Dieser Artikel erschien bereits am 26.10.2015 um die Zeit zwischen Christopher Nolans INTERSTELLAR und DUNKIRK zu überbrücken.
Die Filmverleiher Drop-Out Cinema und Pandastorm Pictures bringen ab dem 6.6.2024 FOLLOWING als Wiederaufführung ins Kino. Wahrscheinlich um die Zeit bis zum nächsten Film von Christopher Nolan zu überbrücken.
– Bundesstart 17. Februar 2005
– Release 02.04.1999
– auf DVD
Christopher Nolan noch lange zuerst einmal mit BATMAN in Verbindung gebracht werden. Verständlich. Die Fan-Gemeinschaft des Briten wird dagegen immer wieder mit MEMENTO kontern. Der Film, der Nolan regelrecht ins Rampenlicht katapultierte. Allerdings nicht sein erster Spielfilm. Nur zwei Jahre vorher drehte er mit minimalsten Budget FOLLOWING. Die Summe von 6000 wird in Dollar angegeben, obwohl der Film in Großbritannien entstanden ist. So oder so wäre es nach wie vor einer der minimalsten No-Budget-Filme. Über ein Jahr nahm die Produktion in Anspruch, weil alle Beteiligten anderweitige Vollzeitjobs hatten, und sich die Drehtage auf die Wochenenden beschränkten. Jede Szene wurde zuerst exzessiv geprobt, um das Drehverhältnis möglichst bei 1:1 zu halten.
Bill ist ein erfolgloser Schriftsteller, mit eigenartigem Hobby. Er folgt Leuten, beobachtet wohin sie gehen, was sie tun, was sie vielleicht in ihren Einkaufstaschen tragen. Bill sieht sich nicht als Voyeur, sondern will sich durch seine Beobachtungen zu Geschichten inspirieren lassen. Doch eines Tages fliegt er auf, und wird von Cobb zur Rede gestellt. Cobb hat Bills Tun sofort durchschaut. Natürlich, denn Cobb ist Einbrecher, also ein Mann mit sehr viel Menschenkenntnis. Diese Menschenkenntnis erlangte Cobb, weil er einfach einbricht um zu stehlen. Er interessiert sich für Menschen. Was besitzen sie, wie sind sie eingerichtet, auf was legen sie wert, welche Weine trinken sie, und wie kann man ihnen durch diesen Einbruch schaden. „Man muss ihnen etwas wegnehmen, …damit sie wissen was sie hatten“. Bill wird ein wissbegieriger Begleiter von Cobb. Bei einem dieser Streifzüge kommen sie in die Wohnung eines Pärchens, in der überall Fotos der „blonden Frau“ herum liegen. Bill ist von ihr fasziniert, beginnt bald auch ihr zu folgen, und spricht sie schließlich in einer Bar an. Entgegen aller Belehrungen von Cobb. Mit der „blonden Frau“ eröffnet sich ein zweiter Handlungsstrang. Glaubt zumindest Bill.
Wie in diversen seiner nachfolgenden Filme, erzählt Nolan auch diese Geschichte nicht chronologisch. Das ist oftmals sehr spannend, gerade wenn es auf die Auflösung zugeht. Fast jede zweite Minute wechselt der Film die Zeitebene. Doch ab und an verwirrt Nolan auch mit dieser Erzählstruktur. Der Zuschauer braucht dabei immer etwas, um sich orientieren zu können. Mit seinen groben Schwarzweißaufnahmen auf 16mm gedreht, und der hauptsächlichen Schulterkamera, zelebriert Filmautor Nolan seine eigene Variation der Nouvelle Vague. Viele Dialoge, aber vor allem die Inszenierung wecken starke Erinnerungen an die Frühwerke der Pariser Filmemacher. Doch gleichzeitig schafft Nolan mit seiner Geschichte auch eine große Verbeugung vor der Hochphase des Film-Noir. Die kaum zu durchschauenden Figuren, und eine verschachtelte Handlung, welche eine hohe Aufmerksamkeitsspanne erfordert. Erst am Ende fügt sich ein Puzzleteil an das nächste, erst hier ergeben viele Zeitsprünge nach und nach einen Sinn. Einen sehr raffinierten, auch sehr perfiden Sinn. Wer sagt die Wahrheit? Wer spielt welche Rolle? Bill, eigentlich als „der junge Mann“ im Abspann, steht mittendrin. Ahnungslos und naiv. Und als er endlich Zusammenhänge richtig zu deuten versteht, könnte es schon fast zu spät sein.
Zeitgleich zu den unumstößlichen Anleihen ans Arthouse-Kino, definiert Nolan aber auch sein ganz eigenes Kino. Wenn er nicht nur die Zeitlinien der Handlung verschachtelt, sondern den Zuschauenden auch die Aussicht auf eine offensichtliche Auflösung nimmt. Der Filmautor ist mit FOLLOWING noch weit von der genialen Komplexität von MEMENTO entfernt. Aber dieser Erstling ist für sich gesehen schon sehr spannendes, gut erzähltes Kino, das kaum einen Filmfreund enttäuschen dürfte. Und wenn man über Schwächen des Films reden müsste, dann sind sie sicherlich dem atemberaubend niedrigen Budget von 6000 Dollar geschuldet. Der dreiminütige Erstling DOODLEBUG von Nolan soll fast 1000 Dollar gekostet haben. Also das Preis-Leistungs-Verhältnis stimmt allemal. FOLLOWING lässt sich am besten genießen, wenn man dem Verlangen widerstehen kann, unbedingt Vergleiche anzustellen.
DOODLEBUG, ebenfalls mit Jeremy Theobald, ist in schlechter Qualität auf YouTube.
Der Artikel wurde überarbeitet, ist aber inhaltlich unverändert geblieben.
Darsteller: Jeremy Theobald, Alex Haw, Lucy Russell, John Nolan u.a.
Regie & Drehbuch & Kamera: Christopher Nolan
Bildschnitt: Gareth Heal, Christopher Nolan
Musik: David Julyan
Produktionsdesign: Tristan Martin
Großbritannien / 1998
69 Minuten