Drive-In: DIE HEISSE SPUR

Drive-In Night Moves

Bundesstart 19.09.1975 – Release 18.03.1975 (US)

Aus ABGESCHMINKT, Ausgabe September 1975, nach der deutschen Kinofassung:
Night Moves - Copyright WARNER BROSEinst war Harry Moseby professioneller Football-Spieler. Nach dem Karriereaus ist er Privatdetektiv in Los Angeles geworden. Harry Moseby ist einer dieser unbeschwerten Kerle, die jedem mit einem Lächeln begegnen, dass aber manchmal auch nur Fassade ist. Dennoch ist er kein Detektiv wie in den Krimis der schwarzen Serie aus den 50er-Jahren. Keine stoische, zurückgezogene Gestalt die so ist wie sie ist, und sich auch nicht erklären muss. Die Zeit dieser Detektive ist seit dem Aufbruch zum ’neuen Hollywood‘ nicht mehr gefragt. Harry Moseby wird von der alternden Film-Diva Arlene Iverson beauftragt, ihre 16-jährige Tochter Delilah ‚Delly‘ zu finden und nach Los Angeles zurück zu bringen. Arlene Iverson ist kein sympathischer Mensch, aber eine tragische Figur. Sie kann ihren Lebensstil nur durch Dellys Treuhandvermögen halten. Dazu muss aber die Tochter bei Arlene wohnen. Harry wird Delly später in Florida bei ihrem Vater Tom finden. Tom lebt mit Paula zusammen, einer unverschämt attraktiven Frau. Schon die erste Begegnung zwischen Harry und Paula bestimmt den restlichen Handlungsweg.

Dazwischen gibt es, der Filmsparte angemessen, viel Detektivarbeit mit schleierhaften Hinweisen und suspekten Leuten. So entpuppt sich die gesuchte Delly im Laufe der Handlung als frühreife Göre. Auch bei Harry lässt sie keine Gelegenheit aus, mit ihren Reizen zu kokettieren. Später gibt es noch einige Wendungen, die weniger überraschen, aber sehr gut funktionieren. Regisseur Arthur Penn kann man als einen der Mitbegründer des bereits genannten ’neuen Hollywood‘ anführen. Verwegene Enthusiasten die nicht nur Regisseure sein wollten, sondern freie Filmemacher, die mit den Konventionen und dem einschnürenden ‚Production Code‘ brachen. Arthur Penn hat dafür mit BONNIE & CLYDE den Grundstein gelegt. Schon etwas früher, hatte sich mit EIN FALL FÜR HARPER 1966 aber auch der klassische Detektivfilm verändert. Ross Macdonald war der Romanautor von HARPER. Auffallend an der Geschichte von DIE HEISSE SPUR, ist die grundsätzliche Ähnlichkeit zu den Detektivromanen von Ross Macdonald.

Night Moves 2 - Copyright WARNER BROS

Interessant dabei, dass wenige Tage vor diesem Film, in Amerika UNTER WASSER STIRBT MAN NICHT angelaufen ist, ebenfalls nach einem Roman des Autors Macdonald. Und dieser, wie Arthur Penns jetziger Film teilen die gleiche Grundidee: Ein Detektiv soll die frühreife Tochter aus reichem Hause finden. Ironie dabei: In beiden Filmen wird die gesuchte Tochter von Anfängerin Melanie Griffith gespielt, Tochter der legendären Tippi Hedren. Ihrer Leistung nach zu urteilen, wird aber der jungen Griffith keine besondere Zukunft im Filmgeschäft beschienen sein. Griffith‘ Figur der Delly wirkt ohnehin nur als geschickter Köder für die Handlung. Für DIE HEISSE SPUR hat Alan Sharp das Drehbuch geschrieben, der zuletzt BEGRABT DIE WÖLFE IN DER SCHLUCHT verfasst hatte. Von der vordergründigen Handlung schlägt die Erzählung immer wieder Haken zu Harry Mosebys persönlichem Schicksal. Arthur Penn inszeniert das wirklich raffiniert, so das die verschlungene Struktur des Krimis nicht darunter leidet.

Aber in Wirklichkeit ist der Regisseur mehr an den Menschen interessiert als an der eigentlichen Geschichte. Jede der Figuren hat eine Vergangenheit. Die eine wird stärker beleuchtet, die andere weniger. Aber bei jedem entwickelt man ein Verständnis für seinen Charakter. Das macht aus DIE HEISSE SPUR im Grunde einen Psychothriller, bei dem sich der Krimi immer mehr in den Hintergrund schiebt. Das merkt man auch in den Dialogen, die meist ungewöhnlich offen und unmissverständlich sind. Besonders Harry Mosebys Konfrontation mit seiner Frau Ellen, oder mit einem seiner Widersacher, sprechen einen mit ihrer direkten aber ruhigen Art fast schon persönlich an. Während zwischen Harry und Paula keine wirklichen Worte notwendig werden. Es ist erstaunlich, dass man die komplexe Rolle von Paula der unbekannten Jennifer Warren anvertraute. Aber, ein Vertrauen welches sich nicht nur durch Warrens enorme Ausstrahlung bestätigt. Mit darstellerischem Talent trägt sie mühelos die Hälfte des Films.

Night Moves 4 - Copyright WARNER BROS

Das undurchsichtige Wesen von Paula bildet einen stimmigen Gegensatz zu der Figur des Harry Moseby. Jennifer Warrens Karriere wird zweifellos nach diesem Film einen enormen Schub bekommen. Aber selbst wenn sie DIE HEISSE SPUR maßgeblich mitbestimmt, ist es Gene Hackmans Film. Hackman hat schon bei BONNIE & CLYDE mit Arthur Penn zusammengearbeitet. Harry Moseby ist absolut konträr zu der Figur des Popeye Doyle in BRENNPUNKT BROOKLYN, für den Hackman vor vier Jahren einen Oscar gewonnen hat. Genau das beweist auch das Talent des Schauspielers. Gene Hackman überzeugt ebenso einnehmend als ruhiger und überlegter Detektiv. Weil Hackman ihm mit spürbarer Hingabe eine glaubwürdige Persönlichkeit verleiht. Moseby ist genauso verletzlich wie brutal, kann nachdenklich sein und ebenso sprunghaft. Arthur Penn zeigt keine klassische Heldenfigur, sondern einen harten und fokussierten Detektiv der im Privaten durchaus auch an seiner eigenen Sensibilität scheitert könnte.

Am Ende der 60er-Jahre wurde das Kino für die Siebziger bestimmt. Jetzt in der Mitte des Jahrzehnts angekommen, ist DIE HEISSE SPUR einer der beispielhaften Vertreter des modernen Spielfilms. Aber der Film biedert sich nicht dafür an, sondern ist für sich alleine beeindruckende Unterhaltung. Er spielt seine Stärken richtig aus, und schafft es damit seine Unzulänglichkeiten auszublenden. Man beachte nur die unzähligen Details, die unwichtig erscheinen, aber den Film lebendiger und damit auch authentischer machen. Paulas qualmendes Auto, oder das nervende Lachen eines Nebendarstellers. Arthur Penn führt seine Geschichte nicht einfach nur vor, er lässt sie wirklich miterleben.

Night Moves 3 - Copyright WARNER BROSDarsteller: Gene Hackman, Jennifer Warren, Edward Binns, Melanie Griffith, Harris Yulin, James Woods, Anthony Costello u.a.

Regie: Arthur Penn
Drehbuch: Alan Sharp
Kamera: Bruce Surtees
Bildschnitt: Dede Allen, Stephen A. Rotter
Musik: Michael Small
Produktionsdesign: George Jenkins
Set-Decoration: Ned Parsons
USA / 1975
100 Minuten

Bildrechte: WARNER BROS
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