IMAGINARY

Imaginary 1 - Copyright LEONINE Distribution– Bundesstart 14.03.2024
– Release 06.03.2024 (FR)

Was ist los bei Lionsgate? Der Unterhaltungsriese, der noch im letzten Jahrzehnt mit Filmen wie WARRIOR, der TRIBUTE VON PANEM-Reihe, oder LINCOLN LAWYER zu unterhalten verstand. Dabei ist es Universal, die mit Blumhouse einen First-Look-Deal haben, aber den Vertrieb von IMAGINARY ablehnten. Bei Blumhouse sind die Zeiten von Schlag-auf-Schlag-Erfolgen wie INSIDIOUS oder GET OUT vorbei. Positive Ausreißer wie M3GHAN unterstreichen das. Spätestens die Katastrophe NIGHT SWIM hätte Zeichen genug sein müssen, dass selbst abgebrühte Horror-Nerds nicht alle absurden Ideen ohne weiteres hinnehmen. Bereits EXORCIST: BELIEVER hätte ein Omen sein müssen (bewusstes Titel-Wortspiel). Rechte erwerben ist eines, einen Film für teures Geld auf den Markt werfen etwas anderes. Vor allem bei einem Produkt wie IMAGINARY.

Jessica zieht mit ihrem Mann Paul und dessen zwei Kindern aus erster Ehe, Alice und Taylor, in das Haus ihrer Eltern. Alles verläuft ruhig, niemand ist aufgeregt, man nimmt sich Zeit für alles. Ein unrealistisches heile-Welt-Szenario wird aufgebaut, um es später mit Grusel und Schock zerstören zu können. IMAGINARY ist einer dieser Filme, in dem eine Fünfjährige vor eine gezeichneten Spinne eines Comics Angst hat, aber problemlos einen unbeleuchteten Keller mit unheimlichen Geräuschen erkundet. Hier entdeckt die kleine Alice den Teddy-Bären, den sie Chauncey nennen wird, und der fortan ihre bester Freund sein soll. Wer schon einmal im Kino war, kann die Geschichte zu Ende erzählen.

Fast. Denn Regisseur Jeff Wadlow hat sich mit seinen Co-Autoren Jason Oremland und Greg Erb eine gut gemeinte Wendung einfallen lassen. Allerdings kommt die weniger zur Geltung, weil der Film da schon alle Sympathien verspielt hat, die er vielleicht noch irgendwie gehabt haben könnte. Wenn ein Film wenig Gutes zu bieten hat, geziemt der Anstand wenigstens die positiven Elemente hervorzuheben. Das wäre hier die neunjährige Pyper Braun, die sehr überzeugend das goldige, behütenswerte, und gleichsam unausstehliche eine fünfjährigen Kindes auf die Leinwand bringt. Braun ist der Grund, wenn jemand auf den Gedanken kommt, IMAGINARY wäre gar nicht so schlecht.

Ist er aber. Besondere Originalität konnte man Regisseur Jeff Wadlow in seiner bisherigen Karriere noch nicht vorwerfen. Seine Co-Autoren Oremland und Gerb stehen in dieser Beziehung nicht hinten an. Wenn wegen des mörderischen Outputs bei Blumhouse schon FIRESTARTER-Remakes und Swimming-Pools herangezogen werden, kann die Idee eines Teddybären als imaginären Freund gar nicht so schlecht sein. Es kombiniert so einiges an cleveren Elementen, die Horror-Freaks bisher begeistern konnten. Eine mörderische Puppe oder das an INSIDIOUS‘ Ewigreich erinnernde Labyrinth. Die Macher haben sich hinreichend bedient, bei keinem der Vergleiche ginge IMAGINARY positiv hervor.

Gefangen in den unglaubwürdigen Klischees einer der Handlung angepassten Patchwork-Familie, überzeugt nicht einmal der Altersunterschied zwischen Vater und Tochter. Das Beziehungsgeflecht und die Konflikte entsprechen dem althergebrachten Standard unzähliger vorausgegangener Film. Alle Elemente der Handlungsstruktur sind lediglich entworfen, um im weiteren Verlauf entsprechend dramaturgisch förderlich zu sein. Die Geschäftsreise des Vaters, oder die pubertierende Zickigkeit der älteren Tochter. Keine der Figuren erfährt eine interessante Persönlichkeit. Jessica ist die nachsichtige Stiefmutter, damit sie in ihrer Güte die offensichtlichsten Warnhinweise ignorieren kann.

Imaginary 2 - Copyright LEONINE Distribution

Spannungsmomente inszeniert Wadlow überraschend selbstsicher, meist mit leider längst überholten Kameratricks. Da gaukelt die Kamera Perspektiven vor, die nie dem realen Sichtfeld eines Menschen entsprechen würden, nur damit etwas mit lautem Kreischen ins Bild springen kann. Oder ist es möglich, dass sich der süße Teddy Chauncey zwischen den Einstellungen bewegt hat? Doch der alte Trick mit der Wahrnehmung kann überhaupt nicht funktionieren, denn das Publikum ist gekommen ist, weil es weiß das der Teddybär ein bewegendes Eigenleben hat. Und so windet sich der Film von von einem Inszenierungsklischee zum nächsten, wobei jedes für sich unbefriedigend endet.

Entzieht sich IMAGINARY bis dahin jeder Form von Originalität oder Eigenständigkeit, wagen die Macher in den letzten zwanzig Minuten dennoch eine Überreizung ihres Konzeptes. Das heimische Horrorszenario wechselt zum Showdown in die Never Ever Zwischenwelt, wo sich eingebildete Welten von Kindern manifestieren. Mit frenetischen Schnittfolgen und fragwürdigem Lichtdesign. Und es gibt eine überraschende Wendung mit zwei Protagonisten, die keine ist, weil sie sich schon lange vorher abgezeichnet hat. Waren bisher allein Inszenierung und Handlung fragwürdig, kommen im letzten Viertel auch die Unzulänglichkeiten der anderen Gewerke vollends zur Geltung.

Das Design der Zwischenwelt ist uninspiriert uninteressant. Abgesehen davon, dass IMAGINARY mit dieser Weltenbildung vorgibt, wesentlich mehr zu sein. Was zum einen vollkommen überzogen ist, und die Macher offensichtlich aber auch nicht stemmen können. Das Teddybären-Makeup der bösen Never-Ever-Familie ist grotesk lächerlich. Never Ever selbst eine grandios schlechter Mix aus Zwischenwelten anderer, leider auch ansprechenderer Filme. Die Kameraführung kommt im Showdown dem frenetischen Treiben nicht hinterher, weil dem Set-Design auch eine innere Logik versagt bleibt. Und als wollte man dem Publikum den unschönen Finger zeigen, gibt es den monströs mutierten Chauncey als erkennbaren Darsteller mit einem allzu offensichtlichen Flokati-Konstüm. Es wird ganz sicher wieder bessere Zeit bei Lionsgate geben, und bei Blumhouse bestimmt auch. Mit IMAGINARY scheint das allerdings noch sehr weit weg.

Imaginary 3 - Copyright LEONINE Distribution

Darsteller: DeWanda Wise, Pyper Braun, Taegen Burns, Betty Buckley, Tom Payne, Samuel Salary u.a.
Regie: Jeff Wadlow
Drehbuch: Jeff Wadlow, Jason Oremland, Greg Erb
Kamera: James McMillan
Bildschnitt: Sean Albertson
Musik: Bear McCreary, Omer Ben-Zvi, Alexandre Cote, Kevin Lax
Produktionsdesign: Meghan C. Rogers
USA / 2024
104 Minuten

Bildrechte: LEONINE Distribution
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