A SACRIFICE
– Bundesstart 01.08.2024
– USA 28.06.24 (internet)
Jordan Scotts zweiter Spielfilm, und ihre neunte Regiearbeit, macht bereits nach einem sehr kurzen Anlauf den untrüglichen Eindruck, dass man das alles schon einmal gesehen hat. Viele Male. Nur wesentlich besser. Der in verschiedenen Ländern mit dem nicht verständlichen Titel BERLIN NOBODY angepriesene Film bezeichnet sich als psychologisches Thriller-Drama, lässt aber Spannung und Drama vermissen. Was überzeugt, ist die Vater-Tochter-Dynamik von Eric Bana und Sadie Sink. Das ist eine Beziehung die man Dank der Natürlichkeit der beiden Darsteller gerne länger beobachten würde, die viele interessante Dinge möglich machen würde. Leider steht ihnen da aber Jordans selbst verfasstes Drehbuch im Weg, dass die beiden mühsam durch die Versatzstücke von Psychothrillern treibt. Diese Blaupausen machen den Film so ungeschickt vorhersehbar, dass man mit Bana und Sink fast schon Mitleid haben könnte, wäre man nicht mit dem Kampf der eigenen Geduld beschäftigt.
Der amerikanische Sozialpsychologe Ben Monroe ist nach der Trennung von seiner Frau in Berlin sesshaft geworden. Über gute Beziehungen, darf er für Buchrecherchen über soziale Verhaltensweisen, den Tatort eines dubiosen Massenselbstmordes von Anhängern eines Kultes besichtigen. Dort lernt er die zuständige Kriminalistin Nina kennen, mit der er, wie zu erwarten, zarte Bande knüpft. Zur selben Zeit kommt Monroes Tochter Mazzy nach Berlin, die noch direkt am Flughafen den gleichaltrigen Martin kennenlernt. Martin kann Mazzy gleich für eine Umweltorganisation begeistern, für die er sich stark macht. Angeführt von der vermeintlich charismatischen Hilde, macht die Organisation eher den Eindruck einer Sekte. Eventuelle Zusammenhänge dürften offensichtlich sein.
Schon im Vorfeld wurde Jordan Scott mit den Vorwürfen des Nepo-Babys überzogen, was mit dem fertigen Produkt allerdings für Verwirrung sorgt. Bei der Tochter von Ridley Scott, und dessen Engagement als Produzent, erwartet man einen anspruchsvolleren Film. Aber der deutsch-amerikanischen Co-Produktion fehlt es an grundsätzlicher Spannung, filmtechnischer Finesse, und vor allem intellektueller Auseinandersetzung. Während die Interaktionen zwischen Bana und Sink perfekt funktionieren, ist die Zeichnung ihrer Beziehung nicht natürlich, sondern nur den Erfordernissen der Handlung angepasst. Man kann Sophie Rois ihre darstellerischen Qualitäten nicht absprechen, aber als charismatisch anziehender Fokus einer Sekte ist sie völlig deplatziert.
Scott nimmt ihr Thema einfach nicht ernst, sondern nimmt einen fragwürdigen Sektenkult lediglich als bequemen Antagonisten. Eine plausible Erklärung für die Funktionalität oder Ziele der Sekte bleibt aus. Was Menschen überhaupt, und hier speziell Martin, zu dem Kult treibt, interessiert die Filmemacherin nicht. Es wäre aber eine grundsätzliche Voraussetzung, um das Publikum einzubeziehen. Jede Gut-gegen-Böse-Geschichte liefert eine Erklärung für das Böse, und sie zeigt den Zuschauenden die verführerischen Impulse diesem Bösen zu folgen. In diesem Film gibt es lediglich einen Feind, aber keinen Versuch die Menschen und ihre Motivation zu erklären. Der Faktor Mensch verliert zu Gunsten einer strukturellen Idee, die aber genau deswegen auch uninteressant wird.
Es gibt einige merklich gut gemeinte, aber letztendlich nur verwirrende Einfälle in der Inszenierung. Ab und an werden Szenen rückwärts abgespielt, kurze Sequenzen im zeitlichen Ablauf vorweg genommen. Eine Sinnhaftigkeit lässt sich nicht erkennen, außer vielleicht als Anlehnung an inszenatorische Gimmicks ähnlicher Genrevertreter. Darüber hinaus schafft es Scott nicht, eine eigene Bildsprache zu finden. Kamerafrau Julie Kirkwood gestaltet BERLIN NOBODY ähnlich dem Standard einer herkömmlichen TV-Produktion. Wirkliche Atmosphäre, geschweige denn eine unangenehm bedrohliche Stimmung erwartet man vergebens. Die ersten zwei Akte sind allein schon wegen Spannungslosigkeit etwas mühselig zu überstehen.
Im dritten Akt zerfällt der Film schließlich in ein völliges Chaos von schlecht konstruierten Wendungen. Dazu kommt ein widersinniger Versuch einen zeitgetriebenen Showdown auf Spannung zu trimmen, in dem die Regisseurin alle vorher eingeführten Regeln und Vorgaben missachtet, und versucht mit Unlogik einen nicht durchdachten Film zu retten. Hier wird BERLIN NOBODY für geneigte und erwartungsvolle Zuschauende endgültig zum echten Ärgernis. Schade um Eric Bana und Sadie Sink.
Darsteller: Eric Bana, Sadie Sink, Sylvia Hoeks, Jonas Dassler, Sophie Rois, Stephan Kampwirth u.a.
Regie & Drehbuch: Jordan Scott
nach dem Buch von Nicholas Hogg
Kamera: Julie Kirkwood
Bildschnitt: Rachel Durance
Musik: Volker Bertelmann
Produktionsdesign: Sebastian Soukup
Deutschland, USA / 2024
93 Minuten