HIT MAN
– Bundesstart 04.07.2024
– Netflix US 07.06.2024
Preview 03.07.24, Cineplex Fürth
Dies ist eine wahre Geschichte. Ähnlichkeiten mit wirklichen Namen und Personen sind kein Zufall, und absolute Absicht. Und was nicht wahr ist, hätte durchaus so passieren können. Gary Johnson war eigentlich College-Professor für Psychologie, aber nur zwei Tage in der Woche. Ansonsten stand er der Polizei von Houston zur Verfügung, um als vermeintlicher Auftragskiller potentielle Auftraggebern Geständnisse zu entlocken, und sie somit schon vor der Tat wegen Anstiftung zu Mord ins Gefängnis zu bringen. Im Film ist Gary Johnson hauptberuflicher Lehrer, den Job als falscher Auftragskiller bekommt er nur aus einer Notlage heraus, und die Geschichte spielt in New Orleans. Ob das in irgendeiner Weise von Belang ist? Nicht im Geringsten. HIT MAN ist so gut, und bisweilen brüllend komisch, dass an dieser Stelle bemühte Vergleiche zur realen Geschichte einfach nur lächerlich wirken würden. Richard Linklaters bisher beste all seiner Komödien, steht bereits perfekt für sich alleine. Der Rahmen des wahren Hintergrundes ist da eher eine absurd komische Zugabe.
Was sich eklatant von der wahren Geschichte unterscheiden, ist die Beziehung zur vermeintlichen Klientin Madison Figueroa Masters (auch wenn Vergleiche hier keinen Platz mehr einnehmen sollten). Aber die Raffinesse von Linklaters und Darsteller Glen Powells Drehbuch zeigt sich unter anderem auch darin, dass es zum Beispiel Madison Masters wirklich gegeben hat. Und tatsächlich war Madison Masters die einzige Klientin, die Gary Johnson dank seiner psychologischen Urteilsfähigkeit, von dem Vorhaben abbringen konnte, ihren Mann töten zu lassen. Gary Johnson hat die Frau nie wieder gesehen. Anders beim filmischen Gary Johnson. Denn aus der fiktiven Beziehung zu Madison stricken die Autoren ihre turbulent rasante Verwechslungskomödie.
HIT MAN ist ein Musterbeispiel von Komödie, aber auch gleichzeitig das Modell für einen Thriller. Denn Linklater beweist hier auf den Punkt, wie man mit allen zur Verfügung stehenden Stilmitteln des Mainstream-Kinos, die Essenz jedes Elements in Handlung und Inszenierung treffen kann. HIT MAN ist weder die beste Verwechslungskomödie, noch allgemein beste Komödie, und schon gar nicht ein überragender Krimi. Shane Kellys Kamera ist sehr effizient, der Film ansprechend und tadellos fotografiert, zudem auch ein wichtiger Erzähler in den Spannungs- und Überraschungsmomenten. Aber exakt für all diese Elemente findet Richard Linklater ganz präzise die beste Mischung, in jeder Sequenz. Und das lässt dann auch den Film perfekt funktionieren.
Es wäre sträflich näher auf die eigentliche Handlung einzugehen. Ein grandioser Erzähler wie Linklater hat selbst die turbulentesten Szenen immer soweit im Griff, dass sie nie über das Ziel hinausschießen. Keine der Figuren ist überzeichnet – mit der selbstverständlichen Ausnahme von Gary Johnsons atemberaubenden Killer-Verkleidungen – und der Regisseur sorgt auch dafür, dass alles glaubwürdig und plausibel bleibt. Selbst wenn es kreischend komisch wird, wie mit eben erwähnten Verkleidungen. Im Film schlüpft Glen Powell neun Mal in Kostüme verschiedener Killer. Ganz individuell auf die Zielperson ausgerichtet. Absoluter Höhepunkt ist dabei Powells Imitation von AMERICAN PSYCHOs Patrick Bateman, den Christian Bale seinerzeit ikonisch gemacht hatte.
HIT MAN nimmt sich aus wie ein Portfolie für Powells weitere Karriere, die allerdings hier schon einen nur schwer zu überbietenden Höhepunkt erreicht. Da werden starke Erinnerungen an Alec Guiness‘ Verkleidungseskapaden wach. Nur das Powell, als braver College-Professor, Redneck-Killer, oder Tilda Swinton-Kopie, immer noch ein gutes Stück geerdet bleibt. Nicht unerheblich ist die stimmige, manchmal auch sprühende Chemie mit Adria Arjona. Wie eigentlich alle Darsteller, überzeugt auch Arjona mit erfrischender Individualität. Ganz bewusst lässt Linklater ihre Madison immer wieder am Love-Interest-Klischee entlangschrammen. Leider bedient Austin Amelio als Johnsons Vorgänger das Stereotyp des Unberechenbaren mit berechenbarer Vorhersehbarkeit.
Linklater ist ja in erster Linie Schauspiel-Regisseur, was letztendlich ein entscheidender, wenn nicht DER entscheidende Faktor für die unglaubliche Dynamik des Films ist. Außer mit bereits beschriebener Ausnahme, ist das gesamte Ensemble mit seinen Figuren auf einer nachvollziehbaren, realen Ebene. Gerade weil alle mit diversen persönlichen Zügen glänzen, und sich mit präzisem Timing in Komödie sowie der Action auszeichnen. Linklater ist nur zweiter Linie ein Action- oder Komödien-Regisseur. Ein Attribut das er hier selbst aber perfekt aushebelt. HIT MAN ist temporeich, wahnsinnig komisch, und voller grandioser Überraschungen. Und es ist Glen Powells Film – der aber nur durch das brillante Umfeld von Mitspielern, Regie, und Geschichte richtig glänzen darf.
Der Film ist dem echten Gary Johnson gewidmet, der am Film noch beteiligt war, aber die Premiere leider nicht mehr erleben durfte.
Darsteller: Glen Powell, Adria Arjona, Austin Amelio, Retta, Sanjay Rao, Molly Benard, Evan Holtzman, Gralen Bryant Banks u.a.
Regie: Richard Linklater
Drehbuch: Richard Linklater, Glen Powell
nach einem Artikel von Skip Hollandsworth
Kamera: Shane F. Kelly
Bildschnitt: Sandra Adair
Musik: Graham Reynolds
Produktionsdesign: Bruce Curtis
USA / 2023
115 Minuten