– Release 13.11.2024 (world)
Mindestens zwei Menschen hatten merklich unverhohlene Freude an diesem Film. Der eine ist Ridley Scott, mit seiner ungestümen Leidenschaft für perfekt inszenierte Schlachtengetümmel. Der andere ist Denzel Washington, als intriganter, ständig sondierender Macrinus. Wahre Freude an der Arbeit kann ansteckend sein, wie es eben auch beim Antik-Epos GLADIATOR II geschieht. Die 24 Jahre seit dem ersten Film haben dem Ganzen wirklich gut getan. Wobei er allerdings als eigenständiger Film wesentlich besser bestehen würde. Etwas anders ausgedrückt, dieser zweite Teil verliert immer dann von seiner opulenten Strahlkraft, wenn in Rückblenden direkter Bezug auf das Original genommen wird. Aber wieder von einer anderen Seite, verursacht es unerwartet angenehme Gänsehaut, wenn Harry Gregson-Williams Soundtrack das Hauptthema von Zimmer und Gerrad des ersten Films aufgreift. Denn da gewinnt GLADIATOR 2 unvermittelt eine mitreißend spirituelle Ebene.
Für diejenigen die Ridley Scotts GLADIATOR sehr gut in Erinnerung haben, und sich noch immer an seinem hohen Unterhaltungswert erfreuen können, ist es ein ständiges Für und Wider. Auch 24 Jahre später muss niemand mit der historischen Genauigkeit anfangen, dass wäre weltfremd und überflüssig. Wer akkurate Geschichtskunde haben will, soll Scotts NAPOLEON sehen. Hier erst einmal heißt der neue Held Lucius, dem ein ähnliches Schicksal ereilt wie seinem Vorgänger. Der Tod seiner Frau durch römische Soldaten, macht ihn zum furchtlosen Wüterich. Eine Wut, die der ehemalige Sklave und jetzt Gladiatorenbesitzer Macrinus, sehr gut für seine politischen Intrigenspiele zu nutzen versteht. Am Ende steht wieder ein Mann gegen das Imperium, aber für Rom.
Paul Mescals aufgepumpte Physik wurde nicht etwa für den Film antrainiert, sondern bei der West End Produktion von ‚Endstation Sehnsucht‘ entdeckt, was letztendlich zum Anlass seiner Besetzung wurde. Der bisherigen Filmografie von Mescal folgend, wirkt er nicht wie die erste Wahl für einen Helden dieses Formats, aber der Regisseur und der Darsteller selbst belehren jeden Zweifler eines Besseren. Eines viel Besseren. Das dicke ‚Aber‘ ist im Original begründet, und führt erneut zum Für und Wider. Als Ridley Scott 1999 das Drehbuch von David Franzoni, John Logan und William Nicholson inszenierte, war es das längst unzeitgemäße, fast vergessene Genre des Sandalenfilms. Aber umgesetzt mit neuester Filmtechnik, und State-of-the-Art CGI, was dem Regisseur eine magische Verklärung von Ort und Zeit ermöglichte. Das alte Rom war wiedergeboren, wie man es in solch opulenter Pracht tatsächlich noch nicht gesehen und erlebt hat.
Die Magie eines fast schon mystischen ersten Erlebens kann Scott 24 Jahre später nicht mehr wiederholen. Die Epigonen in Film und Serie haben im Bestreben von mehr Computergrafik und noch mehr Gewalt der Wiederbelebung des Genres nicht wirklich gut getan. Aber jetzt zeigt Ridley Scott zeigt diesen Nachahmern auf, was deren Mängel waren. Es ist das Gesamtpaket von Technik, Kunst, Darstellung, und Geschichte, gepaart mit der nicht nachzuahmenden Energie, Leidenschaft und Phantasie eines Ridley Scott.
GLADIATOR 2 ist weit davon entfernt perfekt zu sein. Die Wiedererstehung einer magischen Welt in der Darstellung Roms, ist dem gewichen, was man eher als realistisches Abbild bezeichnen würde. Die Pavian-Schlacht innerhalb des römischen Kolosseums verliert deutlich von ihrer eigentlich vibrierenden Energie durch absurd überzogene Animationen. Und auch die Rolle von Caracalla, einem der zwei herrschenden Kaiser, hätte durchaus einen vielschichtigeren Schauspieler als Fred Hechinger vertragen. Gerade in einer leicht zu durchschauenden Handlung, die erst durch die Einzigartigkeit jeden Charakters an energetischer Spannung gewinnt. Wie Pedero Pascals herausragender Heerführer Acacius, der als Antagonist von Lucius nicht wirklich böse ist. Oder auch Macrinus von Denzel Washington, der mit derart aufpeitschender Spielfreude intrigiert, dass man sich immer wieder genötigt sieht, für den Bösewicht zu votieren.
Noch viel stärker als beim ersten Film, nimmt Scott die Dramaturgie der vergangenen Abenteuer- und Sandalenfilme auf. Bei jedem anderen Regisseur wäre dieses Unterfangen in die Peinlichkeit oder Persiflage abgerutscht. Die epochale Heldenreise, ausufernd martialische Schlachten, das pathetische Drama. Pathos wird auch hier ganz groß geschrieben, wie es sich für das antike Rom gehört. Ridley Scott hält erzählerisch außergewöhnlich präzise das Gleichgewicht zwischen den klassischen Komponenten eines großen Filmabenteuers. Und auch wenn er die wohl choreografierte Action ungemein aufbläst, die Handlung erst durch stark konstruierte, persönliche Verflechtung entsteht, Held Lucius‘ plötzliche Führungsqualitäten erhebliche Fragen aufwerfen, das Drama an Rührseligkeit kaum zu überbieten ist – Ridley Scott beherrscht das grandios.
GLADIATOR II hat alles, und von allem etwas mehr. Es wird ihn nicht zu einem Klassiker machen. Streng kalkulierte Filme werden selten Klassiker. Es war weder Russell Crowes Physis, noch sein Schauspieltalent, es war Crowes dominierende Präsenz, die 2001 Tom Hanks um seinen dritten Oscar brachte. Paul Mescal hat den Körperbau eines Gladiatoren, und sein facettenreiches Talent macht ich zu einem der komplexesten Darsteller unserer Zeit. Und er spielt mit, sprich, er spielt gegen die übermächtigen Pedro Pascal und Denzel Washington. Das macht diese Fortsetzung zu einem turbulenten Wechselbad der Gefühle an Sympathien, und das ist einfach unglaublich wundervoll zu beobachten.
Natürlich fehlt Hans Zimmer und Lisa Gerrards von Wagner inspirierter, grandioser Soundtrack. Der Vorteil von Harry Gregson-Williams eher konservativen Klängen, sind die vibrierenden Impulse die der Film bekommt, wenn er immer wieder kurz auf Zimmer und Gerrad zurückgreift. Dafür sind die Action-Sequenzen in ihren übermäßigen Schauwerten und ihrer Inszenierung schlichtweg atemberaubend. Das macht selbst die nur selten überzeugenden Tier-Animationen einigermaßen erträglich. Dafür ist der teils verstörend realistische Gewaltanteil wieder sehr überzeugend. Dank des phänomenalen Ensembles kommt schließlich eine ungewöhnliche Glaubwürdigkeit in die ruhigeren Charakterszenen. Ridley Scott ist nach wie vor ein Handwerker der weit über seine eigene Vorstellung hinaus eine Welt zu gestalten versteht, die mitreißt, berührt und einen verschlingt. Kein Klassiker, aber perfektes Kino.
Darsteller: Paul Mescal, Pedro Pascal, Connie Nielsen, Denzel Washington, Derek Jacobi, Joseph Quinn, Fred Hechinger u.a.
Regie: Ridley Scott
Drehbuch: David Scarpe
Nach der Geschichte von David Scarpa & Peter Craig
Kamera: John Mathieson
Bildschnitt: Sam Restivo, Claire Simpson
Musik: Harry Gregson-Williams
Produktionsdesign: Arthur Max
Großbritannien, USA / 2024
148 Minuten