A QUIET PLACE: DAY ONE

A Quiet Day One - Copyright PARAMOUNT PICTURES– Release 27.06.2024 (Welt)

Noch bevor John Krasinski mit der Realisierung des abschließenden dritten Teils zu A QUIET PLACE beginnen sollte, drängte Paramount auf einen quereinsteigenden Platzfüller. Verständlich, denn Krasinski hat immer wieder sein Vorhaben bekräftigt, dass sein Regie-Engagement mit den wieselflinken Außerirdischen und ihrem extrem sensiblen Gehör nach Abschluss einer Trilogie beendet sein wird. Was dann zu diesem Zeitpunkt in einem Jahr soweit ist. Eine gute Gelegenheit, die herausfordernde, aber geniale Idee von Scott Beck und Bryan Woods schon einmal vorbereitend so zu untermauern, dass sich mit der Gunst des Publikums auch ein profitables ‚Universum‘ aufbauen lassen könnte. Beck und Woods zeigten sich höchst zufrieden, wie Krasinski seinerzeit ihre Geschichte umgesetzt hatte. Auch DAY ONE macht den Eindruck, als hätte der jetzige Autor und Regisseur Michael Sarnoski den eigentlichen Nerv des Konzeptes der Außerirdischen-Invasion getroffen. Vielleicht hat das aber auch einiges damit zu tun, dass hier ebenfalls John Krasinski zumindest die Story entworfen hat.

Ihre letzten Tage verbringt die krebskranke Samira in einem Hospiz außerhalb New Yorks. Sie ist verbittert und zynisch, weswegen ihr ärztlicher Betreuer Reuben sie mit anderen Patienten zu einem Ausflug in die Stadt animiert. Samira schwärmt von einem letzten Besuch im Jazz-Club, in dem ihre Vater einst spielte, und einer Pizza von Patsy’s danach. Doch dann bricht während eines Meteoritenschauers die Hölle los, als mit den Himmelsobjekten abertausende Außerirdische die Stadt überrennen, die nicht sehen, aber dafür extrem gut hören können. Mit unverletzlicher Panzerhaut und unstillbaren Hunger nach Menschen, lassen die Kreaturen New York im Chaos versinken.

Hat man in QUIET PLACE II schon einmal den ersten Tag der Invasion in der Kulisse einer Kleinstadt erleben dürfen, erlebt man DAY ONE in der Atmosphäre einer Großstadt. Und es bleibt nicht aus, welche Erinnerungen der Film mit den Bilder der Zerstörung, der Panik, der Orientierungslosigkeit, und dem alles verhüllenden Staub weckt. Um die eingebrannten 9/11-Eindrücke kommt das Publikum nicht herum, wenn man diesem ein annäherndes Szenario realistisch und glaubwürdig antragen möchte. Aber Regisseur Sarnoski macht nicht den Fehler, diese Bilder zu kopieren, sondern entwirft ganz eigene, beängstigende Momente der Katastrophe. Mit beeindruckender Intensität.

Samira kann sich mit ihrer Therapiekatze Frodo durch das Chaos schlagen. Das Militär gibt an, sich zum Hafen zu begeben. Weil die Invasoren nicht schwimmen können, wird mit Booten evakuiert. Aber die wandernde Masse an Leuten erzeugt genug Geräusche, um die Kreaturen aufmerksam zu machen. Diese Sequenz ist signifikant für die konzeptionelle Basis der QUIET PLACE-Filme. Wie eine schweigende, schleichende Menge an Menschen zuerst unbehelligt bleibt, und dann wegen einer klappernden Dose zu kreischenden Opfern wird. Bei Krasinskis Filmen war es eine Familie auf dem Land. Sornoski wird mit der Verlagerung in die Großstadt der Formel eines Franchise durchaus gerecht.

A Quiet Day One 1 - Copyright PARAMOUNT PICTURES

Es ist Katze Frodo, die den Jurastudenten Eric findet, und mit Samira zusammenbringt. Nebenbei bemerkt sind die Frodo darstellenden Nico und Schnitzel grandiose Szenendiebe. Aber grundsätzlich kommt mit dem Zusammentreffen von Eric und Samira auch DAY ONE endgültig zum Kernthema der Reihe. Es ist die bewahrte Menschlichkeit in einer aus den Fugen geratenen Welt. Die Chemie zwischen Lupita Nyong’o und Joseph Quinn ist erstaunlich. Aber nicht die Chemie eines füreinander bestimmten Paares, sondern zwei Menschen die sich mehr psychisch als physisch notwendig brauchen. Nyong’o und Quinn geben dem Film eine greifbare, emotionale Natürlichkeit.

Mit A QUIET PLACE: DAY ONE hat Michael Sarnoski einen Film gemacht, der wirklich alles hat. Ausgezeichnete Darsteller, welche eine überzeugende Souveränität für die Geschichte in sich tragen. Ein exzellentes Erzähltempo, dass sich stets perfekt den Szenen entsprechend anpasst. Eine immer wieder schlüssige Erzählung, die auch damit überrascht, Unwahrscheinlichkeiten innerhalb der eigenen Logik zu umgehen. Und effizient mitreißend inszenierte Visuelle Effekte, die nie aufgetragen oder überladen eingesetzt sind, eher zurückhaltend für diese Art Film. Mit Djimon Hounsou gibt es für Fans eine erfreuliche, wenngleich kurze Brücke zu QUIET PLACE II. Das große Aber kommt allerdings mit eben dieser Fülle von starken und zugkräftigen Elementen.

Jeder Handlungsteil erweckt das Gefühl, etwas würde fehlen. Als wären die einzelnen Sequenzen unvollständig erzählt, oder inszeniert. Die Sprengung eines Wahrzeichens ist so integrativ inszeniert, dass unwillkürlich der Wunsch nach mehr solcher aufregenden Bilder entsteht. Man vermisst auch eine dramaturgische Umsetzung über die Auswirkungen der Invasion auf die gesamte Stadt und ihre Menschen. An vielen Stellen greift die Inszenierung lieber auf unterstützende Musik zurück, anstatt den Zwang zur Stille auch auf die Zuschauenden zu übertragen, und erfahren zu lassen. Wer ist Eric überhaupt, und wo kommt er her? Welche Vergangenheit hat Samira? Solche Fragen entstehen, wenn einem die Figuren nahe kommen und man sich um sie sorgt. Und Samira sowie Eric kommen einem dank der sensiblen Regie tatsächlich sehr nahe.

Von vielen interessanten Situation, und da gibt wirklich viele, will man mehr erfahren. Auf der einen Seite zeugt das natürlich von einer raffiniert konstruierten und durchweg spannend gehaltenen Inszenierung. Und es ist durchaus auch schön zu sehen, dass nicht alles zu Tode erklärt wird. Anderseits kann das sehr oft sehr unbefriedigend sein. Als würde Michael Sarnoski lediglich die Blaupausen für den Film zeigen, zwar eine klare Vorstellung des Handlungsablaufes anreißen, aber nie die vollen dramaturgischen Möglichkeiten ausspielen. Dabei ist es ohnehin erstaunlich wie geschickt der Regisseur von Action auf Emotionen überleiten kann, ohne mit der fesselnden Stimmung zu brechen. Was die Zuschauenden also fragend zurücklässt, ist nicht ein fehlendes Verständnis, sondern die vom Regisseur herbei inszenierte Wissbegier. In New York herrscht ein durchschnittlicher Lärmpegel von 90 Dezibel, verkündet der Film zu Anfang. Aber wie hört sich das nach der geräuschsensiblen Invasion an?

A Quiet Day One 2 - Copyright PARAMOUNT PICTURES

 

Darsteller: Lupita Nyong’o, Joseph Quinn, Alex Wolff, Djimon Hounsou u.a.
Regie & Drehbuch: Michael Sarnoski
nach der Geschichte von John Krasinski & Michael Sarnoski
Kamera: Pat Scola
Bildschnitt: Andrew Mondshein, Gregory Plotkin
Musik: Alexis Grapsas
Produktionsdesign: Simon Bowles
USA, Großbritannien / 2024
100 Minuten

Bildrechte: PARAMOUNT PICTURES
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