FURIOSA: A Mad Max Saga

– Release 22.05.2024

Furiosa - Copyright WARNER BROS

Es war klar, dass George Miller nicht wiederholen konnte, was er mit MAD MAX: FURY ROAD geschaffen hatte. Das Novum des Action-Kinos blieb bisher einzigartig in Intention und Realisation. Remake und Sequel in einem. Praktische Effekte statt Computer. Der alte Geist im zeitgeistigen Gewand. In immerhin über 40 Jahren hat Miller nur 13 Kinofilme inszeniert, und an 10 Drehbüchern mitgeschrieben. Dennoch beweist er sich verständiger gegenüber den gegenwärtigen Trends und Mechanismen des Kinos, als die meisten seiner um eine Generation jüngeren Filmemachenden mit wesentlich höherer Filmausbeute. George Miller legt nach, geht zurück, und überrascht mit einer visuellen Orgie, die nicht besser oder schlechter ist als der direkte Vorgänger. FURIOSA ist schlichtweg anders.

Diesbezüglich sollte man wissen, dass die Geschichte bereits vor FURY ROAD geschrieben wurde, und danach unverändert in Drehbuchform gebracht wurde. Auch hier an dieser Stelle muss man Miller die Huldigung vom Visionär zugestehen, wie in unzähligen anderen Publikationen auch, weil er es einfach ist. Und der Visionär wollte schon vor acht Jahren für Charlize Therons Imperator Furiosa eine klar gezeichnete Historie. Theron hatte sich deswegen schon auf die Fortsetzung gefreut, musste aber enttäuscht für Anya Taylor-Joy Platz machen. Filmgeschichte wird diese Entscheidung werten. Doch im hier und jetzt, an dieser Stelle, ist Anya Taylor-Joy zweifelsfrei die beste Entscheidung.

Furiosa 2 - Copyright WARNER BROS

Die Frau mit der markantesten Augenpartie im Filmgeschäft, spielt mit nur 30 Sätzen in 146 Minuten Film, ihre komplette Gefühlspalette mit den Augen. Und die Palette ist groß. Als kleines Kind wird Furiosa aus dem grünen und fruchtbaren ‚Ort des Überflusses‘ entführt. Beim Befreiungsversuch, wird Furiosas Mutter vor ihren Augen von Clan-Führer Dementus gefoltert und getötet. Durch eine prothetische Nase und verwilderten Bart fast unkenntlich, spielt Chris Hemsworth diesen Bandenchef mit der epischen Dramatik einer Shakespeare-Tragödie. So absurd sich Dementus anfänglich auch ausnehmen mag, macht Hemsworth aus ihm im Verlauf doch eine erschreckend tragische Figur.

Chris Hemsworth gestaltet diese Figur in beide Richtungen überzeugend, als einen für Mad Max typisch überzeichneten Antagonisten, und im Finale als gebrochenen Charakter mit ansprechendem Tiefgang. Er ist schließlich Furiosas Schicksal. Im Tauschgeschäft kommt sie als Kind in die Zitadelle des aus FURY ROAD bekannten Immortan Joe, verdient sich Respekt als Fahrerin, und muss bis ins Erwachsenenalter auf den Zeitpunkt ihrer Vergeltung warten. Es wird ihre erfüllende Bestimmung, den aufgestauten Zorn in befreiender Erbarmungslosigkeit zu entladen. Für den Tod ihrer Mutter und dem Verlust eines behüteten Lebens, ist am Ende Furiosas Rache gleichsam auch Erlösung.

Dazwischen gibt es Action im verschwenderischen Überfluss mit reizüberflutender Opulenz. Und dennoch kann man sich einfach nicht daran sattsehen. In dieser Runde von dystopischer Pracht, setzt der Regisseur in der Inszenierung der Fahrzeug-Stunts vermehrt auf Computer generierte Optik. Das schmälert keineswegs den visuell beeindruckenden Schauwert, sondern gewinnt mit seiner neuen Ausrichtung in der Umsetzung eine mitreißend eigenständige Bildästhetik. Die bis ins feinste Detail perfekt choreografierten Schlachtengetümmel und Verfolgungsjagden sind ein präzises Zusammenspiel von Schnitt, Kameraführung, Stunt-Design und Symbolik.

Furiosa 4 - Copyright WARNER BROS

FURIOSA ist unentwegt im Adrenalinrausch. Sehr laut, sehr schnell, jedoch ohne zu überfordern. Es ist eines der herausragendsten Merkmale des Films, dass man in den Stahl-, Blech- und Explosionsgewittern jederzeit den Überblick behält, und trotz hoher Schnittfrequenz in allen Einstellungen jedes der irrwitzige Details wahrnimmt. Danke Simon Duggans exzellenter Kameraarbeit. Die bewegt sich elegant und fließend zwischen atemberaubend weiten Landschaften und unerbittlichen Halbnahen in der Action. Aber Duggan ist sich ebenso bewusst, dass FURIOSA auch eine Charakter bezogene Erzählung ist, was er in den Interaktionen der Figuren perfekt zu akzentuieren versteht.

Immer wieder überrascht George Miller sein Publikum mit Wechsel von Comic-hafter Übertreibung zu emotionalem Tiefgang. Wobei sich die Charakterentwicklung durch die bereits bekannte Vor-, beziehungsweise Nachgeschichte wider Erwarten noch viel interessanter gestaltet. In vielen Bereichen könnte man FURIOSA als den besseren Film noch vor FURY ROAD setzen. Was allerdings ein eklatanter Fehler wäre. Denn in genauso vielen Bereichen ist der erste dieser beiden Film der Überlegene. Fakt ist – beide Filme sehen wie aus einem Guss geformt aus, und sind doch so unterschiedlich. Aber zusammen ergeben sie ein unglaublich stimmiges Gesamterlebnis, dass seinesgleichen sucht.

Aber seinesgleichen wird man kaum finden. Die kompromisslose Geradlinigkeit von FURY ROAD wurde auch dessen Erfolg. Mit der verzweigten, und fast schon messianisch anmutenden Erlösungsgeschichte von FURIOSA, erreicht FURY ROAD noch im Nachhinein eine gesteigerte Erzählebene. Von den viele Aha-Effekten die sich daraus in der aktuellen Fortsetzung ergeben, ganz zu schweigen. Es ist äußerst selten, dass Popcorn-Kino so anspruchsvoll sein kann. Und dieser Anspruch findet sich nicht einfach nur in der bildgewaltigen Opulenz und atemberaubende Tempo. Anspruchsvoll ist in erster Linie, welche radikale Energie diese mitreißenden Darsteller permanent freisetzen.

Furiosa 3 - Copyright WARNER BROS

Anya Taylor-Joy und Chris Hemsworth sind ein zerstörerisches Traumpaar, welches nur in einem Film bestehen kann in dem zwei Brüder Scrotus und Rectus heißen. Oder in dem die grandiosesten Fahrzeugkreationen nur geschaffen wurden, um im fulminanten Spektakulum zerstört zu werden. Glückwunsch an den sich hiermit selbstkrönenden Visionär Georg Miller, einen Fahrzeugdesigner wie Shane Baxley gefunden zu haben. Und Glückwunsch für ein weiteres Mitglied im sehr elitären Club der äquivalenten zweiten Teile. Die Welt von Mad Max ist ganz sicher keine Welt für jeden Kinogeschmack. Wer sich aber in den vorangegangen vierzig Jahren darin wohlgefühlt hat, wird sich bei FURIOSA vollends verlieren.

Furiosa 1 - Copyright WARNER BROSDarsteller: Anya Taylor-Joy, Chris Hemsworth, Tom Burke, Alyla Browne, George Shevtsov, Elsa Pataky, Lachy Hulme, John Howard, Angus Sampson u.a.

Regie: George Miller
Drehbuch: George Miller, Nick Lathouris
Kamera: Simon Duggan
Bildschnitt: Eliot Knapman, Margaret Sixel
Musik: Tom Holkenborg (Junkie XL)
Produktionsdesign: Colin Gibson
Fahrzeuge Design: Shane Baxley
Action & Stunt Coordinator: Guy Norris
Australien / 2024
148 Minuten

Bildrechte: WARNER BROS.

 

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