TOUCH

Touch - Copyright FOCUS FEATURESa.k.a. SNERTING
– Bundesstart 08.08.2024
– Release 29.05.2024 (ISL)

Sanfte Spoiler voraus – ansonsten würde es über Baltasar Kormákurs jüngsten Film nicht viel zu erzählen geben. TOUCH dürfte wohl das bisher minimalistischste Werk des isländischen Filmemachers sein. Von High-End Mainstream TWO GUNS, über Hochglanz Arthouse INHALE, bis zu Trash Thriller BEAST. Island, Kino, TV, Hollywood. Kormákur ist als Europäer in seiner Karriere sehr schnell nach Amerika gekommen, hat sich aber nie festlegen lassen. Und das beschert einen nun diesen unglaublich stillen, sehr zurückhaltenden Film, dessen Geschichte mehr als fünfzig Jahre umspannt. „Erledigen sie ungeklärte Angelegenheiten, solange sie noch können“, bekommt Kristófer von seinem Arzt empfohlen. Der über Siebzigjährige schließt umgehend sein Restaurant, und damit geht der Film in der Zeit zurück.

Ende der Sechziger studiert Kristófer an der London School of Economics. Worüber seine linksliberalen Kommilitonen nur lose Worte fallen lassen, setzt der isländische Student in die Tat um. Kristófer schmeißt sein Studium hin, und wird Tellerwäscher im japanischen Restaurant Nippon nahe der Universität. Bei seiner neuen Berufung lernt er Miko kennen und lieben, Tochter des Besitzers Takahashi-san. Doch der innigen Beziehung ist keine Zukunft beschert. Über das Warum erzählt dann Kristófers Weg fünfzig Jahre später, der sich von Island aus auf macht, um in Japan Miko wiederzufinden.

Die bedächtige Ruhe, mit der Kormákur seinen Film erzählt, hat schon fast etwas Hypnotisches. Wim Wenders hat in diesem Jahr etwas Ähnliches mit PERFECT DAYS geschaffen. Erst später wird einem auffallen, wie reduziert nicht nur die Geschichte, sondern auch das einhergehende Konfliktpotential ist. Als Zuschauende erfahren wir nur das Notwendigste aus dem Umfeld der Figuren, im Heute genauso wie in den Sechzigern. Ebenso bleiben die ethnischen und kulturellen Unterschiede ohne größere Bedeutung. Kristófers Suche nach Miko verläuft ohne dramaturgische Probleme.

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So richtig will die Erzählung nicht ziehen. Selbst die Bilder von Bergsteinn Björgúlfsson wahren eine dezente Zurückhaltung, und konzentrieren sich ohne ausgefallene Spielereien auf das Wesentliche. Damit wird allerdings deutlich, dass Kormákur auch auf dem optischen Niveau dramaturgisch sehr viel verschenkt. Lediglich die Bildkontraste differenzieren die zwei verschiedenen Zeitebenen. Umso konkreter wird die Absicht des Regisseurs, sich auf die Essenz seiner Figuren fokussieren zu wollen. Für Kormákur sind die Charaktere in allen von ihm bedienten Genres das Wichtigste.

Allerdings vermittelt die Inszenierung des Filmemachers eine gewisse Distanz zu seinen Protagonisten. So wirklich annähern wollen sie sich nicht, weil dem Publikum viel an inneren Gefühlen und offenen Emotionen vorenthalten wird. Es mag einen natürlichen, einen realistischen Anstrich haben, aber es fehlt auf einer tieferen Ebene einfach die Identifikation und dramaturgische Bindung. Das macht es für die Auflösung umso schwieriger. Denn wenn sich am Ende das fünfzig Jahre alte Rätsel klärt, wirkt das weniger eindringlich, als was der wahre Grund für Mikos unvermitteltes Verschwinden hergeben könnte. Hier hat sich Baltasar Kormákur wirklich etwas inhaltlich Fantastisches einfallen lassen, was absolut Sinn ergibt und herzergreifend nachvollziehbar ist. Leider schafft es der Schauspieler-Regisseur wie bereits in der der ersten Hälfte, auch hier nicht seine Geschichte richtig emotional aufzuwerten.

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Darsteller: Egill Ólafsson, Kôki, Palmi Kormákur, Masahiro Motoki, Yôko Narahashi, Tatsuya Tagawa, Meg Kubota u.a.

Regie & Drehbuch: Baltasar Kormákur
Nach dem Roman von Olaf Olafsson
Kamera: Bergsteinn Björgúlfsson
Bildschnitt: Sigurður Eybórsson
Musik: Högni Egilsson
Produktionsdesign: Sunneva Ása Weisshappel
Island, Großbritannien / 2024
121 Minuten

Bildrechte: FOCUS FEATURES
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