werden die Diskussionen ausfallen, wenn man diese erfahren hat.

Cecilia bemerkt ziemlich schnell, dass sich hinter dem Idyll von spiritueller Erleuchtung eine befremdliche Welt auftut. Ein unkonventionelle Schwester freundet sich mit ihr an, verschwindet aber spurlos. Eine andere ist extrem feindselig, bis zur körperlichen Gewalttätigkeit. Zudem wird Cecilia von unbestimmten, dennoch unangenehmen Visionen geplagt. Und dann offenbart ihr der Arzt des Klosters, eine nachweislich unbefleckte Schwangerschaft reinen Herzens. Je mehr Cecilia vom Orden als zweite Jungfrau Maria gepriesen wird, desto mehr zweifelt sie an der Göttlichkeit in den Ereignissen. Und daraus zaubert Michael Mohan einen Film, der alle Register des Horror zieht.

Und bei ‚alle Register des Horror‘, ist das wortwörtlich zu verstehen. Denn es wird kein Sub-Genre ausgelassen, und auch keine Epoche des Kinos. Die Stimmung ruft Erinnerung an die parapsychologischen Thriller des italienischen Kinos der Siebziger wach. Es gibt auch unsägliche Jump-Scares, frei nach dem aktuellen Blumhouse Trend. Die Mysterien schwanken zwischen Robert Eggers und Ari Aster. Und seit Nicolas Winding Refns DRIVE ist die explizite Deformierung eines menschlichen Schädels zum Standard in der Industrie geworden. Das ist tatsächlich sehr interessant zu beobachten, und es entsteht auch nie Leerlauf. Doch IMMACULATE erlangt atmosphärisch nie Eigenständigkeit.

Immaculate 3 - Courtesy CAPLIGHT PICTURES / CENTRAL

Was den Film interessant macht, macht leider keinen guten Film. Michael Mohan inszeniert die Erzählung sehr straff, und ist auch immer darauf bedacht etwas geschehen zu lassen. Und das ist nicht nur einfach zu viel, es wird einem die Möglichkeit verwert, sich auf eine einheitliche Stimmung einzulassen. Wie ein ‚Das Beste aus… ‚ hastet Mohan von einem Schauwert zum nächsten. Und dazwischen agiert eine sehr überzeugende Sydney Sweeney, die aber nie die Chance bekommt, die Figur mit ihrem Talent und ihren Möglichkeiten zu vertiefen. Ihr wachsende Verunsicherung überträgt sich durchaus auf das Publikum, aber Cecilia ist eigentlich mehr als ein ängstlicher Charakter.

Was hingegen richtig Freude bereitet, sind Elisha Christians exzellente Bilder, Stammkameramann von Michael Mohan. Mit traumwandlerischem Gespür für den Ausdruck jeder einzelnen Sequenz begleitet das Objektiv die Figuren als Spiegel von Cecilias Wahrnehmung. Christian setzt die Kamera stets im passenden Moment in die richtige Einstellung. Christian Masinis kongeniale Montage macht daraus fast fließende, kaum wahrnehmbare Bildwechsel. Die resultierende Stimmung ist bis zu dem Grad einladend, bis sich das Gefühl einstellt, selbst schwer entkommen zu können. Die visuelle Ästhetik weckt Erinnerungen an Roegs WENN DIE GONDEL TRAUER TRAGEN.

IMMACULATE weckt Erinnerungen an viele außergewöhnliche Filme aus dem Genre. Aber er erreicht nie die Qualitäten jener möglichen Vorbilder. Buch und Regie wollen einfach nicht auf die wahren Stärken vertrauen. Das ist sein griffiges und kritisches Grundthema, eine beeindruckende Atmosphäre, und Sydney Sweeney, die so in ihrer Rolle versinkt und in dieser aufgeht, dass ihre ursprüngliche Faszination für Lobels Buch spürbar wird. Letztendlich ist da ja noch diese Auflösung der Geschichte, die man noch lange mit sich herumträgt, ob man will oder nicht. Auf das Gesamte gesehen macht das Ende keinen besseren Film, aber das was hängen bleibt, hinterlässt zumindest den Eindruck von gutem Horror. Wobei man einen schaurigen Unterhaltungswert nicht absprechen kann. Auch wenn er weit hinter den Möglichkeiten bleibt.

Immaculate 2 - Courtesy CAPLIGHT PICTURES / CENTRAL

 

Darsteller: Sydney Sweeney, Álvaro Morte, Simona Tabasco, Benedetta Porcaroli, Giogio Colangeli, Dora Romano u.a.
Regie: Michael Mohan
Drehbuch: Andrew Lobel
Kamera: Elisha Christian
Bildschnitt: Christian Masini
Musik: Will Bates
Produktionsdesign: Adam Reamer
Italien, USA / 2024
89 Minuten

Bildrechte: CAPELIGHT PICTURES / CENTRAL
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